Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

griechische brunnen. aufrechtstehende pithoi.
höchst merkwürdigen, mit den urältesten religiösen
Symbolen der arischen Rasse verzierten Stücke bei den
vier Völkern, welche das eine nach dem andern Ilium
innehatten, und darauf sogar bei der civilisirten grie-
chischen Colonie noch über 1000 Jahre in Anwendung
bleiben konnten -- das ist für mich ein ebenso unlös-
bares Räthsel, wie der Zweck, wozu sie gebraucht
wurden. Wenn sie, wie ich jetzt vermuthe, das Rad
darstellten, welches im Rigveda das Symbol des Son-
nenwagens ist, so wurden sie wol als Exvotos gebraucht,
oder sie wurden auch als Idole des Sonnengottes, des
Phoebus Apollo, angebetet. Aber wozu dann die ko-
lossale Menge davon?

Der griechischen Colonie gehört natürlich jener mehr-
fach erwähnte, von behauenen Steinen mit Cement aufge-
mauerte Brunnen an, den ich hier im vorigen Jahre in
2 Meter Tiefe entdeckte; ferner natürlich alle jene unge-
heuern Wasser- oder Weinurnen (pithoi), die ich in den
höchsten Schichten finde. Ich finde diese kolossalen
Behälter sowol, als auch alle in den tiefern und
tiefsten Schichten vorkommenden grossen irdenen pithoi
stets in aufrechter Stellung, und dies ist der beste Be-
weis, wenn überhaupt noch ein Beweis nöthig wäre,
dass die gewaltigen Schuttmassen nicht von einem an-
dern Orte hierher gebracht sein können, sondern dass
sie sich ganz allmählich im Laufe der Jahrtausende da-
durch gebildet haben, dass die Eroberer und Zerstörer
von Ilium, oder wenigstens die neuen Ansiedler nach
der Eroberung und Zerstörung, nie dieselbe Civilisation
und Gewohnheiten hatten, wie ihre Vorgänger; dass somit
viele Jahrhunderte lang Häuser mit Wänden von unge-

griechische brunnen. aufrechtstehende pithoi.
höchst merkwürdigen, mit den urältesten religiösen
Symbolen der arischen Rasse verzierten Stücke bei den
vier Völkern, welche das eine nach dem andern Ilium
innehatten, und darauf sogar bei der civilisirten grie-
chischen Colonie noch über 1000 Jahre in Anwendung
bleiben konnten — das ist für mich ein ebenso unlös-
bares Räthsel, wie der Zweck, wozu sie gebraucht
wurden. Wenn sie, wie ich jetzt vermuthe, das Rad
darstellten, welches im Rigvêda das Symbol des Son-
nenwagens ist, so wurden sie wol als Exvotos gebraucht,
oder sie wurden auch als Idole des Sonnengottes, des
Phoebus Apollo, angebetet. Aber wozu dann die ko-
lossale Menge davon?

