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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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langsam, aber unausgesetzt fortgehenden Verbrennungsproceß wird
die zum Leben unentbehrliche Wärme erhalten. Nun erfahren wir
aber durch die glänzenden Entdeckungen der neueren Chemie und
Physiologie, daß der thierische Körper unfähig ist, die zu seiner Aus-
bildung und Erhaltung durchaus nothwendigen Stoffe: Eiweiß,
Faserstoff etc. aus den Elementen zusammenzusetzen, oder aus andern
Stoffen mit Ausnahme des Käsestoffes zu bilden, daß das Thier viel-
mehr diese Stoffe schon fertig gebildet aufnehmen muß, um sie zur
Ernährung verwenden, oder zum Behufe der Knochenbildung in Leim
umwandeln zu können. Eiweiß, Faserstoff und Käsestoff werden daher
mit Recht von Liebig ausschließlich Nahrungsmittel genannt,
sie können durch keine andern Stoffe ersetzt werden, bei ihrer völligen
Ausschließung geht der Körper rettungslos dem Hungertode entgegen.
Daneben müssen aber auch stickstofffreie Bestandtheile vorhanden seyn,
gleichsam als Brennmaterial auf dem Herde des organischen Lebens,
und diese Stoffe, die man im gemeinen Leben auch Nahrungsmittel nennt,
bezeichnet Liebig treffend mit dem Namen Respirationsmittel.
Vergleichen wir nun mit diesen Anforderungen, welche der thierische
Körper in Bezug auf seine Erhaltung macht, den Gehalt der Pflan-
zen, welche Menschen und Thieren als Nahrungsmittel dienen, so
finden wir in allen Pflanzen, in allen Organen derselben eine bald
größere, bald geringere Menge Eiweiß, im Safte derselben aufgelöst.
In den unschätzbaren Geschenken der Ceres, in den Körnern der Ge-
treidearten, kommt bald mehr, bald weniger von einem Stoffe vor, den
man früher als Kleber bezeichnete. Liebig und Mulder haben
nachgewiesen, daß derselbe einem Gemenge von Leim und thierischem
Faserstoffe durchaus gleich sey. In den Hülsenfrüchten entdeckte die
frühere Chemie eine Substanz, welche man nach der Pflanzenfamilie, in
welcher sie sich vorfand, nach den Leguminosen, Legumin nannte.
Jetzt wissen wir aus neuern Untersuchungen, daß dieses Legumin
durchaus in Nichts vom thierischen Käsestoffe verschieden ist. Legumin
und Kleber oder Käsestoff und Faserstoff kommen in geringer Menge
wahrscheinlich ebenfalls in den meisten Pflanzenzellen vor.

langſam, aber unausgeſetzt fortgehenden Verbrennungsproceß wird
die zum Leben unentbehrliche Wärme erhalten. Nun erfahren wir
aber durch die glänzenden Entdeckungen der neueren Chemie und
Phyſiologie, daß der thieriſche Körper unfähig iſt, die zu ſeiner Aus-
bildung und Erhaltung durchaus nothwendigen Stoffe: Eiweiß,
Faſerſtoff ꝛc. aus den Elementen zuſammenzuſetzen, oder aus andern
Stoffen mit Ausnahme des Käſeſtoffes zu bilden, daß das Thier viel-
mehr dieſe Stoffe ſchon fertig gebildet aufnehmen muß, um ſie zur
Ernährung verwenden, oder zum Behufe der Knochenbildung in Leim
umwandeln zu können. Eiweiß, Faſerſtoff und Käſeſtoff werden daher
mit Recht von Liebig ausſchließlich Nahrungsmittel genannt,
ſie können durch keine andern Stoffe erſetzt werden, bei ihrer völligen
Ausſchließung geht der Körper rettungslos dem Hungertode entgegen.
Daneben müſſen aber auch ſtickſtofffreie Beſtandtheile vorhanden ſeyn,
gleichſam als Brennmaterial auf dem Herde des organiſchen Lebens,
und dieſe Stoffe, die man im gemeinen Leben auch Nahrungsmittel nennt,
bezeichnet Liebig treffend mit dem Namen Reſpirationsmittel.
Vergleichen wir nun mit dieſen Anforderungen, welche der thieriſche
Körper in Bezug auf ſeine Erhaltung macht, den Gehalt der Pflan-
zen, welche Menſchen und Thieren als Nahrungsmittel dienen, ſo
finden wir in allen Pflanzen, in allen Organen derſelben eine bald
größere, bald geringere Menge Eiweiß, im Safte derſelben aufgelöſt.
In den unſchätzbaren Geſchenken der Ceres, in den Körnern der Ge-
treidearten, kommt bald mehr, bald weniger von einem Stoffe vor, den
man früher als Kleber bezeichnete. Liebig und Mulder haben
nachgewieſen, daß derſelbe einem Gemenge von Leim und thieriſchem
Faſerſtoffe durchaus gleich ſey. In den Hülſenfrüchten entdeckte die
frühere Chemie eine Subſtanz, welche man nach der Pflanzenfamilie, in
welcher ſie ſich vorfand, nach den Leguminoſen, Legumin nannte.
Jetzt wiſſen wir aus neuern Unterſuchungen, daß dieſes Legumin
durchaus in Nichts vom thieriſchen Käſeſtoffe verſchieden iſt. Legumin
und Kleber oder Käſeſtoff und Faſerſtoff kommen in geringer Menge
wahrſcheinlich ebenfalls in den meiſten Pflanzenzellen vor.

