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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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nisse, die die Form ausmachen unter der uns die bewegten Massen
erscheinen, mit einem Worte, eine bestimmte Gestalt dieses unseres
Sonnensystems, welche als zufällig in so fern erscheint, als daneben
noch unzählige andere Gestalten möglich und vielleicht auch für andere
Sonnenmittelpuncte wirklich sind. Diese letzteren Betrachtungen geben
uns die Lehre von der Gestaltung oder die Morphologie. -- Gehen
wir nun vom Sonnensystem zu den Verhältnissen unserer Erde selbst
über so wird die Hylologie zur Chemie, die Phoronomie zur Phy-
sik
, oder auf organische Körper angewendet zur Physiologie und die
Morphologie liefert die characteristischen Lehren für Mineralogie,
Zoologie
und Botanik. --

Die einfachste Pflanze, welche wir untersuchen, zeigt uns so gut
wie jenes Sonnensystem im Großen eine Reihe von Thatsachen, welche
sich vollständig unter jene drei Hauptabtheilungen der Naturwissen-
schaft vertheilen lassen. -- Die Pflanze, chemisch zerlegt, ergiebt sich
als zusammengesetzt aus größern oder geringern Mengen verschiedener
Stoffe, deren Eigenschaften, so weit wir sie bereits kennen, aufs Engste
mit der Eigenthümlichkeit der ganzen Pflanze, verbunden sind (Stoff-
lehre). Aber bei genauerer Aufmerksamkeit finden wir bald, daß diese
Stoffe niemals in Ruhe sind, daß Stoffe einerseits in die Pflanze
eintreten, andererseits dieselbe verlassen, in der Pflanze selbst aber
in einer beständigen Bewegung von einem Ort zum andern, in bestän-
diger Verbindung und Trennung begriffen sind (Bewegungslehre oder
Physiologie der Pflanze). Haben wir damit nun das ganze Wesen
der Pflanze erschöpft? Keineswegs, und zwar so fern sind wir davon,
daß es denkbar wäre, alle jene Stoffe, alle jene Bewegungen soweit
sie auf chemische Verbindungen und Trennungen abzielen in den
Retorten und Tiegeln unserer Laboratorien nachzumachen, ohne daß
dabei eine Erscheinung hervorträte, welche auch nur im Allerentfern-
testen an eine Pflanze erinnerte. Aus Zucker, Gummi oder Pflanzen-
gallerte bildet sich Zellstoff, aber Zellstoff ist noch keine Zelle. Erst
die Zellenbildung, also die Gestaltung, macht den Stoff zum pflanz-
lichen Organismus. Aus gleichartigen Zellen sind sämmtliche Pflanzen

niſſe, die die Form ausmachen unter der uns die bewegten Maſſen
erſcheinen, mit einem Worte, eine beſtimmte Geſtalt dieſes unſeres
Sonnenſyſtems, welche als zufällig in ſo fern erſcheint, als daneben
noch unzählige andere Geſtalten möglich und vielleicht auch für andere
Sonnenmittelpuncte wirklich ſind. Dieſe letzteren Betrachtungen geben
uns die Lehre von der Geſtaltung oder die Morphologie. — Gehen
wir nun vom Sonnenſyſtem zu den Verhältniſſen unſerer Erde ſelbſt
über ſo wird die Hylologie zur Chemie, die Phoronomie zur Phy-
ſik
, oder auf organiſche Körper angewendet zur Phyſiologie und die
Morphologie liefert die characteriſtiſchen Lehren für Mineralogie,
Zoologie
und Botanik. —

