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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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zum größern Theile von den ehrwürdigen Feigenbäumen gesammelt,
an denen jene asiatische Tropenwelt so reich ist. Auf dickem, umfang-
reichem, aber selten über 15 Fuß hohem Stamme ruht die ungeheure
Krone der Banyane oder heiligen Feige (Ficus religiosa); wagerecht
laufen die oft 100 Fuß langen Aeste vom Stamme ab, in kleinern
oder größern Zwischenräumen lange, gerade Wurzeln zur Erde herab-
sendend, die hier bald eindringen und festwachsen, auf diese Weise
den langen Aesten zur Stütze dienend. Dem Gotte Fo sind diese wun-
derbaren, jeder für sich einem kleinen Walde gleichenden Bäume ge-
weiht und auf seinen Zweigen baut sich der unbehilfliche, faullenzende
Bonze seine Hütte, einem Vogelkäfig nicht unähnlich, in den er seine
Tage theils verschläft, theils in beschaulicher Unthätigkeit, froh des
kühlen Schattens, verträumt. Diese großen Feigenbäume (Ficus re-
ligiosa, indica, benjaminea L., elastica Roxb.
) geben süße Früchte
und in ihrem Milchsaft das interessante Kaoutschouck. Auch unter diesen
Pflanzen haben einige einen unschädlichen Saft. Wohl am merkwür-
digsten in dieser Beziehung ist der Palo de Vacca oder Arbol de Leche,
der Kuhbaum von Südamerika (Galactodendron utile Kunth), mit
welchem uns A. v. Humboldt zuerst bekannt gemacht hat. Bei
einem einigermaßen bedeutenden Einschnitt in den Stamm dieses
Baumes fließt so Viel einer weißen, fetten, angenehm duftenden und
süßen, der thierischen Milch selbst in ihren Bestandtheilen sehr ähn-
lichen Flüssigkeit aus, daß es zur Erquickung und völliger Sättigung
vieler Menschen vollkommen hinreichend ist.

Wie sehr damit in Widerspruch stehen dagegen die Eigenschaften
anderer Nesselpflanzen. Man wird versucht, sie die Schlangen des
Pflanzenreichs zu nennen, und die Parallele ist nicht schwer durchzu-
führen. Am auffallendsten ist die Aehnlichkeit in dem Werkzeug, mit
welchem beide ihre Wunden beibringen und vergiften. Die Schlangen
haben vorn im Oberkiefer zwei lange, dünne, etwas gebogene Zähne,
welche der Länge nach von einem feinen Canal durchbohrt werden,
der sich vorn an der scharfen Spitze öffnet. Diese Zähne sind nicht
wie die übrigen ganz fest in den Kiefer eingefugt, sondern ähnlich

zum größern Theile von den ehrwürdigen Feigenbäumen geſammelt,
an denen jene aſiatiſche Tropenwelt ſo reich iſt. Auf dickem, umfang-
reichem, aber ſelten über 15 Fuß hohem Stamme ruht die ungeheure
Krone der Banyane oder heiligen Feige (Ficus religiosa); wagerecht
laufen die oft 100 Fuß langen Aeſte vom Stamme ab, in kleinern
oder größern Zwiſchenräumen lange, gerade Wurzeln zur Erde herab-
ſendend, die hier bald eindringen und feſtwachſen, auf dieſe Weiſe
den langen Aeſten zur Stütze dienend. Dem Gotte Fo ſind dieſe wun-
derbaren, jeder für ſich einem kleinen Walde gleichenden Bäume ge-
weiht und auf ſeinen Zweigen baut ſich der unbehilfliche, faullenzende
Bonze ſeine Hütte, einem Vogelkäfig nicht unähnlich, in den er ſeine
Tage theils verſchläft, theils in beſchaulicher Unthätigkeit, froh des
kühlen Schattens, verträumt. Dieſe großen Feigenbäume (Ficus re-
ligiosa, indica, benjaminea L., elastica Roxb.
) geben ſüße Früchte
und in ihrem Milchſaft das intereſſante Kaoutſchouck. Auch unter dieſen
Pflanzen haben einige einen unſchädlichen Saft. Wohl am merkwür-
digſten in dieſer Beziehung iſt der Palo de Vacca oder Arbol de Leche,
der Kuhbaum von Südamerika (Galactodendron utile Kunth), mit
welchem uns A. v. Humboldt zuerſt bekannt gemacht hat. Bei
einem einigermaßen bedeutenden Einſchnitt in den Stamm dieſes
Baumes fließt ſo Viel einer weißen, fetten, angenehm duftenden und
ſüßen, der thieriſchen Milch ſelbſt in ihren Beſtandtheilen ſehr ähn-
lichen Flüſſigkeit aus, daß es zur Erquickung und völliger Sättigung
vieler Menſchen vollkommen hinreichend iſt.

