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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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Wer dieses Ewge erkannt hat, das unerzeugt,
unwandelbar,
Wie mag ein solcher wohl jemands Tod bewirken,
ihn tödten selbst?
Gleich wie ein Mann Kleider, die alt geworden, abwirft
und legt andre, die neu sind, ihm an;
So läßt auch dieß Wesen den Leib, den alten, alsobald
eingehend in andre neue.
Nicht mögen Waffen es spalten, noch wirds etwa
durch Gluth vertilgt,
Nicht vom Wasser wird's aufgelößt, nicht der trock-
nende Wind verzehrt's,
Unverwundbar, verbrennlich nicht, nicht zu schmel-
zen, zu trocknen nicht,
Alldurchdringend und bleibend ist's, auch unwan-
delbar ewiglich.
Unerklärlich, undenkbar wird's, unvertilgbar mit
Recht genannt;
Drum so du solches erkannt hast, ziemt dir's fürder
zu klagen nicht,
Wenn du dir's ewig entstehend, oder auch ewig
sterbend denkst,
Wahrlich dann, o erhabner Held! ziemt dir es zu
beweinen nicht.
Gewiß ist des Gebohrnen Tod, wie die Geburt des
Gestorbenen;
Weil dieß nun unvermeidlich ist, ziemt dir es zu
beweinen nicht.
Wer dieſes Ewge erkannt hat, das unerzeugt,
unwandelbar,
Wie mag ein ſolcher wohl jemands Tod bewirken,
ihn tödten ſelbſt?
Gleich wie ein Mann Kleider, die alt geworden, abwirft
und legt andre, die neu ſind, ihm an;
So läßt auch dieß Weſen den Leib, den alten, alſobald
eingehend in andre neue.
Nicht mögen Waffen es ſpalten, noch wirds etwa
durch Gluth vertilgt,
Nicht vom Waſſer wird’s aufgelößt, nicht der trock-
nende Wind verzehrt’s,
Unverwundbar, verbrennlich nicht, nicht zu ſchmel-
zen, zu trocknen nicht,
Alldurchdringend und bleibend iſt’s, auch unwan-
delbar ewiglich.
Unerklärlich, undenkbar wird’s, unvertilgbar mit
Recht genannt;
Drum ſo du ſolches erkannt haſt, ziemt dir’s fürder
zu klagen nicht,
Wenn du dir’s ewig entſtehend, oder auch ewig
ſterbend denkſt,
Wahrlich dann, o erhabner Held! ziemt dir es zu
beweinen nicht.
Gewiß iſt des Gebohrnen Tod, wie die Geburt des
Geſtorbenen;
Weil dieß nun unvermeidlich iſt, ziemt dir es zu
beweinen nicht.
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[293/0312] Wer dieſes Ewge erkannt hat, das unerzeugt, unwandelbar, Wie mag ein ſolcher wohl jemands Tod bewirken, ihn tödten ſelbſt? Gleich wie ein Mann Kleider, die alt geworden, abwirft und legt andre, die neu ſind, ihm an; So läßt auch dieß Weſen den Leib, den alten, alſobald eingehend in andre neue. Nicht mögen Waffen es ſpalten, noch wirds etwa durch Gluth vertilgt, Nicht vom Waſſer wird’s aufgelößt, nicht der trock- nende Wind verzehrt’s, Unverwundbar, verbrennlich nicht, nicht zu ſchmel- zen, zu trocknen nicht, Alldurchdringend und bleibend iſt’s, auch unwan- delbar ewiglich. Unerklärlich, undenkbar wird’s, unvertilgbar mit Recht genannt; Drum ſo du ſolches erkannt haſt, ziemt dir’s fürder zu klagen nicht, Wenn du dir’s ewig entſtehend, oder auch ewig ſterbend denkſt, Wahrlich dann, o erhabner Held! ziemt dir es zu beweinen nicht. Gewiß iſt des Gebohrnen Tod, wie die Geburt des Geſtorbenen; Weil dieß nun unvermeidlich iſt, ziemt dir es zu beweinen nicht.

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/312>, abgerufen am 28.11.2024.