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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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die innerste Springfeder des sonderbaren Werks plötzlich frey zu werden scheint. Dann und wann tritt Marianens Bild hervor, wie ein bedeutender Traum; plötzlich erscheint der seltsame Fremde und verschwindet schnell wie ein Blitz. Auch Melina's kommen wieder, aber verwandelt, nämlich ganz in ihrer natürlichen Gestalt. Die schwerfällige Eitelkeit der Anempfinderin kontrastirt artig genug gegen die Leichtigkeit der zierlichen Sünderin. Überhaupt gewährt uns die Vorlesung des Ritterstücks einen tiefen Blick hinter die Coulissen des theatralischen Zaubers wie in eine komische Welt im Hintergrunde. Das Lustige und das Ergreifende, das Geheime und das Lockende sind im Finale wunderbar verwebt, und die streitenden Stimmen tönen grell neben einander. Diese Harmonie von Dissonanzen ist noch schöner als die Musik, mit der das erste Buch endigte; sie ist entzückender und doch zerreißender, sie überwältigt mehr und sie läßt doch besounener.

Es ist schön und nothwendig, sich dem Eindruck eines Gedichtes ganz hinzugeben, den Künstler mit uns machen zu lassen, was er will, und etwa nur im Einzelnen das Gefühl durch Reflexion zu bestätigen und zum Gedanken zu erheben, und wo es noch zweifeln oder streiten dürfte, zu entscheiden und zu ergänzen. Dieß ist das erste und das wesentlichste. Aber nicht minder nothwendig ist es, von allem Einzelnen abstrahiren zu können, das Allgemeine schwebend zu fassen, eine Masse zu überschauen, und das Ganze festzuhalten, selbst dem Verborgensten nachzuforschen

die innerste Springfeder des sonderbaren Werks ploͤtzlich frey zu werden scheint. Dann und wann tritt Marianens Bild hervor, wie ein bedeutender Traum; ploͤtzlich erscheint der seltsame Fremde und verschwindet schnell wie ein Blitz. Auch Melina's kommen wieder, aber verwandelt, naͤmlich ganz in ihrer natuͤrlichen Gestalt. Die schwerfaͤllige Eitelkeit der Anempfinderin kontrastirt artig genug gegen die Leichtigkeit der zierlichen Suͤnderin. Überhaupt gewaͤhrt uns die Vorlesung des Ritterstuͤcks einen tiefen Blick hinter die Coulissen des theatralischen Zaubers wie in eine komische Welt im Hintergrunde. Das Lustige und das Ergreifende, das Geheime und das Lockende sind im Finale wunderbar verwebt, und die streitenden Stimmen toͤnen grell neben einander. Diese Harmonie von Dissonanzen ist noch schoͤner als die Musik, mit der das erste Buch endigte; sie ist entzuͤckender und doch zerreißender, sie uͤberwaͤltigt mehr und sie laͤßt doch besounener.

Es ist schoͤn und nothwendig, sich dem Eindruck eines Gedichtes ganz hinzugeben, den Kuͤnstler mit uns machen zu lassen, was er will, und etwa nur im Einzelnen das Gefuͤhl durch Reflexion zu bestaͤtigen und zum Gedanken zu erheben, und wo es noch zweifeln oder streiten duͤrfte, zu entscheiden und zu ergaͤnzen. Dieß ist das erste und das wesentlichste. Aber nicht minder nothwendig ist es, von allem Einzelnen abstrahiren zu koͤnnen, das Allgemeine schwebend zu fassen, eine Masse zu uͤberschauen, und das Ganze festzuhalten, selbst dem Verborgensten nachzuforschen

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[154/0343] die innerste Springfeder des sonderbaren Werks ploͤtzlich frey zu werden scheint. Dann und wann tritt Marianens Bild hervor, wie ein bedeutender Traum; ploͤtzlich erscheint der seltsame Fremde und verschwindet schnell wie ein Blitz. Auch Melina's kommen wieder, aber verwandelt, naͤmlich ganz in ihrer natuͤrlichen Gestalt. Die schwerfaͤllige Eitelkeit der Anempfinderin kontrastirt artig genug gegen die Leichtigkeit der zierlichen Suͤnderin. Überhaupt gewaͤhrt uns die Vorlesung des Ritterstuͤcks einen tiefen Blick hinter die Coulissen des theatralischen Zaubers wie in eine komische Welt im Hintergrunde. Das Lustige und das Ergreifende, das Geheime und das Lockende sind im Finale wunderbar verwebt, und die streitenden Stimmen toͤnen grell neben einander. Diese Harmonie von Dissonanzen ist noch schoͤner als die Musik, mit der das erste Buch endigte; sie ist entzuͤckender und doch zerreißender, sie uͤberwaͤltigt mehr und sie laͤßt doch besounener. Es ist schoͤn und nothwendig, sich dem Eindruck eines Gedichtes ganz hinzugeben, den Kuͤnstler mit uns machen zu lassen, was er will, und etwa nur im Einzelnen das Gefuͤhl durch Reflexion zu bestaͤtigen und zum Gedanken zu erheben, und wo es noch zweifeln oder streiten duͤrfte, zu entscheiden und zu ergaͤnzen. Dieß ist das erste und das wesentlichste. Aber nicht minder nothwendig ist es, von allem Einzelnen abstrahiren zu koͤnnen, das Allgemeine schwebend zu fassen, eine Masse zu uͤberschauen, und das Ganze festzuhalten, selbst dem Verborgensten nachzuforschen

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/343>, abgerufen am 22.11.2024.