Anordnung und Form des Laubes, welche bedeutsamer den Total- eindruck modificirt. In dieser Rücksicht unterscheiden wir die Form der baumartigen Lilien oder die Agaven-Form, mit oft hin- und hergebogenen, zuweilen nach Oben in wenige kurze dicke Aeste getheiltem Stamme, dessen Enden einen nach allen Seiten gleich- mäßig ausgebreiteten Büschel lilienartiger, gewöhnlich derber, starrer, und deshalb von leichtem Winde nie bewegter, oft mattgrüner Blätter tragen und so das Bild der unerschütterlichen Ruhe darbieten. Die thebaische Cocospalme, die riesigen Fourcrojen, die Yuc- cen Mexicos, die Vellozien und Barbacenien Chiles, die großen Aloen Africa's, die Grasbäume Australiens gehören hierher und Polynesien liefert noch eine besondere Form in den Pan- daneen, mit steifen, zweischneidigen, glänzend grünen und in auffallend hervortretenden Schraubenlinien gestellten Blättern, die Schraubenfichten (screw-pine) der Engländer. -- Den Gegen- satz hierzu bildet die Form der Farnkräuter, deren zartes, viel- fach zerschlitztes Laub schirmartig ausgebreitet, vor Allem den Charakter anmuthiger Zierlichkeit und im leisesten Windhauche zitternd den Ein- druck beweglicher Leichtigkeit hervorruft. -- Die Mitte zwischen beiden Extremen hält die Palmenform im engeren Sinne des Wortes, deren vollendete Gestalten, gleichsam durch einen noch rohen, halbmiß- lungenen Versuch der Natur in den Cycadeen vorgebildet, eigent- lich die imponirende Schönheit der Tropenwelt bedingen. Sie ver- dienen, daß wir einige Augenblicke bei ihnen verweilen, und wir können hier keinem Bessern als A. v. Humboldt folgen.
Die Stämme der Palmen sind bald unförmlich dick, bald rohrartig schwach, bald nach oben, bald nach unten, bald in der Mitte bau- chig anschwellend, bald glatt wie abgedrechselt, bald schuppig, bald dicht besetzt mit fußlangen, schwarz glänzenden Stacheln, bald umwunden mit zartem Netz von braunen Fasern. Seltsam erscheinen sie, wenn sie, durch hoch am Stamme entspringende Wurzeln über den Erdboden gehoben, gleichsam vielfüßig dastehen oder ihren Ur- sprung in wulstartig sie umwuchernde Wurzelfasern verstecken. Die
Schleiden, Pflanze. 20
Anordnung und Form des Laubes, welche bedeutſamer den Total- eindruck modificirt. In dieſer Rückſicht unterſcheiden wir die Form der baumartigen Lilien oder die Agaven-Form, mit oft hin- und hergebogenen, zuweilen nach Oben in wenige kurze dicke Aeſte getheiltem Stamme, deſſen Enden einen nach allen Seiten gleich- mäßig ausgebreiteten Büſchel lilienartiger, gewöhnlich derber, ſtarrer, und deshalb von leichtem Winde nie bewegter, oft mattgrüner Blätter tragen und ſo das Bild der unerſchütterlichen Ruhe darbieten. Die thebaiſche Cocospalme, die rieſigen Fourcrojen, die Yuc- cen Mexicos, die Vellozien und Barbacenien Chiles, die großen Aloen Africa's, die Grasbäume Auſtraliens gehören hierher und Polyneſien liefert noch eine beſondere Form in den Pan- daneen, mit ſteifen, zweiſchneidigen, glänzend grünen und in auffallend hervortretenden Schraubenlinien geſtellten Blättern, die Schraubenfichten (screw-pine) der Engländer. — Den Gegen- ſatz hierzu bildet die Form der Farnkräuter, deren zartes, viel- fach zerſchlitztes Laub ſchirmartig ausgebreitet, vor Allem den Charakter anmuthiger Zierlichkeit und im leiſeſten Windhauche zitternd den Ein- druck beweglicher Leichtigkeit hervorruft. — Die Mitte zwiſchen beiden Extremen hält die Palmenform im engeren Sinne des Wortes, deren vollendete Geſtalten, gleichſam durch einen noch rohen, halbmiß- lungenen Verſuch der Natur in den Cycadeen vorgebildet, eigent- lich die imponirende Schönheit der Tropenwelt bedingen. Sie ver- dienen, daß wir einige Augenblicke bei ihnen verweilen, und wir können hier keinem Beſſern als A. v. Humboldt folgen.
