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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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Sokuntola schreiben und sprechen, weil es der-
selbe Buchstabe ist; doch habe ich mich hierin nicht
von dem bisherigen Gebrauch entfernen wollen,
da es nicht von großer Wichtigkeit ist.

Die indische Sprache hat, obwohl das ganze
System der Sylbenmaaße noch sehr verschieden
sein mag, doch einige der wesentlichsten rhythmi-
schen Grundgesetze mit der griechischen Sprache
gemein. Die Vokale sind theils von Natur lang,
theils kurz wie im Griechischen. Lang sind a, e,
oi, au; kurz spreche man in den indischen Nahmen
der folgenden Gedichte das o, u, i, ausser wo die
Länge ausdrücklich bezeichnet ist. Die Sylbe,
deren Vokal kurz ist, kann durch Position lang
werden, genau wie in den alten Sprachen. Jene
Eigenheit der griechischen Metrik, da mit Beiseite-
setzung der Sylbenzahl an gewissen Stellen für
eine lange Sylbe zwei kurze gesetzt werden dür-
fen, habe ich wohl in dem Gitogovindo des Joyo-
devo bemerkt, wo statt des Daktyls --BreveBreve auch
vier kurze Sylben BreveBreveBreveBreve gebraucht werden. In
demjenigen Sylbenmaaße aber, worin die nach-
stehenden Bruchstücke wie die meisten alten
Werke der Indier abgefaßt sind, findet diese

Sokuntola ſchreiben und ſprechen, weil es der-
ſelbe Buchſtabe iſt; doch habe ich mich hierin nicht
von dem bisherigen Gebrauch entfernen wollen,
da es nicht von großer Wichtigkeit iſt.

Die indiſche Sprache hat, obwohl das ganze
Syſtem der Sylbenmaaße noch ſehr verſchieden
ſein mag, doch einige der weſentlichſten rhythmi-
ſchen Grundgeſetze mit der griechiſchen Sprache
gemein. Die Vokale ſind theils von Natur lang,
theils kurz wie im Griechiſchen. Lang ſind a, e,
oi, au; kurz ſpreche man in den indiſchen Nahmen
der folgenden Gedichte das o, u, i, auſſer wo die
Laͤnge ausdruͤcklich bezeichnet iſt. Die Sylbe,
deren Vokal kurz iſt, kann durch Poſition lang
werden, genau wie in den alten Sprachen. Jene
Eigenheit der griechiſchen Metrik, da mit Beiſeite-
ſetzung der Sylbenzahl an gewiſſen Stellen fuͤr
eine lange Sylbe zwei kurze geſetzt werden duͤr-
fen, habe ich wohl in dem Gitogovindo des Joyo-
devo bemerkt, wo ſtatt des Daktyls —⏑⏑ auch
vier kurze Sylben ⏑⏑⏑⏑ gebraucht werden. In
demjenigen Sylbenmaaße aber, worin die nach-
ſtehenden Bruchſtuͤcke wie die meiſten alten
Werke der Indier abgefaßt ſind, findet dieſe

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[226/0245] Sokuntola ſchreiben und ſprechen, weil es der- ſelbe Buchſtabe iſt; doch habe ich mich hierin nicht von dem bisherigen Gebrauch entfernen wollen, da es nicht von großer Wichtigkeit iſt. Die indiſche Sprache hat, obwohl das ganze Syſtem der Sylbenmaaße noch ſehr verſchieden ſein mag, doch einige der weſentlichſten rhythmi- ſchen Grundgeſetze mit der griechiſchen Sprache gemein. Die Vokale ſind theils von Natur lang, theils kurz wie im Griechiſchen. Lang ſind a, e, oi, au; kurz ſpreche man in den indiſchen Nahmen der folgenden Gedichte das o, u, i, auſſer wo die Laͤnge ausdruͤcklich bezeichnet iſt. Die Sylbe, deren Vokal kurz iſt, kann durch Poſition lang werden, genau wie in den alten Sprachen. Jene Eigenheit der griechiſchen Metrik, da mit Beiſeite- ſetzung der Sylbenzahl an gewiſſen Stellen fuͤr eine lange Sylbe zwei kurze geſetzt werden duͤr- fen, habe ich wohl in dem Gitogovindo des Joyo- devo bemerkt, wo ſtatt des Daktyls —⏑⏑ auch vier kurze Sylben ⏑⏑⏑⏑ gebraucht werden. In demjenigen Sylbenmaaße aber, worin die nach- ſtehenden Bruchſtuͤcke wie die meiſten alten Werke der Indier abgefaßt ſind, findet dieſe

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/245>, abgerufen am 02.05.2024.