Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

bestehen können? Wirklich ist dieses so, daß ich es nicht anders wünschen mag. Jch liebe das bräunliche desselben und den Rost der Zeit. --

Reinhold. Oder den Weihrauchdampf der Mönche zu Piacenza.

Louise. Seys was es wolle, ich lasse mir selbst die violetten Tinten an dem Kinde gefallen, und möchte an der Jungfrau nichts zarter haben als es ist. Denn worin bey ihr die wahre Zartheit liegt, das ist die Reinheit und Keuschheit ihrer Züge und ihrer Haltung des Körpers; die blühende Jugend, die gleichsam nur dadurch gereift scheint, daß sie für ewig festgehalten wurde, und dieses dringt eben in der ganz irdischen Hülle noch näher an das Herz.

Reinhold. Sie wollen einmal nichts anders haben, als es Raphael gemacht hat; selbst wenn es noch vollkommner seyn könnte.

Louise. Jst es nicht genug, wenn etwas so vollkommen ist, daß man es bis zu diesem Grade lieben muß? Wenigstens können Sie mir diese Schwachheit gestatten. Aber stören Sie mich nicht. Jch wollte sagen, daß eine solche Gegenwart doch gar nichts als sich selber bedarf, daß die bloße Gestalt hinreicht, um die ganze Seele zu erfüllen. Die mütterliche Liebe ist nicht einmal ausgedrückt, um uns zu gewinnen. Maria hält das Kind nicht liebkosend, das Kind weiß nichts von seiner Mutter. Die Mutter ist da um es zu tragen, Gott hat es ihr in die Arme gegeben, in diesem heiligen Dienste erscheint sie vor der anbetenden Welt, so groß wie sie ihn im Himmel verwaltet, von

bestehen koͤnnen? Wirklich ist dieses so, daß ich es nicht anders wuͤnschen mag. Jch liebe das braͤunliche desselben und den Rost der Zeit. —

Reinhold. Oder den Weihrauchdampf der Moͤnche zu Piacenza.

Louise. Seys was es wolle, ich lasse mir selbst die violetten Tinten an dem Kinde gefallen, und moͤchte an der Jungfrau nichts zarter haben als es ist. Denn worin bey ihr die wahre Zartheit liegt, das ist die Reinheit und Keuschheit ihrer Zuͤge und ihrer Haltung des Koͤrpers; die bluͤhende Jugend, die gleichsam nur dadurch gereift scheint, daß sie fuͤr ewig festgehalten wurde, und dieses dringt eben in der ganz irdischen Huͤlle noch naͤher an das Herz.

Reinhold. Sie wollen einmal nichts anders haben, als es Raphael gemacht hat; selbst wenn es noch vollkommner seyn koͤnnte.

Louise. Jst es nicht genug, wenn etwas so vollkommen ist, daß man es bis zu diesem Grade lieben muß? Wenigstens koͤnnen Sie mir diese Schwachheit gestatten. Aber stoͤren Sie mich nicht. Jch wollte sagen, daß eine solche Gegenwart doch gar nichts als sich selber bedarf, daß die bloße Gestalt hinreicht, um die ganze Seele zu erfuͤllen. Die muͤtterliche Liebe ist nicht einmal ausgedruͤckt, um uns zu gewinnen. Maria haͤlt das Kind nicht liebkosend, das Kind weiß nichts von seiner Mutter. Die Mutter ist da um es zu tragen, Gott hat es ihr in die Arme gegeben, in diesem heiligen Dienste erscheint sie vor der anbetenden Welt, so groß wie sie ihn im Himmel verwaltet, von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0138" n="130"/>
bestehen ko&#x0364;nnen? Wirklich ist dieses so, daß ich es nicht anders wu&#x0364;nschen mag. Jch liebe das bra&#x0364;unliche desselben und den Rost der Zeit. &#x2014;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Oder den Weihrauchdampf der Mo&#x0364;nche zu Piacenza.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Seys was es wolle, ich lasse mir selbst die violetten Tinten an dem Kinde gefallen, und mo&#x0364;chte an der Jungfrau nichts zarter haben als es ist. Denn worin bey ihr die wahre Zartheit liegt, das ist die Reinheit und Keuschheit ihrer Zu&#x0364;ge und ihrer Haltung des Ko&#x0364;rpers; die blu&#x0364;hende Jugend, die gleichsam nur dadurch gereift scheint, daß sie fu&#x0364;r ewig festgehalten wurde, und dieses dringt eben in der ganz irdischen Hu&#x0364;lle noch na&#x0364;her an das Herz.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Sie wollen einmal nichts anders haben, als es Raphael gemacht hat; selbst wenn es noch vollkommner seyn ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Jst es nicht genug, wenn etwas so vollkommen ist, daß man es bis zu diesem Grade lieben muß? Wenigstens ko&#x0364;nnen Sie mir diese Schwachheit gestatten. Aber sto&#x0364;ren Sie mich nicht. Jch wollte sagen, daß eine solche Gegenwart doch gar nichts als sich selber bedarf, daß die bloße Gestalt hinreicht, um die ganze Seele zu erfu&#x0364;llen. Die mu&#x0364;tterliche Liebe ist nicht einmal ausgedru&#x0364;ckt, um uns zu gewinnen. Maria ha&#x0364;lt das Kind nicht liebkosend, das Kind weiß nichts von seiner Mutter. Die Mutter ist da um es zu tragen, Gott hat es ihr in die Arme gegeben, in diesem heiligen Dienste erscheint sie vor der anbetenden Welt, so groß wie sie ihn im Himmel verwaltet, von
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0138] bestehen koͤnnen? Wirklich ist dieses so, daß ich es nicht anders wuͤnschen mag. Jch liebe das braͤunliche desselben und den Rost der Zeit. — Reinhold. Oder den Weihrauchdampf der Moͤnche zu Piacenza. Louise. Seys was es wolle, ich lasse mir selbst die violetten Tinten an dem Kinde gefallen, und moͤchte an der Jungfrau nichts zarter haben als es ist. Denn worin bey ihr die wahre Zartheit liegt, das ist die Reinheit und Keuschheit ihrer Zuͤge und ihrer Haltung des Koͤrpers; die bluͤhende Jugend, die gleichsam nur dadurch gereift scheint, daß sie fuͤr ewig festgehalten wurde, und dieses dringt eben in der ganz irdischen Huͤlle noch naͤher an das Herz. Reinhold. Sie wollen einmal nichts anders haben, als es Raphael gemacht hat; selbst wenn es noch vollkommner seyn koͤnnte. Louise. Jst es nicht genug, wenn etwas so vollkommen ist, daß man es bis zu diesem Grade lieben muß? Wenigstens koͤnnen Sie mir diese Schwachheit gestatten. Aber stoͤren Sie mich nicht. Jch wollte sagen, daß eine solche Gegenwart doch gar nichts als sich selber bedarf, daß die bloße Gestalt hinreicht, um die ganze Seele zu erfuͤllen. Die muͤtterliche Liebe ist nicht einmal ausgedruͤckt, um uns zu gewinnen. Maria haͤlt das Kind nicht liebkosend, das Kind weiß nichts von seiner Mutter. Die Mutter ist da um es zu tragen, Gott hat es ihr in die Arme gegeben, in diesem heiligen Dienste erscheint sie vor der anbetenden Welt, so groß wie sie ihn im Himmel verwaltet, von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/138
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/138>, abgerufen am 03.05.2024.