Der griechischen Colonie gehört natürlich jener mehr-
fach erwähnte, von behauenen Steinen mit Cement aufge-
mauerte Brunnen an, den ich hier im vorigen Jahre in
2 Meter Tiefe entdeckte; ferner natürlich alle jene unge-
heuern Wasser- oder Weinurnen (πίϑοι), die ich in den
höchsten Schichten finde. Ich finde diese kolossalen
Behälter sowol, als auch alle in den tiefern und
tiefsten Schichten vorkommenden grossen irdenen πίϑοι
stets in aufrechter Stellung, und dies ist der beste Be-
weis, wenn überhaupt noch ein Beweis nöthig wäre,
dass die gewaltigen Schuttmassen nicht von einem an-
dern Orte hierher gebracht sein können, sondern dass
sie sich ganz allmählich im Laufe der Jahrtausende da-
durch gebildet haben, dass die Eroberer und Zerstörer
von Ilium, oder wenigstens die neuen Ansiedler nach
der Eroberung und Zerstörung, nie dieselbe Civilisation
und Gewohnheiten hatten, wie ihre Vorgänger; dass somit
viele Jahrhunderte lang Häuser mit Wänden von unge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0193" n="127"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">griechische brunnen. aufrechtstehende pithoi.</hi></fw><lb/>
höchst merkwürdigen, mit den urältesten religiösen<lb/>
Symbolen der arischen Rasse verzierten Stücke bei den<lb/>
vier Völkern, welche das eine nach dem andern Ilium<lb/>
innehatten, und darauf sogar bei der civilisirten grie-<lb/>
chischen Colonie noch über 1000 Jahre in Anwendung<lb/>
bleiben konnten &#x2014; das ist für mich ein ebenso unlös-<lb/>
bares Räthsel, wie der Zweck, wozu sie gebraucht<lb/>
wurden. Wenn sie, wie ich jetzt vermuthe, das Rad<lb/>
darstellten, welches im Rigvêda das Symbol des Son-<lb/>
nenwagens ist, so wurden sie wol als Exvotos gebraucht,<lb/>
oder sie wurden auch als Idole des Sonnengottes, des<lb/>
Phoebus Apollo, angebetet. Aber wozu dann die ko-<lb/>
lossale Menge davon?</p><lb/>
        <p>Der griechischen Colonie gehört natürlich jener mehr-<lb/>
fach erwähnte, von behauenen Steinen mit Cement aufge-<lb/>
mauerte Brunnen an, den ich hier im vorigen Jahre in<lb/>
2 Meter Tiefe entdeckte; ferner natürlich alle jene unge-<lb/>
heuern Wasser- oder Weinurnen (&#x03C0;&#x03AF;&#x03D1;&#x03BF;&#x03B9;), die ich in den<lb/>
höchsten Schichten finde. Ich finde diese kolossalen<lb/>
Behälter sowol, als auch alle in den tiefern und<lb/>
tiefsten Schichten vorkommenden grossen irdenen &#x03C0;&#x03AF;&#x03D1;&#x03BF;&#x03B9;<lb/>
stets in aufrechter Stellung, und dies ist der beste Be-<lb/>
weis, wenn überhaupt noch ein Beweis nöthig wäre,<lb/>
dass die gewaltigen Schuttmassen nicht von einem an-<lb/>
dern Orte hierher gebracht sein können, sondern dass<lb/>
sie sich ganz allmählich im Laufe der Jahrtausende da-<lb/>
durch gebildet haben, dass die Eroberer und Zerstörer<lb/>
von Ilium, oder wenigstens die neuen Ansiedler nach<lb/>
der Eroberung und Zerstörung, nie dieselbe Civilisation<lb/>
und Gewohnheiten hatten, wie ihre Vorgänger; dass somit<lb/>
viele Jahrhunderte lang Häuser mit Wänden von unge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0193] griechische brunnen. aufrechtstehende pithoi. höchst merkwürdigen, mit den urältesten religiösen Symbolen der arischen Rasse verzierten Stücke bei den vier Völkern, welche das eine nach dem andern Ilium innehatten, und darauf sogar bei der civilisirten grie- chischen Colonie noch über 1000 Jahre in Anwendung bleiben konnten — das ist für mich ein ebenso unlös- bares Räthsel, wie der Zweck, wozu sie gebraucht wurden. Wenn sie, wie ich jetzt vermuthe, das Rad darstellten, welches im Rigvêda das Symbol des Son- nenwagens ist, so wurden sie wol als Exvotos gebraucht, oder sie wurden auch als Idole des Sonnengottes, des Phoebus Apollo, angebetet. Aber wozu dann die ko- lossale Menge davon? Der griechischen Colonie gehört natürlich jener mehr- fach erwähnte, von behauenen Steinen mit Cement aufge- mauerte Brunnen an, den ich hier im vorigen Jahre in 2 Meter Tiefe entdeckte; ferner natürlich alle jene unge- heuern Wasser- oder Weinurnen (πίϑοι), die ich in den höchsten Schichten finde. Ich finde diese kolossalen Behälter sowol, als auch alle in den tiefern und tiefsten Schichten vorkommenden grossen irdenen πίϑοι stets in aufrechter Stellung, und dies ist der beste Be- weis, wenn überhaupt noch ein Beweis nöthig wäre, dass die gewaltigen Schuttmassen nicht von einem an- dern Orte hierher gebracht sein können, sondern dass sie sich ganz allmählich im Laufe der Jahrtausende da- durch gebildet haben, dass die Eroberer und Zerstörer von Ilium, oder wenigstens die neuen Ansiedler nach der Eroberung und Zerstörung, nie dieselbe Civilisation und Gewohnheiten hatten, wie ihre Vorgänger; dass somit viele Jahrhunderte lang Häuser mit Wänden von unge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/193
Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/193>, abgerufen am 03.05.2024.