Sokuntola mit ihm an Hof zu dem König geht, um diesen an das gegebene Versprechen, daß er ihren Sohn zum Erben des Reichs erklären wolle, zu mahnen. Dushvonto verläugnet die Sokuntola nur deswegen, weil er fürchtet, wenn er so leicht ohne Beweis in die Anerkennung willige, möge Verdacht gegen die Aechtheit des Kindes bei den Großen des Reichs entstehen; vielleicht auch, um die Geliebte auf die Probe zu stellen.
Sokuntola geräth über seine Härte in hohen Unwillen, und endlich bricht ihr Schmerz in fol- gende Rede aus, die den Untreuen an die Stimme des Gewissens und der allsehenden Gott- heit erinnert, ihm die Heiligkeit der Ehe und die Schönheit der kindlichen Natur schildert, und mit einer sanften Klage über ihr Unglück endet.
Wohl mich kennend, erhabner Fürst, warum redest du so zu mir; "Ich kenne dich nicht", ganz furchtlos, wie ein niedrig gebohrener? Da dein Herz doch wohl wissend ist, was hier wahr und was falsches ist; Dieß Kind der Liebe verwerfend, schmähst du da- durch ja selber dich:
Sokuntola mit ihm an Hof zu dem Koͤnig geht, um dieſen an das gegebene Verſprechen, daß er ihren Sohn zum Erben des Reichs erklaͤren wolle, zu mahnen. Duſhvonto verlaͤugnet die Sokuntola nur deswegen, weil er fuͤrchtet, wenn er ſo leicht ohne Beweis in die Anerkennung willige, moͤge Verdacht gegen die Aechtheit des Kindes bei den Großen des Reichs entſtehen; vielleicht auch, um die Geliebte auf die Probe zu ſtellen.
Sokuntola geraͤth uͤber ſeine Haͤrte in hohen Unwillen, und endlich bricht ihr Schmerz in fol- gende Rede aus, die den Untreuen an die Stimme des Gewiſſens und der allſehenden Gott- heit erinnert, ihm die Heiligkeit der Ehe und die Schoͤnheit der kindlichen Natur ſchildert, und mit einer ſanften Klage uͤber ihr Ungluͤck endet.
Wohl mich kennend, erhabner Fürſt, warum redeſt du ſo zu mir; „Ich kenne dich nicht“, ganz furchtlos, wie ein niedrig gebohrener? Da dein Herz doch wohl wiſſend iſt, was hier wahr und was falſches iſt; Dieß Kind der Liebe verwerfend, ſchmähſt du da- durch ja ſelber dich:
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0338"n="319"/>
Sokuntola mit ihm an Hof zu dem Koͤnig geht,<lb/>
um dieſen an das gegebene Verſprechen, daß er<lb/>
ihren Sohn zum Erben des Reichs erklaͤren<lb/>
wolle, zu mahnen. Duſhvonto verlaͤugnet die<lb/>
Sokuntola nur deswegen, weil er fuͤrchtet, wenn<lb/>
er ſo leicht ohne Beweis in die Anerkennung<lb/>
willige, moͤge Verdacht gegen die Aechtheit des<lb/>
Kindes bei den Großen des Reichs entſtehen;<lb/>
vielleicht auch, um die Geliebte auf die Probe zu<lb/>ſtellen.</p><lb/><p>Sokuntola geraͤth uͤber ſeine Haͤrte in hohen<lb/>
Unwillen, und endlich bricht ihr Schmerz in fol-<lb/>
gende Rede aus, die den Untreuen an die<lb/>
Stimme des Gewiſſens und der allſehenden Gott-<lb/>
heit erinnert, ihm die Heiligkeit der Ehe und<lb/>
die Schoͤnheit der kindlichen Natur ſchildert, und<lb/>
mit einer ſanften Klage uͤber ihr Ungluͤck endet.</p><lb/><lgtype="poem"><l>Wohl mich kennend, erhabner Fürſt, warum redeſt</l><lb/><l>du ſo zu mir;</l><lb/><l>„Ich kenne dich nicht“, ganz furchtlos, wie ein</l><lb/><l>niedrig gebohrener?</l><lb/><l>Da dein Herz doch wohl wiſſend iſt, was hier wahr</l><lb/><l>und was falſches iſt;</l><lb/><l>Dieß Kind der Liebe verwerfend, ſchmähſt du da-</l><lb/><l>durch ja ſelber dich:</l><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[319/0338]
Sokuntola mit ihm an Hof zu dem Koͤnig geht,
um dieſen an das gegebene Verſprechen, daß er
ihren Sohn zum Erben des Reichs erklaͤren
wolle, zu mahnen. Duſhvonto verlaͤugnet die
Sokuntola nur deswegen, weil er fuͤrchtet, wenn
er ſo leicht ohne Beweis in die Anerkennung
willige, moͤge Verdacht gegen die Aechtheit des
Kindes bei den Großen des Reichs entſtehen;
vielleicht auch, um die Geliebte auf die Probe zu
ſtellen.
Sokuntola geraͤth uͤber ſeine Haͤrte in hohen
Unwillen, und endlich bricht ihr Schmerz in fol-
gende Rede aus, die den Untreuen an die
Stimme des Gewiſſens und der allſehenden Gott-
heit erinnert, ihm die Heiligkeit der Ehe und
die Schoͤnheit der kindlichen Natur ſchildert, und
mit einer ſanften Klage uͤber ihr Ungluͤck endet.
Wohl mich kennend, erhabner Fürſt, warum redeſt
du ſo zu mir;
„Ich kenne dich nicht“, ganz furchtlos, wie ein
niedrig gebohrener?
Da dein Herz doch wohl wiſſend iſt, was hier wahr
und was falſches iſt;
Dieß Kind der Liebe verwerfend, ſchmähſt du da-
durch ja ſelber dich:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/338>, abgerufen am 04.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.