Mensch bei ihrer Beurtheilung einnehmen will, das Product blinder nach ausnahmslosen Naturgesetzen wirkender Kräfte und da ist von keinem Plane, keinem mehr oder minder Vollkommenen die Rede, weil alles starre Nothwendigkeit ist, oder sie erscheint uns als die lebendige Schöpfung eines heiligen Urhebers und dann ist Plan und Ausführung im Größten wie im Kleinsten gleich vollkommen und vollendet, aber für den Erdensohn überall gleich geheimnißvoll und unbegreiflich. -- Aber auch auf der andern Seite leidet jener Göthesche Gedanke einer Urpflanze an einer Unklarheit, da nicht deutlich wird wie man sich eine solche Urpflanze zu denken habe. So viel ist gewiß, daß solche widerlich geschmacklose Zusammenhäufungen einer Menge im Einzel- nen möglicher Formen zu einer wahren Mißgeburt von Pflanze, wie sie von Turpin in seinem Atlas zu Göthes naturwissenschaftlichem Werke gegeben ist, alles andere sind nur nicht das, was sich der klare Göthe unter einer Urpflanze vorstellen mochte. Soll der Gedanke mit sinniger Bedeutsamkeit zugleich ausführbar seyn, so müssen wir uns als Urpflanze eine Zeichnung entwerfen, welche uns die höchste Ent- wicklung der Pflanzenwelt in ihrer einfachsten Form giebt, woraus also alle niedrigern Entwicklungsstufen durch bloße Weglassung oder Zusammenziehung, alle nebengeordneten durch Combinationen und Verwicklungen abgeleitet werden können. --
Den Versuch, eine solche Pflanze hinzustellen, mag die Tafel vorführen. -- Man kann dieses Bild als eine Abstraction von einer sehr einfachen und bekannten Pflanze, der Anagallis phoenicea an- sehen, deren großblumige blaue Spielart auch als Topfpflanze unter dem Namen Anagallis Monelli unsere Fenster ziert. Eine genauere Betrachtung dieses Bildes kann dazu dienen, einige der wichtigeren morphologischen Begriffe geläufiger und anschaulicher zu machen. Ein auch nur flüchtiger Anblick zeigt uns folgende Verhältnisse. Zu- nächst entdecken wir einen durchgehenden Hauptkörper (a bis aVI.) und an diesem verschiedene seitliche Anhängsel (b, c bis cVII. und d). Bei genauerer Betrachtung zeigen aber diese letzteren einige sehr auf-
Schleiden, Pflanze. 6
Menſch bei ihrer Beurtheilung einnehmen will, das Product blinder nach ausnahmsloſen Naturgeſetzen wirkender Kräfte und da iſt von keinem Plane, keinem mehr oder minder Vollkommenen die Rede, weil alles ſtarre Nothwendigkeit iſt, oder ſie erſcheint uns als die lebendige Schöpfung eines heiligen Urhebers und dann iſt Plan und Ausführung im Größten wie im Kleinſten gleich vollkommen und vollendet, aber für den Erdenſohn überall gleich geheimnißvoll und unbegreiflich. — Aber auch auf der andern Seite leidet jener Götheſche Gedanke einer Urpflanze an einer Unklarheit, da nicht deutlich wird wie man ſich eine ſolche Urpflanze zu denken habe. So viel iſt gewiß, daß ſolche widerlich geſchmackloſe Zuſammenhäufungen einer Menge im Einzel- nen möglicher Formen zu einer wahren Mißgeburt von Pflanze, wie ſie von Turpin in ſeinem Atlas zu Göthes naturwiſſenſchaftlichem Werke gegeben iſt, alles andere ſind nur nicht das, was ſich der klare Göthe unter einer Urpflanze vorſtellen mochte. Soll der Gedanke mit ſinniger Bedeutſamkeit zugleich ausführbar ſeyn, ſo müſſen wir uns als Urpflanze eine Zeichnung entwerfen, welche uns die höchſte Ent- wicklung der Pflanzenwelt in ihrer einfachſten Form giebt, woraus alſo alle niedrigern Entwicklungsſtufen durch bloße Weglaſſung oder Zuſammenziehung, alle nebengeordneten durch Combinationen und Verwicklungen abgeleitet werden können. —
