Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Schönheit bewährt, und uns in die ahndungsvollste Vergangenheit der alten Heroen und der noch unschuldigen Dichterwelt versetzt. Nun folgt sein Eintritt in die Welt, der weder abgemessen noch brausend ist, sondern gelinde und leise wie das freye Lustwandeln eines, der zwischen Schwermuth und Erwartung getheilt, von schmerzlichsüßen Erinnerungen zu noch ahndungsvolleren Wünschen schwankt. Eine neue Scene öffnet sich, und eine neue Welt breitet sich lockend vor uns aus. Alles ist hier seltsam, bedeutend, wundervoll und von geheimem Zauber umweht. Die Ereignisse und die Personen bewegen sich rascher und jedes Kapitel ist wie ein neuer Akt. Auch solche Ereignisse, die nicht eigentlich ungewöhnlich sind, machen eine überraschende Erscheinung. Aber diese sind nur das Element der Personen, in denen sich der Geist dieser Masse des ganzen Systems am klarsten offenbart. Auch in ihnen äußert sich jene frische Gegenwart, jenes magische Schweben zwischen Vorwärts und Rückwärts. Philine ist das verführerische Symbol der leichtesten Sinnlichkeit; auch der bewegliche Laertes lebt nur für den Augenblick; und damit die lustige Gesellschaft vollzählig sey, repräsentirt der blonde Friedrich die gesunde kräftige Ungezogenheit. Alles was die Erinnerung und die Schwermuth und die Neue nur Rührendes hat, athmet und klagt der Alte wie aus einer unbekannten bodenlosen Tiefe von Gram und ergreift uns mit wilder Wehmuth. Noch süßere Schauer und gleichsam ein schönes Grausen erregt das heilige Kind, mit dessen Erscheinung Schoͤnheit bewaͤhrt, und uns in die ahndungsvollste Vergangenheit der alten Heroen und der noch unschuldigen Dichterwelt versetzt. Nun folgt sein Eintritt in die Welt, der weder abgemessen noch brausend ist, sondern gelinde und leise wie das freye Lustwandeln eines, der zwischen Schwermuth und Erwartung getheilt, von schmerzlichsuͤßen Erinnerungen zu noch ahndungsvolleren Wuͤnschen schwankt. Eine neue Scene oͤffnet sich, und eine neue Welt breitet sich lockend vor uns aus. Alles ist hier seltsam, bedeutend, wundervoll und von geheimem Zauber umweht. Die Ereignisse und die Personen bewegen sich rascher und jedes Kapitel ist wie ein neuer Akt. Auch solche Ereignisse, die nicht eigentlich ungewoͤhnlich sind, machen eine uͤberraschende Erscheinung. Aber diese sind nur das Element der Personen, in denen sich der Geist dieser Masse des ganzen Systems am klarsten offenbart. Auch in ihnen aͤußert sich jene frische Gegenwart, jenes magische Schweben zwischen Vorwaͤrts und Ruͤckwaͤrts. Philine ist das verfuͤhrerische Symbol der leichtesten Sinnlichkeit; auch der bewegliche Laertes lebt nur fuͤr den Augenblick; und damit die lustige Gesellschaft vollzaͤhlig sey, repraͤsentirt der blonde Friedrich die gesunde kraͤftige Ungezogenheit. Alles was die Erinnerung und die Schwermuth und die Neue nur Ruͤhrendes hat, athmet und klagt der Alte wie aus einer unbekannten bodenlosen Tiefe von Gram und ergreift uns mit wilder Wehmuth. Noch suͤßere Schauer und gleichsam ein schoͤnes Grausen erregt das heilige Kind, mit dessen Erscheinung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0342" n="153"/> Schoͤnheit bewaͤhrt, und uns in die ahndungsvollste Vergangenheit der alten Heroen und der noch unschuldigen Dichterwelt versetzt.</p><lb/> <p>Nun folgt sein Eintritt in die Welt, der weder abgemessen noch brausend ist, sondern gelinde und leise wie das freye Lustwandeln eines, der zwischen Schwermuth und Erwartung getheilt, von schmerzlichsuͤßen Erinnerungen zu noch ahndungsvolleren Wuͤnschen schwankt. Eine neue Scene oͤffnet sich, und eine neue Welt breitet sich lockend vor uns aus. Alles ist hier seltsam, bedeutend, wundervoll und von geheimem Zauber umweht. Die Ereignisse und die Personen bewegen sich rascher und jedes Kapitel ist wie ein neuer Akt. Auch solche Ereignisse, die nicht eigentlich ungewoͤhnlich sind, machen eine uͤberraschende Erscheinung. Aber diese sind nur das Element der Personen, in denen sich der Geist dieser Masse des ganzen Systems am klarsten offenbart. Auch in ihnen aͤußert sich jene frische Gegenwart, jenes magische Schweben zwischen Vorwaͤrts und Ruͤckwaͤrts. Philine ist das verfuͤhrerische Symbol der leichtesten Sinnlichkeit; auch der bewegliche Laertes lebt nur fuͤr den Augenblick; und damit die lustige Gesellschaft vollzaͤhlig sey, repraͤsentirt der blonde Friedrich die gesunde kraͤftige Ungezogenheit. Alles was die Erinnerung und die Schwermuth und die Neue nur Ruͤhrendes hat, athmet und klagt der Alte wie aus einer unbekannten bodenlosen Tiefe von Gram und ergreift uns mit wilder Wehmuth. Noch suͤßere Schauer und gleichsam ein schoͤnes Grausen erregt das heilige Kind, mit dessen Erscheinung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [153/0342]
Schoͤnheit bewaͤhrt, und uns in die ahndungsvollste Vergangenheit der alten Heroen und der noch unschuldigen Dichterwelt versetzt.
Nun folgt sein Eintritt in die Welt, der weder abgemessen noch brausend ist, sondern gelinde und leise wie das freye Lustwandeln eines, der zwischen Schwermuth und Erwartung getheilt, von schmerzlichsuͤßen Erinnerungen zu noch ahndungsvolleren Wuͤnschen schwankt. Eine neue Scene oͤffnet sich, und eine neue Welt breitet sich lockend vor uns aus. Alles ist hier seltsam, bedeutend, wundervoll und von geheimem Zauber umweht. Die Ereignisse und die Personen bewegen sich rascher und jedes Kapitel ist wie ein neuer Akt. Auch solche Ereignisse, die nicht eigentlich ungewoͤhnlich sind, machen eine uͤberraschende Erscheinung. Aber diese sind nur das Element der Personen, in denen sich der Geist dieser Masse des ganzen Systems am klarsten offenbart. Auch in ihnen aͤußert sich jene frische Gegenwart, jenes magische Schweben zwischen Vorwaͤrts und Ruͤckwaͤrts. Philine ist das verfuͤhrerische Symbol der leichtesten Sinnlichkeit; auch der bewegliche Laertes lebt nur fuͤr den Augenblick; und damit die lustige Gesellschaft vollzaͤhlig sey, repraͤsentirt der blonde Friedrich die gesunde kraͤftige Ungezogenheit. Alles was die Erinnerung und die Schwermuth und die Neue nur Ruͤhrendes hat, athmet und klagt der Alte wie aus einer unbekannten bodenlosen Tiefe von Gram und ergreift uns mit wilder Wehmuth. Noch suͤßere Schauer und gleichsam ein schoͤnes Grausen erregt das heilige Kind, mit dessen Erscheinung
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/342>, abgerufen am 16.02.2025. |