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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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Dieß letzte, ich will nicht sagen auf eine be-
friedigende, sondern nur auf eine verständliche
Weise, durch allmählige Entwicklung aus jener
thierischen Dumpfheit zu erklären, wovon, nach
der allgemeinen Voraussetzung, der menschliche
Geist ausging, dürfte wohl durchaus unmöglich
seyn. Den tiefverborgenen Grund aufzuhüllen,
warum diese klare und gewisse Ueberzeugung von
der Unsterblichkeit mit der Erkenntniß des wah-
ren Gottes unmittelbar verbunden war, ist hier
der Ort nicht. Ich will nur die Frage aufwer-
fen, ob das gewöhnliche Verfahren derjenigen
wohl das rechte sein könne, welche den Begriff
der Gottheit und den Beweis ihres Daseins
aus Vernunftschlüssen, Wahrscheinlichkeiten der
äussern Natur und innern Bedürfnissen oder
Hindeutungen zusammensetzen; da wir doch Gott
schon erkannt haben müssen, um seine Spuren
in der Natur und im Bewußtsein wieder zu
finden, und da auf diese Weise der erhabene
Begriff seiner Einfachheit und damit seiner gan-
zen Würde beraubt wird? Von denjenigen rede
ich hier nicht, welche den Begriff der Gottheit
aus der Ichheit oder dem Gesetz der Vernunft

Dieß letzte, ich will nicht ſagen auf eine be-
friedigende, ſondern nur auf eine verſtaͤndliche
Weiſe, durch allmaͤhlige Entwicklung aus jener
thieriſchen Dumpfheit zu erklaͤren, wovon, nach
der allgemeinen Vorausſetzung, der menſchliche
Geiſt ausging, duͤrfte wohl durchaus unmoͤglich
ſeyn. Den tiefverborgenen Grund aufzuhuͤllen,
warum dieſe klare und gewiſſe Ueberzeugung von
der Unſterblichkeit mit der Erkenntniß des wah-
ren Gottes unmittelbar verbunden war, iſt hier
der Ort nicht. Ich will nur die Frage aufwer-
fen, ob das gewoͤhnliche Verfahren derjenigen
wohl das rechte ſein koͤnne, welche den Begriff
der Gottheit und den Beweis ihres Daſeins
aus Vernunftſchluͤſſen, Wahrſcheinlichkeiten der
aͤuſſern Natur und innern Beduͤrfniſſen oder
Hindeutungen zuſammenſetzen; da wir doch Gott
ſchon erkannt haben muͤſſen, um ſeine Spuren
in der Natur und im Bewußtſein wieder zu
finden, und da auf dieſe Weiſe der erhabene
Begriff ſeiner Einfachheit und damit ſeiner gan-
zen Wuͤrde beraubt wird? Von denjenigen rede
ich hier nicht, welche den Begriff der Gottheit
aus der Ichheit oder dem Geſetz der Vernunft

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[104/0123] Dieß letzte, ich will nicht ſagen auf eine be- friedigende, ſondern nur auf eine verſtaͤndliche Weiſe, durch allmaͤhlige Entwicklung aus jener thieriſchen Dumpfheit zu erklaͤren, wovon, nach der allgemeinen Vorausſetzung, der menſchliche Geiſt ausging, duͤrfte wohl durchaus unmoͤglich ſeyn. Den tiefverborgenen Grund aufzuhuͤllen, warum dieſe klare und gewiſſe Ueberzeugung von der Unſterblichkeit mit der Erkenntniß des wah- ren Gottes unmittelbar verbunden war, iſt hier der Ort nicht. Ich will nur die Frage aufwer- fen, ob das gewoͤhnliche Verfahren derjenigen wohl das rechte ſein koͤnne, welche den Begriff der Gottheit und den Beweis ihres Daſeins aus Vernunftſchluͤſſen, Wahrſcheinlichkeiten der aͤuſſern Natur und innern Beduͤrfniſſen oder Hindeutungen zuſammenſetzen; da wir doch Gott ſchon erkannt haben muͤſſen, um ſeine Spuren in der Natur und im Bewußtſein wieder zu finden, und da auf dieſe Weiſe der erhabene Begriff ſeiner Einfachheit und damit ſeiner gan- zen Wuͤrde beraubt wird? Von denjenigen rede ich hier nicht, welche den Begriff der Gottheit aus der Ichheit oder dem Geſetz der Vernunft

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/123>, abgerufen am 25.11.2024.