die Annahme, jene Culturpflanzen fänden sich noch jetzt dort in einem andern Zustande als dem der Verwilderung, schwerlich gerechtfertigt werden kann. Aus der Kenntniß des größten östlichen Theils von China wissen wir, daß eine dichte Bevölkerung bei einem gewissen Grade industrieller Cultur es in der That dahin bringen kann, jede wildwachsende Pflanze zu vertilgen und ausschließlich mit absichtlich gezogenen Pflanzen den ganzen Boden zu bedecken. Außer einigen wenigen Wasserpflanzen, in den absichtlich überschwemmten Reis- feldern, findet der Botaniker im chinesischen Flachlande so gut wie keine Pflanze, die nicht Gegenstand der Cultur wäre. So wäre es gar nicht unmöglich, daß die Cerealien, vielleicht ursprünglich, wie noch jetzt so viele Pflanzen Australiens, auf einen engen Verbrei- tungsbezirk beschränkt, der früh schon von einer sich mächtig entwickeln- den Bevölkerung eingenommen wurde, in der That als ursprünglich wildwachsende Pflanzen ganz von unserer Erde verschwunden sind. --
Die ältesten Kornarten sind ohne Zweifel Weizen und Spelze, welche schon im Homer als Brodkorn erwähnt werden, und Gerste, womit Homers Helden, wie noch jetzt die Südeuropäer, ihre Rosse fütterten. Erst zu Galens Zeiten wurde über Thrazien her der Roggen in Griechenland eingeführt. Verschiedene Haferarten wurden in Griechenland nicht zur Saamengewinnung, sondern nur als Grünfutter gebaut. Der eigentliche Haferbau findet sich erst später in Deutschland, wie es scheint von östlichen Völkern entlehnt, woher auch Deutschland seinen Roggen erhielt. Nach der gewöhn- lichen Annahme hat zwar die ganze alte Welt den Maisbau erst von America überkommen; indeß sind doch auch Angaben verhanden, die es mindestens eben so wahrscheinlich machen, daß schon zu Theo- phrast's Zeit der Mais von Indien her bekannt war, und daß wenigstens das östliche Europa den Mais aus dem Morgenlande erhalten habe. Eine ganz ähnliche Ungewißheit wie beim sogenannten türkischen*)Korn finden wir bei der Cactus Opuntia oder india-
*) Schon dieser in Deutschland und Italien allgemeine Name, dem in Grie-
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die Annahme, jene Culturpflanzen fänden ſich noch jetzt dort in einem andern Zuſtande als dem der Verwilderung, ſchwerlich gerechtfertigt werden kann. Aus der Kenntniß des größten öſtlichen Theils von China wiſſen wir, daß eine dichte Bevölkerung bei einem gewiſſen Grade induſtrieller Cultur es in der That dahin bringen kann, jede wildwachſende Pflanze zu vertilgen und ausſchließlich mit abſichtlich gezogenen Pflanzen den ganzen Boden zu bedecken. Außer einigen wenigen Waſſerpflanzen, in den abſichtlich überſchwemmten Reis- feldern, findet der Botaniker im chineſiſchen Flachlande ſo gut wie keine Pflanze, die nicht Gegenſtand der Cultur wäre. So wäre es gar nicht unmöglich, daß die Cerealien, vielleicht urſprünglich, wie noch jetzt ſo viele Pflanzen Auſtraliens, auf einen engen Verbrei- tungsbezirk beſchränkt, der früh ſchon von einer ſich mächtig entwickeln- den Bevölkerung eingenommen wurde, in der That als urſprünglich wildwachſende Pflanzen ganz von unſerer Erde verſchwunden ſind. —
