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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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aneinander und bilden so die ganze Masse der Pflanze, das Zellge-
webe, welches man aber nach den verschiedenen Formen der Zellen,
besonders aber nach der verschiedenen Bedeutung derselben für das
Leben der Pflanzen in drei Hauptgewebe abtheilen kann. --

Ehe wir aber zur Betrachtung dieser drei Gewebe uns anschicken,
müssen wir noch etwas genauer mit den Veränderungen uns bekannt
machen, welche die Zelle in ihrem Leben durchlaufen kann. -- Die
Zelle dürfen wir nämlich als einen kleinen selbstständigen, für sich
lebenden Organismus ansehen. Aus seiner Umgebung nimmt derselbe
flüssigen Nahrungsstoff auf, aus demselben bildet er durch chemische
Processe, die im Innern der Zelle beständig rege sind, neue Stoffe, die er
theils zur Ernährung und zum Wachsthum seiner Wandung verwendet,
theils für zukünftige Bedürfnisse in sich aufbewahrt, theils als un-
braubar gewordene Stoffe wieder ausscheidet, um Statt dessen aber-
mals neue Stoffe aufzunehmen. In diesem regen Spiel der Aufnahme
und Ausscheidung von Stoffen, der chemischen Bildung, Umbildung
und Zersetzung von Stoffen besteht eigentlich das ganze Leben der
Zelle und -- da die Pflanze eigentlich Nichts ist, als die Summe
vieler Zellen, die zu einer bestimmten Gestalt verbunden sind --, auch
das Leben der ganzen Pflanze. --

Bei der Ernährung und dem Wachsthum der Zellenwand lassen
sich aber noch zwei verschiedene Verhältnisse unterscheiden. Das
Wachsthum nämlich ist einmal dahin gerichtet den Umfang der Zelle
zu verändern und zu vergrößern. Daher entstehen nach und nach aus
den Anfangs rundlichen Zellen gar verschiedene Formen. Zunächst,
wenn sie sich dicht aneinander drängen, verlieren sie ihre runden ge-
bogenen Wände, drücken sich gegenseitig flach und erscheinen dann
wie sehr unregelmäßige Bienenzellen oder auf einem zarten Durch-
schnitt, wie vielseitige Maschen. (Taf. I. Fig. B, a.) -- Andere
Zellen dehnen sich mehr stellenweise aus und bilden Fortsätze oft sehr
zierlich als sechsstrahlige Sterne, oft sehr unregelmäßig zu wunder-
lichen Figuren. Noch andere Zellen werden flach indem sie sich von
zwei Seiten abplatten, andere endlich werden mehr in die Länge aus-

aneinander und bilden ſo die ganze Maſſe der Pflanze, das Zellge-
webe, welches man aber nach den verſchiedenen Formen der Zellen,
beſonders aber nach der verſchiedenen Bedeutung derſelben für das
Leben der Pflanzen in drei Hauptgewebe abtheilen kann. —

Ehe wir aber zur Betrachtung dieſer drei Gewebe uns anſchicken,
müſſen wir noch etwas genauer mit den Veränderungen uns bekannt
machen, welche die Zelle in ihrem Leben durchlaufen kann. — Die
Zelle dürfen wir nämlich als einen kleinen ſelbſtſtändigen, für ſich
lebenden Organismus anſehen. Aus ſeiner Umgebung nimmt derſelbe
flüſſigen Nahrungsſtoff auf, aus demſelben bildet er durch chemiſche
Proceſſe, die im Innern der Zelle beſtändig rege ſind, neue Stoffe, die er
theils zur Ernährung und zum Wachsthum ſeiner Wandung verwendet,
theils für zukünftige Bedürfniſſe in ſich aufbewahrt, theils als un-
braubar gewordene Stoffe wieder ausſcheidet, um Statt deſſen aber-
mals neue Stoffe aufzunehmen. In dieſem regen Spiel der Aufnahme
und Ausſcheidung von Stoffen, der chemiſchen Bildung, Umbildung
und Zerſetzung von Stoffen beſteht eigentlich das ganze Leben der
Zelle und — da die Pflanze eigentlich Nichts iſt, als die Summe
vieler Zellen, die zu einer beſtimmten Geſtalt verbunden ſind —, auch
das Leben der ganzen Pflanze. —

