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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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mung mit der Grammatik durch Flexion zeigt.
Im Celtischen endlich werden noch einzelne
Spuren der Grammatik durch Suffixa gefun-
den; während im grössern Theile die neuere Weise,
durch Hülfsverba zu conjugiren, durch Präpo-
sitionen zu decliniren, die herrschende ist.

Die grosse Menge der amerikanischen Spra-
chen, worüber, so wie über die gänzliche Ver-
schiedenheit derselben in Brasilien und Paraguay
nicht minder als in Alt- und Neu-Mexiko und
selbst im Norden, geklagt wird, dürfen wir ge-
wiß nicht als zufällig ansehen. Die Erscheinung
ist zu gleichförmig, und die ähnliche Structur
deutet auf ein gleiches Princip der Entstehung
bei noch so grosser Verschiedenheit. Wir wer-
den auch den Grund jener Sonderbarkeit dieser
Sprachen leicht in ihrer Grammatik finden. In
der indischen oder griechischen Sprache ist jede
Wurzel wahrhaft das, was der Name sagt, und
wie ein lebendiger Keim; denn weil die Ver-
hältnißbegriffe durch innre Verändrung bezeich-
net werden, so ist der Entfaltung freier Spiel-
raum gegeben, die Fülle der Entwicklung kann
ins Unbestimmbare sich ausbreiten, und ist oft-

mung mit der Grammatik durch Flexion zeigt.
Im Celtiſchen endlich werden noch einzelne
Spuren der Grammatik durch Suffixa gefun-
den; waͤhrend im groͤſſern Theile die neuere Weiſe,
durch Huͤlfsverba zu conjugiren, durch Praͤpo-
ſitionen zu decliniren, die herrſchende iſt.

Die groſſe Menge der amerikaniſchen Spra-
chen, woruͤber, ſo wie uͤber die gaͤnzliche Ver-
ſchiedenheit derſelben in Braſilien und Paraguay
nicht minder als in Alt- und Neu-Mexiko und
ſelbſt im Norden, geklagt wird, duͤrfen wir ge-
wiß nicht als zufaͤllig anſehen. Die Erſcheinung
iſt zu gleichfoͤrmig, und die aͤhnliche Structur
deutet auf ein gleiches Princip der Entſtehung
bei noch ſo groſſer Verſchiedenheit. Wir wer-
den auch den Grund jener Sonderbarkeit dieſer
Sprachen leicht in ihrer Grammatik finden. In
der indiſchen oder griechiſchen Sprache iſt jede
Wurzel wahrhaft das, was der Name ſagt, und
wie ein lebendiger Keim; denn weil die Ver-
haͤltnißbegriffe durch innre Veraͤndrung bezeich-
net werden, ſo iſt der Entfaltung freier Spiel-
raum gegeben, die Fuͤlle der Entwicklung kann
ins Unbeſtimmbare ſich ausbreiten, und iſt oft-

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[50/0069] mung mit der Grammatik durch Flexion zeigt. Im Celtiſchen endlich werden noch einzelne Spuren der Grammatik durch Suffixa gefun- den; waͤhrend im groͤſſern Theile die neuere Weiſe, durch Huͤlfsverba zu conjugiren, durch Praͤpo- ſitionen zu decliniren, die herrſchende iſt. Die groſſe Menge der amerikaniſchen Spra- chen, woruͤber, ſo wie uͤber die gaͤnzliche Ver- ſchiedenheit derſelben in Braſilien und Paraguay nicht minder als in Alt- und Neu-Mexiko und ſelbſt im Norden, geklagt wird, duͤrfen wir ge- wiß nicht als zufaͤllig anſehen. Die Erſcheinung iſt zu gleichfoͤrmig, und die aͤhnliche Structur deutet auf ein gleiches Princip der Entſtehung bei noch ſo groſſer Verſchiedenheit. Wir wer- den auch den Grund jener Sonderbarkeit dieſer Sprachen leicht in ihrer Grammatik finden. In der indiſchen oder griechiſchen Sprache iſt jede Wurzel wahrhaft das, was der Name ſagt, und wie ein lebendiger Keim; denn weil die Ver- haͤltnißbegriffe durch innre Veraͤndrung bezeich- net werden, ſo iſt der Entfaltung freier Spiel- raum gegeben, die Fuͤlle der Entwicklung kann ins Unbeſtimmbare ſich ausbreiten, und iſt oft-

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/69>, abgerufen am 04.05.2024.