Die einfachſte Pflanze, welche wir unterſuchen, zeigt uns ſo gut
wie jenes Sonnenſyſtem im Großen eine Reihe von Thatſachen, welche
ſich vollſtändig unter jene drei Hauptabtheilungen der Naturwiſſen-
ſchaft vertheilen laſſen. — Die Pflanze, chemiſch zerlegt, ergiebt ſich
als zuſammengeſetzt aus größern oder geringern Mengen verſchiedener
Stoffe, deren Eigenſchaften, ſo weit wir ſie bereits kennen, aufs Engſte
mit der Eigenthümlichkeit der ganzen Pflanze, verbunden ſind (Stoff-
lehre). Aber bei genauerer Aufmerkſamkeit finden wir bald, daß dieſe
Stoffe niemals in Ruhe ſind, daß Stoffe einerſeits in die Pflanze
eintreten, andererſeits dieſelbe verlaſſen, in der Pflanze ſelbſt aber
in einer beſtändigen Bewegung von einem Ort zum andern, in beſtän-
diger Verbindung und Trennung begriffen ſind (Bewegungslehre oder
Phyſiologie der Pflanze). Haben wir damit nun das ganze Weſen
der Pflanze erſchöpft? Keineswegs, und zwar ſo fern ſind wir davon,
daß es denkbar wäre, alle jene Stoffe, alle jene Bewegungen ſoweit
ſie auf chemiſche Verbindungen und Trennungen abzielen in den
Retorten und Tiegeln unſerer Laboratorien nachzumachen, ohne daß
dabei eine Erſcheinung hervorträte, welche auch nur im Allerentfern-
teſten an eine Pflanze erinnerte. Aus Zucker, Gummi oder Pflanzen-
gallerte bildet ſich Zellſtoff, aber Zellſtoff iſt noch keine Zelle. Erſt
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lichen Organismus. Aus gleichartigen Zellen ſind ſämmtliche Pflanzen

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[79/0095] niſſe, die die Form ausmachen unter der uns die bewegten Maſſen erſcheinen, mit einem Worte, eine beſtimmte Geſtalt dieſes unſeres Sonnenſyſtems, welche als zufällig in ſo fern erſcheint, als daneben noch unzählige andere Geſtalten möglich und vielleicht auch für andere Sonnenmittelpuncte wirklich ſind. Dieſe letzteren Betrachtungen geben uns die Lehre von der Geſtaltung oder die Morphologie. — Gehen wir nun vom Sonnenſyſtem zu den Verhältniſſen unſerer Erde ſelbſt über ſo wird die Hylologie zur Chemie, die Phoronomie zur Phy- ſik, oder auf organiſche Körper angewendet zur Phyſiologie und die Morphologie liefert die characteriſtiſchen Lehren für Mineralogie, Zoologie und Botanik. — Die einfachſte Pflanze, welche wir unterſuchen, zeigt uns ſo gut wie jenes Sonnenſyſtem im Großen eine Reihe von Thatſachen, welche ſich vollſtändig unter jene drei Hauptabtheilungen der Naturwiſſen- ſchaft vertheilen laſſen. — Die Pflanze, chemiſch zerlegt, ergiebt ſich als zuſammengeſetzt aus größern oder geringern Mengen verſchiedener Stoffe, deren Eigenſchaften, ſo weit wir ſie bereits kennen, aufs Engſte mit der Eigenthümlichkeit der ganzen Pflanze, verbunden ſind (Stoff- lehre). Aber bei genauerer Aufmerkſamkeit finden wir bald, daß dieſe Stoffe niemals in Ruhe ſind, daß Stoffe einerſeits in die Pflanze eintreten, andererſeits dieſelbe verlaſſen, in der Pflanze ſelbſt aber in einer beſtändigen Bewegung von einem Ort zum andern, in beſtän- diger Verbindung und Trennung begriffen ſind (Bewegungslehre oder Phyſiologie der Pflanze). Haben wir damit nun das ganze Weſen der Pflanze erſchöpft? Keineswegs, und zwar ſo fern ſind wir davon, daß es denkbar wäre, alle jene Stoffe, alle jene Bewegungen ſoweit ſie auf chemiſche Verbindungen und Trennungen abzielen in den Retorten und Tiegeln unſerer Laboratorien nachzumachen, ohne daß dabei eine Erſcheinung hervorträte, welche auch nur im Allerentfern- teſten an eine Pflanze erinnerte. Aus Zucker, Gummi oder Pflanzen- gallerte bildet ſich Zellſtoff, aber Zellſtoff iſt noch keine Zelle. Erſt die Zellenbildung, alſo die Geſtaltung, macht den Stoff zum pflanz- lichen Organismus. Aus gleichartigen Zellen ſind ſämmtliche Pflanzen

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/95>, abgerufen am 05.12.2024.