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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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Deutscher. "Homers Hexameter keucht manchmal unter der Spondeenlast, und kann kaum fort."

Grieche. Du beurtheilst den Griechischen Spondeen nach dem Deutschen. Jch gab dir schon vorhin den Grund an, warum unsre Sprache mehr Längen verträgt als eure. Ein Vers von zwölf Sylben, wovon meistens acht, häufig neun lang wären, würde im Deutschen unfehlbar schwerfällig scheinen. Und doch ist der Trimeter des Aeschylus so beschaffen und verdankt seine Größe hauptsächlich dem öfteren Gebrauch der Spondeen.

Deutscher. "Homers Verse gehen nicht selten ihren Weg für sich, und lassen den Jnhalt den seinigen gehen, oder sie gehen gar gerade zu gegen den Jnhalt an."

Grieche. Wenn nun Homer gar nirgends die Absicht gehabt hätte, den besondern Jnhalt durch den Gang des Verses auszudrücken? Wenn dieser Gedanke ganz außerhalb seines Kreises lag?

Deutscher. So hätte er ja Wesen und Zweck des Sylbenmaßes verkannt. " Sylbenmaß ist Mitausdruck durch Bewegung."

Grieche. Sage mir nur, wie der Deutsche Hexameter sich vom Griechischen unterscheidet, und was er dabey gewinnt. Das wird uns auf die Prüfung dieses Satzes führen.

Deutscher. "Unser Hexameter hat den Trochäen zum dritten künstlichen Fuße angenommen, und verlangt sogar diesen merklich öfter als den Spondeen. Er wird dadurch mannichfaltiger, und bekommt fast

Deutscher. „Homers Hexameter keucht manchmal unter der Spondeenlast, und kann kaum fort.“

Grieche. Du beurtheilst den Griechischen Spondeen nach dem Deutschen. Jch gab dir schon vorhin den Grund an, warum unsre Sprache mehr Laͤngen vertraͤgt als eure. Ein Vers von zwoͤlf Sylben, wovon meistens acht, haͤufig neun lang waͤren, wuͤrde im Deutschen unfehlbar schwerfaͤllig scheinen. Und doch ist der Trimeter des Aeschylus so beschaffen und verdankt seine Groͤße hauptsaͤchlich dem oͤfteren Gebrauch der Spondeen.

Deutscher. „Homers Verse gehen nicht selten ihren Weg fuͤr sich, und lassen den Jnhalt den seinigen gehen, oder sie gehen gar gerade zu gegen den Jnhalt an.“

Grieche. Wenn nun Homer gar nirgends die Absicht gehabt haͤtte, den besondern Jnhalt durch den Gang des Verses auszudruͤcken? Wenn dieser Gedanke ganz außerhalb seines Kreises lag?

Deutscher. So haͤtte er ja Wesen und Zweck des Sylbenmaßes verkannt. „ Sylbenmaß ist Mitausdruck durch Bewegung.“

Grieche. Sage mir nur, wie der Deutsche Hexameter sich vom Griechischen unterscheidet, und was er dabey gewinnt. Das wird uns auf die Pruͤfung dieses Satzes fuͤhren.

Deutscher. „Unser Hexameter hat den Trochaͤen zum dritten kuͤnstlichen Fuße angenommen, und verlangt sogar diesen merklich oͤfter als den Spondeen. Er wird dadurch mannichfaltiger, und bekommt fast

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[43/0054] Deutscher. „Homers Hexameter keucht manchmal unter der Spondeenlast, und kann kaum fort.“ Grieche. Du beurtheilst den Griechischen Spondeen nach dem Deutschen. Jch gab dir schon vorhin den Grund an, warum unsre Sprache mehr Laͤngen vertraͤgt als eure. Ein Vers von zwoͤlf Sylben, wovon meistens acht, haͤufig neun lang waͤren, wuͤrde im Deutschen unfehlbar schwerfaͤllig scheinen. Und doch ist der Trimeter des Aeschylus so beschaffen und verdankt seine Groͤße hauptsaͤchlich dem oͤfteren Gebrauch der Spondeen. Deutscher. „Homers Verse gehen nicht selten ihren Weg fuͤr sich, und lassen den Jnhalt den seinigen gehen, oder sie gehen gar gerade zu gegen den Jnhalt an.“ Grieche. Wenn nun Homer gar nirgends die Absicht gehabt haͤtte, den besondern Jnhalt durch den Gang des Verses auszudruͤcken? Wenn dieser Gedanke ganz außerhalb seines Kreises lag? Deutscher. So haͤtte er ja Wesen und Zweck des Sylbenmaßes verkannt. „ Sylbenmaß ist Mitausdruck durch Bewegung.“ Grieche. Sage mir nur, wie der Deutsche Hexameter sich vom Griechischen unterscheidet, und was er dabey gewinnt. Das wird uns auf die Pruͤfung dieses Satzes fuͤhren. Deutscher. „Unser Hexameter hat den Trochaͤen zum dritten kuͤnstlichen Fuße angenommen, und verlangt sogar diesen merklich oͤfter als den Spondeen. Er wird dadurch mannichfaltiger, und bekommt fast

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/54>, abgerufen am 21.11.2024.