Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

ich es nicht gewahr werde und nicht wissen will. Lieber lassen Sie mich von den himmlischen Kindern sprechen, die halb über den unteren Rand des Bildes hervorragen. Seht, das ist nun die kindliche und die englische Andacht. Sie beten nicht, weil Kinder und Engel um nichts zu bitten haben: sie betrachten nur in ihrem wonnevollen unschuldigen Sinn. Der älteste wieder anders wie der jüngere. Er schaut über sich zu der Jungfrau und ihrem Sohne, den einen Finger über den Mund gelegt; ein Strahl von oben fällt in sein süßes trunknes Auge, man sieht ihn darin funkeln, er empfindet die Herrlichkeit schon, welche der Kleine kindlich anstaunet, der mit seinen runden Wangen auf beyden Aermchen aufliegt.

Waller. Ja, Liebe, es giebt viele Engel, die geistiger noch und geistlicher, und, wenn Sie wollen, weit mehr Engel sind: aber so irdisch und himmlisch zugleich sind mir noch keine vorgekommen.

Louise. Es ist wahr, sie sind Kinder der Erde in bunten Flügelchen. Sie haben einen eigentlichen Charakter, worüber die Söhne des Himmels hinweg sind. Der Größere ist sanfter und männlicher, die Locken liegen ihm auch weicher und ordentlicher an; dem Kleinen sträubt sich das Haar so trotzig um das volle Gesichtchen. Man kann sie nicht ohne Verlangen ansehn, aber dann leitet der älteste mit seinem sinnigen Blick den meinigen doch wieder in die Höhe; heitrer nur, denn alles, was Kind ist, erheitert doch die Seele.

Waller. Und so wäre der Kreislauf Jhrer Betrachtung

ich es nicht gewahr werde und nicht wissen will. Lieber lassen Sie mich von den himmlischen Kindern sprechen, die halb uͤber den unteren Rand des Bildes hervorragen. Seht, das ist nun die kindliche und die englische Andacht. Sie beten nicht, weil Kinder und Engel um nichts zu bitten haben: sie betrachten nur in ihrem wonnevollen unschuldigen Sinn. Der aͤlteste wieder anders wie der juͤngere. Er schaut uͤber sich zu der Jungfrau und ihrem Sohne, den einen Finger uͤber den Mund gelegt; ein Strahl von oben faͤllt in sein suͤßes trunknes Auge, man sieht ihn darin funkeln, er empfindet die Herrlichkeit schon, welche der Kleine kindlich anstaunet, der mit seinen runden Wangen auf beyden Aermchen aufliegt.

Waller. Ja, Liebe, es giebt viele Engel, die geistiger noch und geistlicher, und, wenn Sie wollen, weit mehr Engel sind: aber so irdisch und himmlisch zugleich sind mir noch keine vorgekommen.

Louise. Es ist wahr, sie sind Kinder der Erde in bunten Fluͤgelchen. Sie haben einen eigentlichen Charakter, woruͤber die Soͤhne des Himmels hinweg sind. Der Groͤßere ist sanfter und maͤnnlicher, die Locken liegen ihm auch weicher und ordentlicher an; dem Kleinen straͤubt sich das Haar so trotzig um das volle Gesichtchen. Man kann sie nicht ohne Verlangen ansehn, aber dann leitet der aͤlteste mit seinem sinnigen Blick den meinigen doch wieder in die Hoͤhe; heitrer nur, denn alles, was Kind ist, erheitert doch die Seele.

Waller. Und so waͤre der Kreislauf Jhrer Betrachtung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0141" n="133"/>
ich es nicht gewahr werde und nicht wissen will. Lieber lassen Sie mich von den himmlischen Kindern sprechen, die halb u&#x0364;ber den unteren Rand des Bildes hervorragen. Seht, das ist nun die kindliche und die englische Andacht. Sie beten nicht, weil Kinder und Engel um nichts zu bitten haben: sie betrachten nur in ihrem wonnevollen unschuldigen Sinn. Der a&#x0364;lteste wieder anders wie der ju&#x0364;ngere. Er schaut u&#x0364;ber sich zu der Jungfrau und ihrem Sohne, den einen Finger u&#x0364;ber den Mund gelegt; ein Strahl von oben fa&#x0364;llt in sein su&#x0364;ßes trunknes Auge, man sieht ihn darin funkeln, er empfindet die Herrlichkeit schon, welche der Kleine kindlich anstaunet, der mit seinen runden Wangen auf beyden Aermchen aufliegt.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Ja, Liebe, es giebt viele Engel, die geistiger noch und geistlicher, und, wenn Sie wollen, weit mehr Engel sind: aber so irdisch und himmlisch zugleich sind mir noch keine vorgekommen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Es ist wahr, sie sind Kinder der Erde in bunten Flu&#x0364;gelchen. Sie haben einen eigentlichen Charakter, woru&#x0364;ber die So&#x0364;hne des Himmels hinweg sind. Der Gro&#x0364;ßere ist sanfter und ma&#x0364;nnlicher, die Locken liegen ihm auch weicher und ordentlicher an; dem Kleinen stra&#x0364;ubt sich das Haar so trotzig um das volle Gesichtchen. Man kann sie nicht ohne Verlangen ansehn, aber dann leitet der a&#x0364;lteste mit seinem sinnigen Blick den meinigen doch wieder in die Ho&#x0364;he; heitrer nur, denn alles, was Kind ist, erheitert doch die Seele.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Und so wa&#x0364;re der Kreislauf Jhrer Betrachtung
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0141] ich es nicht gewahr werde und nicht wissen will. Lieber lassen Sie mich von den himmlischen Kindern sprechen, die halb uͤber den unteren Rand des Bildes hervorragen. Seht, das ist nun die kindliche und die englische Andacht. Sie beten nicht, weil Kinder und Engel um nichts zu bitten haben: sie betrachten nur in ihrem wonnevollen unschuldigen Sinn. Der aͤlteste wieder anders wie der juͤngere. Er schaut uͤber sich zu der Jungfrau und ihrem Sohne, den einen Finger uͤber den Mund gelegt; ein Strahl von oben faͤllt in sein suͤßes trunknes Auge, man sieht ihn darin funkeln, er empfindet die Herrlichkeit schon, welche der Kleine kindlich anstaunet, der mit seinen runden Wangen auf beyden Aermchen aufliegt. Waller. Ja, Liebe, es giebt viele Engel, die geistiger noch und geistlicher, und, wenn Sie wollen, weit mehr Engel sind: aber so irdisch und himmlisch zugleich sind mir noch keine vorgekommen. Louise. Es ist wahr, sie sind Kinder der Erde in bunten Fluͤgelchen. Sie haben einen eigentlichen Charakter, woruͤber die Soͤhne des Himmels hinweg sind. Der Groͤßere ist sanfter und maͤnnlicher, die Locken liegen ihm auch weicher und ordentlicher an; dem Kleinen straͤubt sich das Haar so trotzig um das volle Gesichtchen. Man kann sie nicht ohne Verlangen ansehn, aber dann leitet der aͤlteste mit seinem sinnigen Blick den meinigen doch wieder in die Hoͤhe; heitrer nur, denn alles, was Kind ist, erheitert doch die Seele. Waller. Und so waͤre der Kreislauf Jhrer Betrachtung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/141
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/141>, abgerufen am 22.11.2024.