Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Hauptgattung gemeinschaftlichen Wurzeln einen
größern Vorrath hat als das Arabische; im
Phönicischen war vielleicht die Annäherung noch
stärker.

Die nächste Stelle nach der armenischen, in
Rücksicht der immer noch sichtbaren obgleich ent-
fernteren Verwandtschaft, nimmt unstreitig die
große Familie der so weit verbreiteten slavischen
Sprachen ein. Es ist nicht allein noch sehr
viel Flexion in der Grammatik, sondern in ei-
nigen wenigen Fällen stimmt selbst das Kenn-
zeichen der Biegung mit den übrigen verwand-
ten Sprachen überein, wie in der ersten und
zweiten Person des Präsens im Singularis und
Pluralis. Bei sehr unvollkommnen Hülfsmit-
teln in diesem Fache sind mir doch mehre indische
Wurzeln in slavischen Sprachen vorgekommen, und
zwar auch solche, die in keiner andern der abge-
leiteten Sprachen sich finden. Es müßte vor
allem durch ein vergleichendes Wörterbuch und
Sprachlehre deutlich gemacht werden, in welchem
Verhältniß die verschiedenen slavischen Mundar-
ten zu einander stehen, und welche derselben für
die älteste und reinste gehalten werden darf, da-

Hauptgattung gemeinſchaftlichen Wurzeln einen
groͤßern Vorrath hat als das Arabiſche; im
Phoͤniciſchen war vielleicht die Annaͤherung noch
ſtaͤrker.

Die naͤchſte Stelle nach der armeniſchen, in
Ruͤckſicht der immer noch ſichtbaren obgleich ent-
fernteren Verwandtſchaft, nimmt unſtreitig die
große Familie der ſo weit verbreiteten ſlaviſchen
Sprachen ein. Es iſt nicht allein noch ſehr
viel Flexion in der Grammatik, ſondern in ei-
nigen wenigen Faͤllen ſtimmt ſelbſt das Kenn-
zeichen der Biegung mit den uͤbrigen verwand-
ten Sprachen uͤberein, wie in der erſten und
zweiten Perſon des Praͤſens im Singularis und
Pluralis. Bei ſehr unvollkommnen Huͤlfsmit-
teln in dieſem Fache ſind mir doch mehre indiſche
Wurzeln in ſlaviſchen Sprachen vorgekommen, und
zwar auch ſolche, die in keiner andern der abge-
leiteten Sprachen ſich finden. Es muͤßte vor
allem durch ein vergleichendes Woͤrterbuch und
Sprachlehre deutlich gemacht werden, in welchem
Verhaͤltniß die verſchiedenen ſlaviſchen Mundar-
ten zu einander ſtehen, und welche derſelben fuͤr
die aͤlteſte und reinſte gehalten werden darf, da-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0099" n="80"/>
Hauptgattung gemein&#x017F;chaftlichen Wurzeln einen<lb/>
gro&#x0364;ßern Vorrath hat als das Arabi&#x017F;che; im<lb/>
Pho&#x0364;nici&#x017F;chen war vielleicht die Anna&#x0364;herung noch<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rker.</p><lb/>
          <p>Die na&#x0364;ch&#x017F;te Stelle nach der armeni&#x017F;chen, in<lb/>
Ru&#x0364;ck&#x017F;icht der immer noch &#x017F;ichtbaren obgleich ent-<lb/>
fernteren Verwandt&#x017F;chaft, nimmt un&#x017F;treitig die<lb/>
große Familie der &#x017F;o weit verbreiteten &#x017F;lavi&#x017F;chen<lb/>
Sprachen ein. Es i&#x017F;t nicht allein noch &#x017F;ehr<lb/>
viel Flexion in der Grammatik, &#x017F;ondern in ei-<lb/>
nigen wenigen Fa&#x0364;llen &#x017F;timmt &#x017F;elb&#x017F;t das Kenn-<lb/>
zeichen der Biegung mit den u&#x0364;brigen verwand-<lb/>
ten Sprachen u&#x0364;berein, wie in der er&#x017F;ten und<lb/>
zweiten Per&#x017F;on des Pra&#x0364;&#x017F;ens im Singularis und<lb/>
Pluralis. Bei &#x017F;ehr unvollkommnen Hu&#x0364;lfsmit-<lb/>
teln in die&#x017F;em Fache &#x017F;ind mir doch mehre indi&#x017F;che<lb/>
Wurzeln in &#x017F;lavi&#x017F;chen Sprachen vorgekommen, und<lb/>
zwar auch &#x017F;olche, die in keiner andern der abge-<lb/>
leiteten Sprachen &#x017F;ich finden. Es mu&#x0364;ßte vor<lb/>
allem durch ein vergleichendes Wo&#x0364;rterbuch und<lb/>
Sprachlehre deutlich gemacht werden, in welchem<lb/>
Verha&#x0364;ltniß die ver&#x017F;chiedenen &#x017F;lavi&#x017F;chen Mundar-<lb/>
ten zu einander &#x017F;tehen, und welche der&#x017F;elben fu&#x0364;r<lb/>
die a&#x0364;lte&#x017F;te und rein&#x017F;te gehalten werden darf, da-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0099] Hauptgattung gemeinſchaftlichen Wurzeln einen groͤßern Vorrath hat als das Arabiſche; im Phoͤniciſchen war vielleicht die Annaͤherung noch ſtaͤrker. Die naͤchſte Stelle nach der armeniſchen, in Ruͤckſicht der immer noch ſichtbaren obgleich ent- fernteren Verwandtſchaft, nimmt unſtreitig die große Familie der ſo weit verbreiteten ſlaviſchen Sprachen ein. Es iſt nicht allein noch ſehr viel Flexion in der Grammatik, ſondern in ei- nigen wenigen Faͤllen ſtimmt ſelbſt das Kenn- zeichen der Biegung mit den uͤbrigen verwand- ten Sprachen uͤberein, wie in der erſten und zweiten Perſon des Praͤſens im Singularis und Pluralis. Bei ſehr unvollkommnen Huͤlfsmit- teln in dieſem Fache ſind mir doch mehre indiſche Wurzeln in ſlaviſchen Sprachen vorgekommen, und zwar auch ſolche, die in keiner andern der abge- leiteten Sprachen ſich finden. Es muͤßte vor allem durch ein vergleichendes Woͤrterbuch und Sprachlehre deutlich gemacht werden, in welchem Verhaͤltniß die verſchiedenen ſlaviſchen Mundar- ten zu einander ſtehen, und welche derſelben fuͤr die aͤlteſte und reinſte gehalten werden darf, da-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/99
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/99>, abgerufen am 04.05.2024.