Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.dem Katholisch werden! Sie sind nicht nur ein Katholik, sondern ein Proselytenmacher. Waller. Gut, das bewiese ja, daß ich jenes recht wäre. Louise. Müßte sich nicht viel dergleichen und von größerem Umfange zur Verherrlichung der heiligen Geschichte und der Legenden dichten lassen? Waller. Wer soll es thun? Jn Deutschland wohnt der Katholizismus, und die Poesie eben nicht unter Einem Dache beysammen. Protestantische Dichter haben sich zwar in England und Deutschland zum Theil mit ausgezeichnetem Geiste an Gegenstände ihres Glaubens gewagt; allein nach der Natur der Sache kann es damit nicht recht gelingen. Durch die Reformation wurde das erneute Christenthum von seiner ehrwürdigen Vorzeit abgeschieden, und eine mythische Welt hinter ihm vernichtet. Auf gewisse Weise wiederhohlte sich, was bey der Verdrängung des Heidenthums durch das ursprüngliche Christenthum geschehen war. Und der alten Götter bunt Gewimmel Hat sogleich das stille Haus geleert, Unsichtbar wird einer nur im Himmel, Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt. Erst nach einem langen Zeitraume konnten protestantische Dichter aufstehen, nun fanden sie sich von aller volksmäßigen Sage verlassen und griffen nach wunderbaren Dichtungen in die nüchterne Luft. Bey dem Katholisch werden! Sie sind nicht nur ein Katholik, sondern ein Proselytenmacher. Waller. Gut, das bewiese ja, daß ich jenes recht waͤre. Louise. Muͤßte sich nicht viel dergleichen und von groͤßerem Umfange zur Verherrlichung der heiligen Geschichte und der Legenden dichten lassen? Waller. Wer soll es thun? Jn Deutschland wohnt der Katholizismus, und die Poesie eben nicht unter Einem Dache beysammen. Protestantische Dichter haben sich zwar in England und Deutschland zum Theil mit ausgezeichnetem Geiste an Gegenstaͤnde ihres Glaubens gewagt; allein nach der Natur der Sache kann es damit nicht recht gelingen. Durch die Reformation wurde das erneute Christenthum von seiner ehrwuͤrdigen Vorzeit abgeschieden, und eine mythische Welt hinter ihm vernichtet. Auf gewisse Weise wiederhohlte sich, was bey der Verdraͤngung des Heidenthums durch das urspruͤngliche Christenthum geschehen war. Und der alten Goͤtter bunt Gewimmel Hat sogleich das stille Haus geleert, Unsichtbar wird einer nur im Himmel, Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt. Erst nach einem langen Zeitraume konnten protestantische Dichter aufstehen, nun fanden sie sich von aller volksmaͤßigen Sage verlassen und griffen nach wunderbaren Dichtungen in die nuͤchterne Luft. Bey <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0152" n="144"/> dem Katholisch werden! Sie sind nicht nur ein Katholik, sondern ein Proselytenmacher.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Gut, das bewiese ja, daß ich jenes recht waͤre.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Muͤßte sich nicht viel dergleichen und von groͤßerem Umfange zur Verherrlichung der heiligen Geschichte und der Legenden dichten lassen?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Wer soll es thun? Jn Deutschland wohnt der Katholizismus, und die Poesie eben nicht unter Einem Dache beysammen. Protestantische Dichter haben sich zwar in England und Deutschland zum Theil mit ausgezeichnetem Geiste an Gegenstaͤnde ihres Glaubens gewagt; allein nach der Natur der Sache kann es damit nicht recht gelingen. Durch die Reformation wurde das erneute Christenthum von seiner ehrwuͤrdigen Vorzeit abgeschieden, und eine mythische Welt hinter ihm vernichtet. Auf gewisse Weise wiederhohlte sich, was bey der Verdraͤngung des Heidenthums durch das urspruͤngliche Christenthum geschehen war.</p><lb/><lb/> <lg type="poem"> <l>Und der alten Goͤtter bunt Gewimmel</l><lb/> <l>Hat sogleich das stille Haus geleert,</l><lb/> <l>Unsichtbar wird einer nur im Himmel,</l><lb/> <l>Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt.</l> </lg><lb/> <p>Erst nach einem langen Zeitraume konnten protestantische Dichter aufstehen, nun fanden sie sich von aller volksmaͤßigen Sage verlassen und griffen nach wunderbaren Dichtungen in die nuͤchterne Luft. Bey </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [144/0152]
dem Katholisch werden! Sie sind nicht nur ein Katholik, sondern ein Proselytenmacher.
Waller. Gut, das bewiese ja, daß ich jenes recht waͤre.
Louise. Muͤßte sich nicht viel dergleichen und von groͤßerem Umfange zur Verherrlichung der heiligen Geschichte und der Legenden dichten lassen?
Waller. Wer soll es thun? Jn Deutschland wohnt der Katholizismus, und die Poesie eben nicht unter Einem Dache beysammen. Protestantische Dichter haben sich zwar in England und Deutschland zum Theil mit ausgezeichnetem Geiste an Gegenstaͤnde ihres Glaubens gewagt; allein nach der Natur der Sache kann es damit nicht recht gelingen. Durch die Reformation wurde das erneute Christenthum von seiner ehrwuͤrdigen Vorzeit abgeschieden, und eine mythische Welt hinter ihm vernichtet. Auf gewisse Weise wiederhohlte sich, was bey der Verdraͤngung des Heidenthums durch das urspruͤngliche Christenthum geschehen war.
Und der alten Goͤtter bunt Gewimmel
Hat sogleich das stille Haus geleert,
Unsichtbar wird einer nur im Himmel,
Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt.
Erst nach einem langen Zeitraume konnten protestantische Dichter aufstehen, nun fanden sie sich von aller volksmaͤßigen Sage verlassen und griffen nach wunderbaren Dichtungen in die nuͤchterne Luft. Bey
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/152>, abgerufen am 16.02.2025. |