Bei der Ernährung und dem Wachsthum der Zellenwand laſſen
ſich aber noch zwei verſchiedene Verhältniſſe unterſcheiden. Das
Wachsthum nämlich iſt einmal dahin gerichtet den Umfang der Zelle
zu verändern und zu vergrößern. Daher entſtehen nach und nach aus
den Anfangs rundlichen Zellen gar verſchiedene Formen. Zunächſt,
wenn ſie ſich dicht aneinander drängen, verlieren ſie ihre runden ge-
bogenen Wände, drücken ſich gegenſeitig flach und erſcheinen dann
wie ſehr unregelmäßige Bienenzellen oder auf einem zarten Durch-
ſchnitt, wie vielſeitige Maſchen. (Taf. I. Fig. B, a.) — Andere
Zellen dehnen ſich mehr ſtellenweiſe aus und bilden Fortſätze oft ſehr
zierlich als ſechsſtrahlige Sterne, oft ſehr unregelmäßig zu wunder-
lichen Figuren. Noch andere Zellen werden flach indem ſie ſich von
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[41/0057] aneinander und bilden ſo die ganze Maſſe der Pflanze, das Zellge- webe, welches man aber nach den verſchiedenen Formen der Zellen, beſonders aber nach der verſchiedenen Bedeutung derſelben für das Leben der Pflanzen in drei Hauptgewebe abtheilen kann. — Ehe wir aber zur Betrachtung dieſer drei Gewebe uns anſchicken, müſſen wir noch etwas genauer mit den Veränderungen uns bekannt machen, welche die Zelle in ihrem Leben durchlaufen kann. — Die Zelle dürfen wir nämlich als einen kleinen ſelbſtſtändigen, für ſich lebenden Organismus anſehen. Aus ſeiner Umgebung nimmt derſelbe flüſſigen Nahrungsſtoff auf, aus demſelben bildet er durch chemiſche Proceſſe, die im Innern der Zelle beſtändig rege ſind, neue Stoffe, die er theils zur Ernährung und zum Wachsthum ſeiner Wandung verwendet, theils für zukünftige Bedürfniſſe in ſich aufbewahrt, theils als un- braubar gewordene Stoffe wieder ausſcheidet, um Statt deſſen aber- mals neue Stoffe aufzunehmen. In dieſem regen Spiel der Aufnahme und Ausſcheidung von Stoffen, der chemiſchen Bildung, Umbildung und Zerſetzung von Stoffen beſteht eigentlich das ganze Leben der Zelle und — da die Pflanze eigentlich Nichts iſt, als die Summe vieler Zellen, die zu einer beſtimmten Geſtalt verbunden ſind —, auch das Leben der ganzen Pflanze. — Bei der Ernährung und dem Wachsthum der Zellenwand laſſen ſich aber noch zwei verſchiedene Verhältniſſe unterſcheiden. Das Wachsthum nämlich iſt einmal dahin gerichtet den Umfang der Zelle zu verändern und zu vergrößern. Daher entſtehen nach und nach aus den Anfangs rundlichen Zellen gar verſchiedene Formen. Zunächſt, wenn ſie ſich dicht aneinander drängen, verlieren ſie ihre runden ge- bogenen Wände, drücken ſich gegenſeitig flach und erſcheinen dann wie ſehr unregelmäßige Bienenzellen oder auf einem zarten Durch- ſchnitt, wie vielſeitige Maſchen. (Taf. I. Fig. B, a.) — Andere Zellen dehnen ſich mehr ſtellenweiſe aus und bilden Fortſätze oft ſehr zierlich als ſechsſtrahlige Sterne, oft ſehr unregelmäßig zu wunder- lichen Figuren. Noch andere Zellen werden flach indem ſie ſich von zwei Seiten abplatten, andere endlich werden mehr in die Länge aus-

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/57>, abgerufen am 04.05.2024.