Die älteſten Kornarten ſind ohne Zweifel Weizen und Spelze, welche ſchon im Homer als Brodkorn erwähnt werden, und Gerſte, womit Homers Helden, wie noch jetzt die Südeuropäer, ihre Roſſe fütterten. Erſt zu Galens Zeiten wurde über Thrazien her der Roggen in Griechenland eingeführt. Verſchiedene Haferarten wurden in Griechenland nicht zur Saamengewinnung, ſondern nur als Grünfutter gebaut. Der eigentliche Haferbau findet ſich erſt ſpäter in Deutſchland, wie es ſcheint von öſtlichen Völkern entlehnt, woher auch Deutſchland ſeinen Roggen erhielt. Nach der gewöhn- lichen Annahme hat zwar die ganze alte Welt den Maisbau erſt von America überkommen; indeß ſind doch auch Angaben verhanden, die es mindeſtens eben ſo wahrſcheinlich machen, daß ſchon zu Theo- phraſt's Zeit der Mais von Indien her bekannt war, und daß wenigſtens das öſtliche Europa den Mais aus dem Morgenlande erhalten habe. Eine ganz ähnliche Ungewißheit wie beim ſogenannten türkiſchen*)Korn finden wir bei der Cactus Opuntia oder india-
*) Schon dieſer in Deutſchland und Italien allgemeine Name, dem in Grie-
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die Annahme, jene Culturpflanzen fänden ſich noch jetzt dort in einem
andern Zuſtande als dem der Verwilderung, ſchwerlich gerechtfertigt
werden kann. Aus der Kenntniß des größten öſtlichen Theils von
China wiſſen wir, daß eine dichte Bevölkerung bei einem gewiſſen
Grade induſtrieller Cultur es in der That dahin bringen kann, jede
wildwachſende Pflanze zu vertilgen und ausſchließlich mit abſichtlich
gezogenen Pflanzen den ganzen Boden zu bedecken. Außer einigen
wenigen Waſſerpflanzen, in den abſichtlich überſchwemmten Reis-
feldern, findet der Botaniker im chineſiſchen Flachlande ſo gut wie keine
Pflanze, die nicht Gegenſtand der Cultur wäre. So wäre es gar
nicht unmöglich, daß die Cerealien, vielleicht urſprünglich, wie
noch jetzt ſo viele Pflanzen Auſtraliens, auf einen engen Verbrei-
tungsbezirk beſchränkt, der früh ſchon von einer ſich mächtig entwickeln-
den Bevölkerung eingenommen wurde, in der That als urſprünglich
wildwachſende Pflanzen ganz von unſerer Erde verſchwunden ſind. —
Die älteſten Kornarten ſind ohne Zweifel Weizen und Spelze,
welche ſchon im Homer als Brodkorn erwähnt werden, und Gerſte,
womit Homers Helden, wie noch jetzt die Südeuropäer, ihre Roſſe
fütterten. Erſt zu Galens Zeiten wurde über Thrazien her der
Roggen in Griechenland eingeführt. Verſchiedene Haferarten
wurden in Griechenland nicht zur Saamengewinnung, ſondern nur
als Grünfutter gebaut. Der eigentliche Haferbau findet ſich erſt
ſpäter in Deutſchland, wie es ſcheint von öſtlichen Völkern entlehnt,
woher auch Deutſchland ſeinen Roggen erhielt. Nach der gewöhn-
lichen Annahme hat zwar die ganze alte Welt den Maisbau erſt von
America überkommen; indeß ſind doch auch Angaben verhanden, die
es mindeſtens eben ſo wahrſcheinlich machen, daß ſchon zu Theo-
phraſt's Zeit der Mais von Indien her bekannt war, und daß
wenigſtens das öſtliche Europa den Mais aus dem Morgenlande
erhalten habe. Eine ganz ähnliche Ungewißheit wie beim ſogenannten
türkiſchen *) Korn finden wir bei der Cactus Opuntia oder india-
*) Schon dieſer in Deutſchland und Italien allgemeine Name, dem in Grie-
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/291>, abgerufen am 27.07.2024.
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