Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Ansicht des Kant, die in der "Standrede" verarbeitet ist. Jst es aber nicht wunderlich, daß gerade diese nicht einem andern untergelegt worden ist? Warlich, ein Philosoph für die Welt sollte doch -- wäre es auch nur der im Joseph Timm so hübsch ausgeführten etymologischen Einheit zu Liebe -- von der Philosophie für die Schule ein klein wenig mehr wissen; dagegen für jeden Spaßmacher dieß gerade genug gewesen wäre. Doch das gilt nur, so lange man das acht und dreißigste Stück noch nicht gelesen hat. Dieses ist der Kern und Mittelpunkt des ganzen Buchs, es macht klar was es eigentlich mit der Philosophie für die Welt zu sagen hat, und sichert den Verfasser besser als irgend eine Vor- oder Nachrede hätte thun können vor allen ungebührlichen Ansprüchen. Die Philophie besteht nemlich darin, daß es gar keine Philosophie geben soll, sondern nur eine Aufklärung; die Welt ist eine Versammlung gebildeter und unterrichteter Zuhörer, die jedoch hauptsächlich zu Tische sitzen und nur demnächst schöne Sachen hören wollen; und unser Philosoph will -- wie einer der Unterredner Hr. J., nur auf eine weit uneigennützigere Art als dieser -- die Ehre haben, eine solche Versammlung durch sophistische Klopffechtereyen zu unterhalten, in denen ganz offen und eingeständlich flitternde Bilder statt tüchtiger Gedanken, wie lustige Sprünge statt eines richtigen Jdeenganges gelten, und ein schönes Wortgeklingel den Geist entbehrlich machen soll. Werden Sie sich nicht, wie ich, freuen, daß Jhnen nach dieser Entdeckung nichts mehr übrig bleibt, als Ansicht des Kant, die in der “Standrede” verarbeitet ist. Jst es aber nicht wunderlich, daß gerade diese nicht einem andern untergelegt worden ist? Warlich, ein Philosoph fuͤr die Welt sollte doch — waͤre es auch nur der im Joseph Timm so huͤbsch ausgefuͤhrten etymologischen Einheit zu Liebe — von der Philosophie fuͤr die Schule ein klein wenig mehr wissen; dagegen fuͤr jeden Spaßmacher dieß gerade genug gewesen waͤre. Doch das gilt nur, so lange man das acht und dreißigste Stuͤck noch nicht gelesen hat. Dieses ist der Kern und Mittelpunkt des ganzen Buchs, es macht klar was es eigentlich mit der Philosophie fuͤr die Welt zu sagen hat, und sichert den Verfasser besser als irgend eine Vor- oder Nachrede haͤtte thun koͤnnen vor allen ungebuͤhrlichen Anspruͤchen. Die Philophie besteht nemlich darin, daß es gar keine Philosophie geben soll, sondern nur eine Aufklaͤrung; die Welt ist eine Versammlung gebildeter und unterrichteter Zuhoͤrer, die jedoch hauptsaͤchlich zu Tische sitzen und nur demnaͤchst schoͤne Sachen hoͤren wollen; und unser Philosoph will — wie einer der Unterredner Hr. J., nur auf eine weit uneigennuͤtzigere Art als dieser — die Ehre haben, eine solche Versammlung durch sophistische Klopffechtereyen zu unterhalten, in denen ganz offen und eingestaͤndlich flitternde Bilder statt tuͤchtiger Gedanken, wie lustige Spruͤnge statt eines richtigen Jdeenganges gelten, und ein schoͤnes Wortgeklingel den Geist entbehrlich machen soll. Werden Sie sich nicht, wie ich, freuen, daß Jhnen nach dieser Entdeckung nichts mehr uͤbrig bleibt, als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0259" n="247"/> Ansicht des Kant, die in der “Standrede” verarbeitet ist. Jst es aber nicht wunderlich, daß gerade <hi rendition="#g">diese</hi> nicht einem andern untergelegt worden ist? Warlich, ein Philosoph fuͤr die Welt sollte doch — waͤre es auch nur der im Joseph Timm so huͤbsch ausgefuͤhrten etymologischen Einheit zu Liebe — von der Philosophie fuͤr die Schule ein klein wenig mehr wissen; dagegen fuͤr jeden Spaßmacher dieß gerade genug gewesen waͤre. Doch das gilt nur, so lange man das acht und dreißigste Stuͤck noch nicht gelesen hat. Dieses ist der Kern und Mittelpunkt des ganzen Buchs, es macht klar was es eigentlich mit der Philosophie fuͤr die Welt zu sagen hat, und sichert den Verfasser besser als irgend eine Vor- oder Nachrede haͤtte thun koͤnnen vor allen ungebuͤhrlichen Anspruͤchen. Die Philophie besteht nemlich darin, daß es gar keine Philosophie geben soll, sondern nur eine Aufklaͤrung; die Welt ist eine Versammlung gebildeter und unterrichteter Zuhoͤrer, die jedoch hauptsaͤchlich zu Tische sitzen und nur demnaͤchst schoͤne Sachen hoͤren wollen; und unser Philosoph will — wie einer der Unterredner Hr. J., nur auf eine weit uneigennuͤtzigere Art als dieser — die Ehre haben, eine solche Versammlung durch sophistische Klopffechtereyen zu unterhalten, in denen ganz offen und eingestaͤndlich flitternde Bilder statt tuͤchtiger Gedanken, wie lustige Spruͤnge statt eines richtigen Jdeenganges gelten, und ein schoͤnes Wortgeklingel den Geist entbehrlich machen soll. Werden Sie sich nicht, wie ich, freuen, daß Jhnen nach dieser Entdeckung nichts mehr uͤbrig bleibt, als </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [247/0259]
Ansicht des Kant, die in der “Standrede” verarbeitet ist. Jst es aber nicht wunderlich, daß gerade diese nicht einem andern untergelegt worden ist? Warlich, ein Philosoph fuͤr die Welt sollte doch — waͤre es auch nur der im Joseph Timm so huͤbsch ausgefuͤhrten etymologischen Einheit zu Liebe — von der Philosophie fuͤr die Schule ein klein wenig mehr wissen; dagegen fuͤr jeden Spaßmacher dieß gerade genug gewesen waͤre. Doch das gilt nur, so lange man das acht und dreißigste Stuͤck noch nicht gelesen hat. Dieses ist der Kern und Mittelpunkt des ganzen Buchs, es macht klar was es eigentlich mit der Philosophie fuͤr die Welt zu sagen hat, und sichert den Verfasser besser als irgend eine Vor- oder Nachrede haͤtte thun koͤnnen vor allen ungebuͤhrlichen Anspruͤchen. Die Philophie besteht nemlich darin, daß es gar keine Philosophie geben soll, sondern nur eine Aufklaͤrung; die Welt ist eine Versammlung gebildeter und unterrichteter Zuhoͤrer, die jedoch hauptsaͤchlich zu Tische sitzen und nur demnaͤchst schoͤne Sachen hoͤren wollen; und unser Philosoph will — wie einer der Unterredner Hr. J., nur auf eine weit uneigennuͤtzigere Art als dieser — die Ehre haben, eine solche Versammlung durch sophistische Klopffechtereyen zu unterhalten, in denen ganz offen und eingestaͤndlich flitternde Bilder statt tuͤchtiger Gedanken, wie lustige Spruͤnge statt eines richtigen Jdeenganges gelten, und ein schoͤnes Wortgeklingel den Geist entbehrlich machen soll. Werden Sie sich nicht, wie ich, freuen, daß Jhnen nach dieser Entdeckung nichts mehr uͤbrig bleibt, als
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/259>, abgerufen am 14.06.2024. |