Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

war, zu dessen Zeit man schon lang über den
wahren Sinn des Buchs gestritten hatte, für ein
verhältnißmäßig sehr hohes Alterthum. Verän-
dert und verfälscht kann es um so weniger sein,
da es nicht in den gewöhnlichen Charakteren, son-
dern in sehr einfachen Symbolen abgefaßt ist.
Das große Eins, wovon dies hieroglyphische Buch
handelt, wird auch Tao, Vernunft, genannt, wel-
ches Tao das Eins, wie dieses die Zwei, und
diese die Drei erzeugte, durch das alle Dinge
hervorgebracht sind; oder Tai--ki, der große
Gipfel, dasjenige, von dem alles ausgeht, und
wo alles Unterscheiden und Bestimmen aufhört.
Dieses große Eins wird in zwei entgegengesetzte
Grundwesen zertheilt, aus deren mannichfachen
Verbindungen und Zusammensetzungen alles be-
steht, nach einem festen Mechanismus und blinder
Nothwendigkeit, die jenem Tao beigelegt wird.
Das Yang und Yn; das Vollkommne, Männ-
liche, Thätige, und das Unvollkommne, Weib-
liche, Leidende, wird durch eine ganze, nicht ge-
brochne, und eine gebrochne Linie ausgedrückt;
daraus entstehn zunächst vier andre Zusammen-
setzungen, Bilder, wie sie genannt werden; das

war, zu deſſen Zeit man ſchon lang uͤber den
wahren Sinn des Buchs geſtritten hatte, fuͤr ein
verhaͤltnißmaͤßig ſehr hohes Alterthum. Veraͤn-
dert und verfaͤlſcht kann es um ſo weniger ſein,
da es nicht in den gewoͤhnlichen Charakteren, ſon-
dern in ſehr einfachen Symbolen abgefaßt iſt.
Das große Eins, wovon dies hieroglyphiſche Buch
handelt, wird auch Tao, Vernunft, genannt, wel-
ches Tao das Eins, wie dieſes die Zwei, und
dieſe die Drei erzeugte, durch das alle Dinge
hervorgebracht ſind; oder Tai—ki, der große
Gipfel, dasjenige, von dem alles ausgeht, und
wo alles Unterſcheiden und Beſtimmen aufhoͤrt.
Dieſes große Eins wird in zwei entgegengeſetzte
Grundweſen zertheilt, aus deren mannichfachen
Verbindungen und Zuſammenſetzungen alles be-
ſteht, nach einem feſten Mechanismus und blinder
Nothwendigkeit, die jenem Tao beigelegt wird.
Das Yang und Yn; das Vollkommne, Maͤnn-
liche, Thaͤtige, und das Unvollkommne, Weib-
liche, Leidende, wird durch eine ganze, nicht ge-
brochne, und eine gebrochne Linie ausgedruͤckt;
daraus entſtehn zunaͤchſt vier andre Zuſammen-
ſetzungen, Bilder, wie ſie genannt werden; das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0163" n="144"/>
war, zu de&#x017F;&#x017F;en Zeit man &#x017F;chon lang u&#x0364;ber den<lb/>
wahren Sinn des Buchs ge&#x017F;tritten hatte, fu&#x0364;r ein<lb/>
verha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig &#x017F;ehr hohes Alterthum. Vera&#x0364;n-<lb/>
dert und verfa&#x0364;l&#x017F;cht kann es um &#x017F;o weniger &#x017F;ein,<lb/>
da es nicht in den gewo&#x0364;hnlichen Charakteren, &#x017F;on-<lb/>
dern in &#x017F;ehr einfachen Symbolen abgefaßt i&#x017F;t.<lb/>
Das große Eins, wovon dies hieroglyphi&#x017F;che Buch<lb/>
handelt, wird auch Tao, Vernunft, genannt, wel-<lb/>
ches Tao das Eins, wie die&#x017F;es die Zwei, und<lb/>
die&#x017F;e die Drei erzeugte, durch das alle Dinge<lb/>
hervorgebracht &#x017F;ind; oder Tai&#x2014;ki, der große<lb/>
Gipfel, dasjenige, von dem alles ausgeht, und<lb/>
wo alles Unter&#x017F;cheiden und Be&#x017F;timmen aufho&#x0364;rt.<lb/>
Die&#x017F;es große Eins wird in zwei entgegenge&#x017F;etzte<lb/>
Grundwe&#x017F;en zertheilt, aus deren mannichfachen<lb/>
Verbindungen und Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzungen alles be-<lb/>
&#x017F;teht, nach einem fe&#x017F;ten Mechanismus und blinder<lb/>
Nothwendigkeit, die jenem Tao beigelegt wird.<lb/>
Das <hi rendition="#g">Yang</hi> und <hi rendition="#g">Yn</hi>; das Vollkommne, Ma&#x0364;nn-<lb/>
liche, Tha&#x0364;tige, und das Unvollkommne, Weib-<lb/>
liche, Leidende, wird durch eine ganze, nicht ge-<lb/>
brochne, und eine gebrochne Linie ausgedru&#x0364;ckt;<lb/>
daraus ent&#x017F;tehn zuna&#x0364;ch&#x017F;t vier andre Zu&#x017F;ammen-<lb/>
&#x017F;etzungen, Bilder, wie &#x017F;ie genannt werden; das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0163] war, zu deſſen Zeit man ſchon lang uͤber den wahren Sinn des Buchs geſtritten hatte, fuͤr ein verhaͤltnißmaͤßig ſehr hohes Alterthum. Veraͤn- dert und verfaͤlſcht kann es um ſo weniger ſein, da es nicht in den gewoͤhnlichen Charakteren, ſon- dern in ſehr einfachen Symbolen abgefaßt iſt. Das große Eins, wovon dies hieroglyphiſche Buch handelt, wird auch Tao, Vernunft, genannt, wel- ches Tao das Eins, wie dieſes die Zwei, und dieſe die Drei erzeugte, durch das alle Dinge hervorgebracht ſind; oder Tai—ki, der große Gipfel, dasjenige, von dem alles ausgeht, und wo alles Unterſcheiden und Beſtimmen aufhoͤrt. Dieſes große Eins wird in zwei entgegengeſetzte Grundweſen zertheilt, aus deren mannichfachen Verbindungen und Zuſammenſetzungen alles be- ſteht, nach einem feſten Mechanismus und blinder Nothwendigkeit, die jenem Tao beigelegt wird. Das Yang und Yn; das Vollkommne, Maͤnn- liche, Thaͤtige, und das Unvollkommne, Weib- liche, Leidende, wird durch eine ganze, nicht ge- brochne, und eine gebrochne Linie ausgedruͤckt; daraus entſtehn zunaͤchſt vier andre Zuſammen- ſetzungen, Bilder, wie ſie genannt werden; das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/163
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/163>, abgerufen am 22.11.2024.