Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.der Verschmähung der Sinnlichkeit, welche im Geiste ihres Systems liegt, mußten sie dabey fast unvermeidlich ins transzendente verfallen, und die wahre kindliche Mystik überfliegen. Louise. Was machen Sie da, Reinhold? Sie haben gewiß einmal wieder eine von ihren Abwesenheiten. Reinhold. Jch habe nur ein paar Jdeen flüchtig skizzirt, die mir bey den Gedichten einfielen. Hier ist eine Verkündigung Mariä für Sie, und da ein heiliger Johannes für Waller. Sie werden sich das schon zueignen. Louise. Wie so? Waller. Nun, das begreift sich, symbolisch. Wenn Sie einmal Mutter werden sollten -- das Vorgefühl eines so schönen Geheimnisses ist gewiß für jedes zarte weibliche Herz ein verkündigender Engel. Louise. Und ein junger Dichter und Schwärmer, der sich weder in den Wissenschaften noch bürgerlichen Verhältnissen einzunften lassen will, bleibt immer die Stimme eines Predigers in der Wüste. Waller. Daß Sie sich nur nicht zu eifrig dem Dienst der Antike widmen, Reinhold, und mir ja den katholischen Glauben recht in Ehren halten. Als Mahler haben Sie mehr Ursache damit zufrieden zu seyn, wie mit der Griechischen Mythologie. Reinhold. Das wäre! Waller. Jn dieser hat Jhre Kunst durchaus keinen Schutzgott. der Verschmaͤhung der Sinnlichkeit, welche im Geiste ihres Systems liegt, mußten sie dabey fast unvermeidlich ins transzendente verfallen, und die wahre kindliche Mystik uͤberfliegen. Louise. Was machen Sie da, Reinhold? Sie haben gewiß einmal wieder eine von ihren Abwesenheiten. Reinhold. Jch habe nur ein paar Jdeen fluͤchtig skizzirt, die mir bey den Gedichten einfielen. Hier ist eine Verkuͤndigung Mariaͤ fuͤr Sie, und da ein heiliger Johannes fuͤr Waller. Sie werden sich das schon zueignen. Louise. Wie so? Waller. Nun, das begreift sich, symbolisch. Wenn Sie einmal Mutter werden sollten — das Vorgefuͤhl eines so schoͤnen Geheimnisses ist gewiß fuͤr jedes zarte weibliche Herz ein verkuͤndigender Engel. Louise. Und ein junger Dichter und Schwaͤrmer, der sich weder in den Wissenschaften noch buͤrgerlichen Verhaͤltnissen einzunften lassen will, bleibt immer die Stimme eines Predigers in der Wuͤste. Waller. Daß Sie sich nur nicht zu eifrig dem Dienst der Antike widmen, Reinhold, und mir ja den katholischen Glauben recht in Ehren halten. Als Mahler haben Sie mehr Ursache damit zufrieden zu seyn, wie mit der Griechischen Mythologie. Reinhold. Das waͤre! Waller. Jn dieser hat Jhre Kunst durchaus keinen Schutzgott. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0153" n="145"/> der Verschmaͤhung der Sinnlichkeit, welche im Geiste ihres Systems liegt, mußten sie dabey fast unvermeidlich ins transzendente verfallen, und die wahre kindliche Mystik uͤberfliegen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Was machen Sie da, Reinhold? Sie haben gewiß einmal wieder eine von ihren Abwesenheiten.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Jch habe nur ein paar Jdeen fluͤchtig skizzirt, die mir bey den Gedichten einfielen. Hier ist eine Verkuͤndigung Mariaͤ fuͤr Sie, und da ein heiliger Johannes fuͤr Waller. Sie werden sich das schon zueignen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Wie so?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Nun, das begreift sich, symbolisch. Wenn Sie einmal Mutter werden sollten — das Vorgefuͤhl eines so schoͤnen Geheimnisses ist gewiß fuͤr jedes zarte weibliche Herz ein verkuͤndigender Engel.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Und ein junger Dichter und Schwaͤrmer, der sich weder in den Wissenschaften noch buͤrgerlichen Verhaͤltnissen einzunften lassen will, bleibt immer die Stimme eines Predigers in der Wuͤste.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Daß Sie sich nur nicht zu eifrig dem Dienst der Antike widmen, Reinhold, und mir ja den katholischen Glauben recht in Ehren halten. Als Mahler haben Sie mehr Ursache damit zufrieden zu seyn, wie mit der Griechischen Mythologie.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Das waͤre!</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Jn dieser hat Jhre Kunst durchaus keinen Schutzgott.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [145/0153]
der Verschmaͤhung der Sinnlichkeit, welche im Geiste ihres Systems liegt, mußten sie dabey fast unvermeidlich ins transzendente verfallen, und die wahre kindliche Mystik uͤberfliegen.
Louise. Was machen Sie da, Reinhold? Sie haben gewiß einmal wieder eine von ihren Abwesenheiten.
Reinhold. Jch habe nur ein paar Jdeen fluͤchtig skizzirt, die mir bey den Gedichten einfielen. Hier ist eine Verkuͤndigung Mariaͤ fuͤr Sie, und da ein heiliger Johannes fuͤr Waller. Sie werden sich das schon zueignen.
Louise. Wie so?
Waller. Nun, das begreift sich, symbolisch. Wenn Sie einmal Mutter werden sollten — das Vorgefuͤhl eines so schoͤnen Geheimnisses ist gewiß fuͤr jedes zarte weibliche Herz ein verkuͤndigender Engel.
Louise. Und ein junger Dichter und Schwaͤrmer, der sich weder in den Wissenschaften noch buͤrgerlichen Verhaͤltnissen einzunften lassen will, bleibt immer die Stimme eines Predigers in der Wuͤste.
Waller. Daß Sie sich nur nicht zu eifrig dem Dienst der Antike widmen, Reinhold, und mir ja den katholischen Glauben recht in Ehren halten. Als Mahler haben Sie mehr Ursache damit zufrieden zu seyn, wie mit der Griechischen Mythologie.
Reinhold. Das waͤre!
Waller. Jn dieser hat Jhre Kunst durchaus keinen Schutzgott.
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