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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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kommenden Formen. Allerdings dürfen wir hier nicht unbemerkt
lassen, daß das Grauwackengebirge bis jetzt fast nur in England und
Deutschland sorgfältiger durchforscht ist, und daß gerade an diesen
Orten die Schichten desselben durch später aufsteigende Gebirge und
durch die Einwirkung dieser glühenden Masse so gewaltsam gestört
und verändert sind, daß gewiß viele in denselben eingeschlossene Reste
durch diese Revolutionen wieder vernichtet sind. Dagegen scheint
diese Formation in Rußland in ungemeiner Ausdehnung noch auf
ungestörter Lagerstätte vorzukommen, nur langsam und ruhig über
das Niveau des Meeres emporgehoben, und von dort werden wir erst
in der Folgezeit eine genauere Kenntniß dieser ältesten Meeresabsätze
erhalten.

In der zweiten Periode haben sich zahlreiche Inseln gebil-
det, deren Boden, zum größten Theil aus Schichten der vorigen Periode
bestehend, schon eine reiche Landvegetation ernährt. Ein Theil von
England und Schottland, der Rheingegend, das Erzgebirge und die
Sudeten, Mittelfrankreich, die Vogesen, nördlich ein Theil von
Schweden und Norwegen, die Alleghanys in Nordamerica und einige
andere Puncte können wir mit Sicherheit als solche Inselgruppen nen-
nen, auf denen sich eine ihrem Character nach ganz tropische, aber in
ihren einzelnen Formen ganz fremdartige und zu einem großen Theil aus
völlig von der Erdeverschwundenen Pflanzengeschlechtern bestehende Ve-
getation entwickelte. Wenige Palmen und einige Cycadeen, einige
riesige 12--20 Fuß hohe Formen von Schafthalmen, fanden sich
zerstreut in dichten Wäldern von baumartigen Farn, die mit Lepido-
dendren
(zu mächtigen Stämmen sich erhebenden Bärlappenar-
ten
), Sigillarien (vielleicht Cactus ähnliche Pflanzen) mit Cala-
miten, Stigmarien
und Radelhölzern abwechselten. Noch
finden wir keine Spur davon, daß diese Inseln auch von Thieren be-
wohnt gewesen sind, aber im Meere jagten schon furchtbare Haie
die kleinen Fische, die Ufer waren mit zahlreichen Formen von Co-
rallen
umsäumt, die Trilobiten, seltsame krebsartige Thiere,
wunderliche den Nautilen verwandte Geschöpfe und die zierlichen,

kommenden Formen. Allerdings dürfen wir hier nicht unbemerkt
laſſen, daß das Grauwackengebirge bis jetzt faſt nur in England und
Deutſchland ſorgfältiger durchforſcht iſt, und daß gerade an dieſen
Orten die Schichten deſſelben durch ſpäter aufſteigende Gebirge und
durch die Einwirkung dieſer glühenden Maſſe ſo gewaltſam geſtört
und verändert ſind, daß gewiß viele in denſelben eingeſchloſſene Reſte
durch dieſe Revolutionen wieder vernichtet ſind. Dagegen ſcheint
dieſe Formation in Rußland in ungemeiner Ausdehnung noch auf
ungeſtörter Lagerſtätte vorzukommen, nur langſam und ruhig über
das Niveau des Meeres emporgehoben, und von dort werden wir erſt
in der Folgezeit eine genauere Kenntniß dieſer älteſten Meeresabſätze
erhalten.

In der zweiten Periode haben ſich zahlreiche Inſeln gebil-
det, deren Boden, zum größten Theil aus Schichten der vorigen Periode
beſtehend, ſchon eine reiche Landvegetation ernährt. Ein Theil von
England und Schottland, der Rheingegend, das Erzgebirge und die
Sudeten, Mittelfrankreich, die Vogeſen, nördlich ein Theil von
Schweden und Norwegen, die Alleghanys in Nordamerica und einige
andere Puncte können wir mit Sicherheit als ſolche Inſelgruppen nen-
nen, auf denen ſich eine ihrem Character nach ganz tropiſche, aber in
ihren einzelnen Formen ganz fremdartige und zu einem großen Theil aus
völlig von der Erdeverſchwundenen Pflanzengeſchlechtern beſtehende Ve-
getation entwickelte. Wenige Palmen und einige Cycadeen, einige
rieſige 12—20 Fuß hohe Formen von Schafthalmen, fanden ſich
zerſtreut in dichten Wäldern von baumartigen Farn, die mit Lepido-
dendren
(zu mächtigen Stämmen ſich erhebenden Bärlappenar-
ten
), Sigillarien (vielleicht Cactus ähnliche Pflanzen) mit Cala-
miten, Stigmarien
und Radelhölzern abwechſelten. Noch
finden wir keine Spur davon, daß dieſe Inſeln auch von Thieren be-
wohnt geweſen ſind, aber im Meere jagten ſchon furchtbare Haie
die kleinen Fiſche, die Ufer waren mit zahlreichen Formen von Co-
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[260/0276] kommenden Formen. Allerdings dürfen wir hier nicht unbemerkt laſſen, daß das Grauwackengebirge bis jetzt faſt nur in England und Deutſchland ſorgfältiger durchforſcht iſt, und daß gerade an dieſen Orten die Schichten deſſelben durch ſpäter aufſteigende Gebirge und durch die Einwirkung dieſer glühenden Maſſe ſo gewaltſam geſtört und verändert ſind, daß gewiß viele in denſelben eingeſchloſſene Reſte durch dieſe Revolutionen wieder vernichtet ſind. Dagegen ſcheint dieſe Formation in Rußland in ungemeiner Ausdehnung noch auf ungeſtörter Lagerſtätte vorzukommen, nur langſam und ruhig über das Niveau des Meeres emporgehoben, und von dort werden wir erſt in der Folgezeit eine genauere Kenntniß dieſer älteſten Meeresabſätze erhalten. In der zweiten Periode haben ſich zahlreiche Inſeln gebil- det, deren Boden, zum größten Theil aus Schichten der vorigen Periode beſtehend, ſchon eine reiche Landvegetation ernährt. Ein Theil von England und Schottland, der Rheingegend, das Erzgebirge und die Sudeten, Mittelfrankreich, die Vogeſen, nördlich ein Theil von Schweden und Norwegen, die Alleghanys in Nordamerica und einige andere Puncte können wir mit Sicherheit als ſolche Inſelgruppen nen- nen, auf denen ſich eine ihrem Character nach ganz tropiſche, aber in ihren einzelnen Formen ganz fremdartige und zu einem großen Theil aus völlig von der Erdeverſchwundenen Pflanzengeſchlechtern beſtehende Ve- getation entwickelte. Wenige Palmen und einige Cycadeen, einige rieſige 12—20 Fuß hohe Formen von Schafthalmen, fanden ſich zerſtreut in dichten Wäldern von baumartigen Farn, die mit Lepido- dendren (zu mächtigen Stämmen ſich erhebenden Bärlappenar- ten), Sigillarien (vielleicht Cactus ähnliche Pflanzen) mit Cala- miten, Stigmarien und Radelhölzern abwechſelten. Noch finden wir keine Spur davon, daß dieſe Inſeln auch von Thieren be- wohnt geweſen ſind, aber im Meere jagten ſchon furchtbare Haie die kleinen Fiſche, die Ufer waren mit zahlreichen Formen von Co- rallen umſäumt, die Trilobiten, ſeltſame krebsartige Thiere, wunderliche den Nautilen verwandte Geſchöpfe und die zierlichen,

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/276>, abgerufen am 18.05.2024.