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[130/0146] langſam, aber unausgeſetzt fortgehenden Verbrennungsproceß wird die zum Leben unentbehrliche Wärme erhalten. Nun erfahren wir aber durch die glänzenden Entdeckungen der neueren Chemie und Phyſiologie, daß der thieriſche Körper unfähig iſt, die zu ſeiner Aus- bildung und Erhaltung durchaus nothwendigen Stoffe: Eiweiß, Faſerſtoff ꝛc. aus den Elementen zuſammenzuſetzen, oder aus andern Stoffen mit Ausnahme des Käſeſtoffes zu bilden, daß das Thier viel- mehr dieſe Stoffe ſchon fertig gebildet aufnehmen muß, um ſie zur Ernährung verwenden, oder zum Behufe der Knochenbildung in Leim umwandeln zu können. Eiweiß, Faſerſtoff und Käſeſtoff werden daher mit Recht von Liebig ausſchließlich Nahrungsmittel genannt, ſie können durch keine andern Stoffe erſetzt werden, bei ihrer völligen Ausſchließung geht der Körper rettungslos dem Hungertode entgegen. Daneben müſſen aber auch ſtickſtofffreie Beſtandtheile vorhanden ſeyn, gleichſam als Brennmaterial auf dem Herde des organiſchen Lebens, und dieſe Stoffe, die man im gemeinen Leben auch Nahrungsmittel nennt, bezeichnet Liebig treffend mit dem Namen Reſpirationsmittel. Vergleichen wir nun mit dieſen Anforderungen, welche der thieriſche Körper in Bezug auf ſeine Erhaltung macht, den Gehalt der Pflan- zen, welche Menſchen und Thieren als Nahrungsmittel dienen, ſo finden wir in allen Pflanzen, in allen Organen derſelben eine bald größere, bald geringere Menge Eiweiß, im Safte derſelben aufgelöſt. In den unſchätzbaren Geſchenken der Ceres, in den Körnern der Ge- treidearten, kommt bald mehr, bald weniger von einem Stoffe vor, den man früher als Kleber bezeichnete. Liebig und Mulder haben nachgewieſen, daß derſelbe einem Gemenge von Leim und thieriſchem Faſerſtoffe durchaus gleich ſey. In den Hülſenfrüchten entdeckte die frühere Chemie eine Subſtanz, welche man nach der Pflanzenfamilie, in welcher ſie ſich vorfand, nach den Leguminoſen, Legumin nannte. Jetzt wiſſen wir aus neuern Unterſuchungen, daß dieſes Legumin durchaus in Nichts vom thieriſchen Käſeſtoffe verſchieden iſt. Legumin und Kleber oder Käſeſtoff und Faſerſtoff kommen in geringer Menge wahrſcheinlich ebenfalls in den meiſten Pflanzenzellen vor.

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/146>, abgerufen am 06.05.2024.