Wie ſehr damit in Widerſpruch ſtehen dagegen die Eigenſchaften
anderer Neſſelpflanzen. Man wird verſucht, ſie die Schlangen des
Pflanzenreichs zu nennen, und die Parallele iſt nicht ſchwer durchzu-
führen. Am auffallendſten iſt die Aehnlichkeit in dem Werkzeug, mit
welchem beide ihre Wunden beibringen und vergiften. Die Schlangen
haben vorn im Oberkiefer zwei lange, dünne, etwas gebogene Zähne,
welche der Länge nach von einem feinen Canal durchbohrt werden,
der ſich vorn an der ſcharfen Spitze öffnet. Dieſe Zähne ſind nicht
wie die übrigen ganz feſt in den Kiefer eingefugt, ſondern ähnlich

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[184/0200] zum größern Theile von den ehrwürdigen Feigenbäumen geſammelt, an denen jene aſiatiſche Tropenwelt ſo reich iſt. Auf dickem, umfang- reichem, aber ſelten über 15 Fuß hohem Stamme ruht die ungeheure Krone der Banyane oder heiligen Feige (Ficus religiosa); wagerecht laufen die oft 100 Fuß langen Aeſte vom Stamme ab, in kleinern oder größern Zwiſchenräumen lange, gerade Wurzeln zur Erde herab- ſendend, die hier bald eindringen und feſtwachſen, auf dieſe Weiſe den langen Aeſten zur Stütze dienend. Dem Gotte Fo ſind dieſe wun- derbaren, jeder für ſich einem kleinen Walde gleichenden Bäume ge- weiht und auf ſeinen Zweigen baut ſich der unbehilfliche, faullenzende Bonze ſeine Hütte, einem Vogelkäfig nicht unähnlich, in den er ſeine Tage theils verſchläft, theils in beſchaulicher Unthätigkeit, froh des kühlen Schattens, verträumt. Dieſe großen Feigenbäume (Ficus re- ligiosa, indica, benjaminea L., elastica Roxb.) geben ſüße Früchte und in ihrem Milchſaft das intereſſante Kaoutſchouck. Auch unter dieſen Pflanzen haben einige einen unſchädlichen Saft. Wohl am merkwür- digſten in dieſer Beziehung iſt der Palo de Vacca oder Arbol de Leche, der Kuhbaum von Südamerika (Galactodendron utile Kunth), mit welchem uns A. v. Humboldt zuerſt bekannt gemacht hat. Bei einem einigermaßen bedeutenden Einſchnitt in den Stamm dieſes Baumes fließt ſo Viel einer weißen, fetten, angenehm duftenden und ſüßen, der thieriſchen Milch ſelbſt in ihren Beſtandtheilen ſehr ähn- lichen Flüſſigkeit aus, daß es zur Erquickung und völliger Sättigung vieler Menſchen vollkommen hinreichend iſt. Wie ſehr damit in Widerſpruch ſtehen dagegen die Eigenſchaften anderer Neſſelpflanzen. Man wird verſucht, ſie die Schlangen des Pflanzenreichs zu nennen, und die Parallele iſt nicht ſchwer durchzu- führen. Am auffallendſten iſt die Aehnlichkeit in dem Werkzeug, mit welchem beide ihre Wunden beibringen und vergiften. Die Schlangen haben vorn im Oberkiefer zwei lange, dünne, etwas gebogene Zähne, welche der Länge nach von einem feinen Canal durchbohrt werden, der ſich vorn an der ſcharfen Spitze öffnet. Dieſe Zähne ſind nicht wie die übrigen ganz feſt in den Kiefer eingefugt, ſondern ähnlich

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/200>, abgerufen am 22.11.2024.