Die Stämme der Palmen ſind bald unförmlich dick, bald rohrartig ſchwach, bald nach oben, bald nach unten, bald in der Mitte bau- chig anſchwellend, bald glatt wie abgedrechſelt, bald ſchuppig, bald dicht beſetzt mit fußlangen, ſchwarz glänzenden Stacheln, bald umwunden mit zartem Netz von braunen Faſern. Seltſam erſcheinen ſie, wenn ſie, durch hoch am Stamme entſpringende Wurzeln über den Erdboden gehoben, gleichſam vielfüßig daſtehen oder ihren Ur- ſprung in wulſtartig ſie umwuchernde Wurzelfaſern verſtecken. Die
Schleiden, Pflanze. 20
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Anordnung und Form des Laubes, welche bedeutſamer den Total-
eindruck modificirt. In dieſer Rückſicht unterſcheiden wir die Form
der baumartigen Lilien oder die Agaven-Form, mit oft hin-
und hergebogenen, zuweilen nach Oben in wenige kurze dicke Aeſte
getheiltem Stamme, deſſen Enden einen nach allen Seiten gleich-
mäßig ausgebreiteten Büſchel lilienartiger, gewöhnlich derber, ſtarrer,
und deshalb von leichtem Winde nie bewegter, oft mattgrüner Blätter
tragen und ſo das Bild der unerſchütterlichen Ruhe darbieten. Die
thebaiſche Cocospalme, die rieſigen Fourcrojen, die Yuc-
cen Mexicos, die Vellozien und Barbacenien Chiles, die
großen Aloen Africa's, die Grasbäume Auſtraliens gehören
hierher und Polyneſien liefert noch eine beſondere Form in den Pan-
daneen, mit ſteifen, zweiſchneidigen, glänzend grünen und in
auffallend hervortretenden Schraubenlinien geſtellten Blättern, die
Schraubenfichten (screw-pine) der Engländer. — Den Gegen-
ſatz hierzu bildet die Form der Farnkräuter, deren zartes, viel-
fach zerſchlitztes Laub ſchirmartig ausgebreitet, vor Allem den Charakter
anmuthiger Zierlichkeit und im leiſeſten Windhauche zitternd den Ein-
druck beweglicher Leichtigkeit hervorruft. — Die Mitte zwiſchen beiden
Extremen hält die Palmenform im engeren Sinne des Wortes, deren
vollendete Geſtalten, gleichſam durch einen noch rohen, halbmiß-
lungenen Verſuch der Natur in den Cycadeen vorgebildet, eigent-
lich die imponirende Schönheit der Tropenwelt bedingen. Sie ver-
dienen, daß wir einige Augenblicke bei ihnen verweilen, und wir
können hier keinem Beſſern als A. v. Humboldt folgen.
Die Stämme der Palmen ſind bald unförmlich dick, bald rohrartig
ſchwach, bald nach oben, bald nach unten, bald in der Mitte bau-
chig anſchwellend, bald glatt wie abgedrechſelt, bald ſchuppig,
bald dicht beſetzt mit fußlangen, ſchwarz glänzenden Stacheln, bald
umwunden mit zartem Netz von braunen Faſern. Seltſam erſcheinen
ſie, wenn ſie, durch hoch am Stamme entſpringende Wurzeln über
den Erdboden gehoben, gleichſam vielfüßig daſtehen oder ihren Ur-
ſprung in wulſtartig ſie umwuchernde Wurzelfaſern verſtecken. Die
Schleiden, Pflanze. 20
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/321>, abgerufen am 22.11.2024.
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