Den Verſuch, eine ſolche Pflanze hinzuſtellen, mag die Tafel vorführen. — Man kann dieſes Bild als eine Abſtraction von einer ſehr einfachen und bekannten Pflanze, der Anagallis phoenicea an- ſehen, deren großblumige blaue Spielart auch als Topfpflanze unter dem Namen Anagallis Monelli unſere Fenſter ziert. Eine genauere Betrachtung dieſes Bildes kann dazu dienen, einige der wichtigeren morphologiſchen Begriffe geläufiger und anſchaulicher zu machen. Ein auch nur flüchtiger Anblick zeigt uns folgende Verhältniſſe. Zu- nächſt entdecken wir einen durchgehenden Hauptkörper (a bis aVI.) und an dieſem verſchiedene ſeitliche Anhängſel (b, c bis cVII. und d). Bei genauerer Betrachtung zeigen aber dieſe letzteren einige ſehr auf-
Schleiden, Pflanze. 6
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Menſch bei ihrer Beurtheilung einnehmen will, das Product blinder
nach ausnahmsloſen Naturgeſetzen wirkender Kräfte und da iſt von
keinem Plane, keinem mehr oder minder Vollkommenen die Rede, weil
alles ſtarre Nothwendigkeit iſt, oder ſie erſcheint uns als die lebendige
Schöpfung eines heiligen Urhebers und dann iſt Plan und Ausführung
im Größten wie im Kleinſten gleich vollkommen und vollendet, aber
für den Erdenſohn überall gleich geheimnißvoll und unbegreiflich. —
Aber auch auf der andern Seite leidet jener Götheſche Gedanke einer
Urpflanze an einer Unklarheit, da nicht deutlich wird wie man ſich
eine ſolche Urpflanze zu denken habe. So viel iſt gewiß, daß ſolche
widerlich geſchmackloſe Zuſammenhäufungen einer Menge im Einzel-
nen möglicher Formen zu einer wahren Mißgeburt von Pflanze, wie
ſie von Turpin in ſeinem Atlas zu Göthes naturwiſſenſchaftlichem
Werke gegeben iſt, alles andere ſind nur nicht das, was ſich der klare
Göthe unter einer Urpflanze vorſtellen mochte. Soll der Gedanke mit
ſinniger Bedeutſamkeit zugleich ausführbar ſeyn, ſo müſſen wir uns
als Urpflanze eine Zeichnung entwerfen, welche uns die höchſte Ent-
wicklung der Pflanzenwelt in ihrer einfachſten Form giebt, woraus
alſo alle niedrigern Entwicklungsſtufen durch bloße Weglaſſung oder
Zuſammenziehung, alle nebengeordneten durch Combinationen und
Verwicklungen abgeleitet werden können. —
Den Verſuch, eine ſolche Pflanze hinzuſtellen, mag die Tafel
vorführen. — Man kann dieſes Bild als eine Abſtraction von einer
ſehr einfachen und bekannten Pflanze, der Anagallis phoenicea an-
ſehen, deren großblumige blaue Spielart auch als Topfpflanze unter
dem Namen Anagallis Monelli unſere Fenſter ziert. Eine genauere
Betrachtung dieſes Bildes kann dazu dienen, einige der wichtigeren
morphologiſchen Begriffe geläufiger und anſchaulicher zu machen.
Ein auch nur flüchtiger Anblick zeigt uns folgende Verhältniſſe. Zu-
nächſt entdecken wir einen durchgehenden Hauptkörper (a bis aVI.)
und an dieſem verſchiedene ſeitliche Anhängſel (b, c bis cVII. und d).
Bei genauerer Betrachtung zeigen aber dieſe letzteren einige ſehr auf-
Schleiden, Pflanze. 6
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/97>, abgerufen am 05.12.2024.
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