haben, ist wohl hinreichend die verschiedenen Theile des indischen Systems, die verschiedenen Entwicklungsstufen und Schichten der indischen Mythologie im Allgemeinen zu unterscheiden und nach dem Gange des Ganzen zu ordnen, aber nicht um die Zeit für jedes genau zu bestimmen, und eine vollständige Geschichte zu entwerfen.
Obwohl aus der Lehre von den zwei Prin- cipien und der damit verbundenen Verehrung des reinen Naturgeistes, vieles und zwar grade das schönste, nicht nur in der persischen und indischen Fabel hervorgegangen ist, sondern auch sogar manches in der römischen, griechischen, und nor- dischen erst in dem Kreis und Zusammenhang dieser Begriffe seine wahre und volle Bedeutung erhält, so ist doch dieselbe Denkart nicht bloß poetisch, sondern auch ursprünglich einer philo- sophischen Ansicht und Darstellung empfänglich. Selbst in den Sinnbildern der Perser nehmen wir ein bestimmtes Zahlenverhältniß der sinn- bildlichen Figuren wahr, einen construirenden Gliederbau, wovon der Keim schon in der ersten Dualität der ringenden oder wechselwirkenden Grundkräfte lag. Daß ein philosophisches Sy-
haben, iſt wohl hinreichend die verſchiedenen Theile des indiſchen Syſtems, die verſchiedenen Entwicklungsſtufen und Schichten der indiſchen Mythologie im Allgemeinen zu unterſcheiden und nach dem Gange des Ganzen zu ordnen, aber nicht um die Zeit fuͤr jedes genau zu beſtimmen, und eine vollſtaͤndige Geſchichte zu entwerfen.
Obwohl aus der Lehre von den zwei Prin- cipien und der damit verbundenen Verehrung des reinen Naturgeiſtes, vieles und zwar grade das ſchoͤnſte, nicht nur in der perſiſchen und indiſchen Fabel hervorgegangen iſt, ſondern auch ſogar manches in der roͤmiſchen, griechiſchen, und nor- diſchen erſt in dem Kreis und Zuſammenhang dieſer Begriffe ſeine wahre und volle Bedeutung erhaͤlt, ſo iſt doch dieſelbe Denkart nicht bloß poetiſch, ſondern auch urſpruͤnglich einer philo- ſophiſchen Anſicht und Darſtellung empfaͤnglich. Selbſt in den Sinnbildern der Perſer nehmen wir ein beſtimmtes Zahlenverhaͤltniß der ſinn- bildlichen Figuren wahr, einen conſtruirenden Gliederbau, wovon der Keim ſchon in der erſten Dualitaͤt der ringenden oder wechſelwirkenden Grundkraͤfte lag. Daß ein philoſophiſches Sy-
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haben, iſt wohl hinreichend die verſchiedenen
Theile des indiſchen Syſtems, die verſchiedenen
Entwicklungsſtufen und Schichten der indiſchen
Mythologie im Allgemeinen zu unterſcheiden und
nach dem Gange des Ganzen zu ordnen, aber
nicht um die Zeit fuͤr jedes genau zu beſtimmen,
und eine vollſtaͤndige Geſchichte zu entwerfen.
Obwohl aus der Lehre von den zwei Prin-
cipien und der damit verbundenen Verehrung des
reinen Naturgeiſtes, vieles und zwar grade das
ſchoͤnſte, nicht nur in der perſiſchen und indiſchen
Fabel hervorgegangen iſt, ſondern auch ſogar
manches in der roͤmiſchen, griechiſchen, und nor-
diſchen erſt in dem Kreis und Zuſammenhang
dieſer Begriffe ſeine wahre und volle Bedeutung
erhaͤlt, ſo iſt doch dieſelbe Denkart nicht bloß
poetiſch, ſondern auch urſpruͤnglich einer philo-
ſophiſchen Anſicht und Darſtellung empfaͤnglich.
Selbſt in den Sinnbildern der Perſer nehmen
wir ein beſtimmtes Zahlenverhaͤltniß der ſinn-
bildlichen Figuren wahr, einen conſtruirenden
Gliederbau, wovon der Keim ſchon in der erſten
Dualitaͤt der ringenden oder wechſelwirkenden
Grundkraͤfte lag. Daß ein philoſophiſches Sy-
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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/152>, abgerufen am 23.11.2024.
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