Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.daher den freyesten Spielraum, und gaukelt unaufhörlich auf der Oberfläche seines Daseyns. Wende dich in Gedanken von diesen glücklichen Gefilden weg, und durchschneide wie jene kühnen Weltumsegler die Zonen bis gegen den Nordpol hin. So wie die Natur karger, der Himmel unfreundlicher wird, so weicht die fröhliche Hingegebenheit dem Ernst und der Sorge. Die Brust verengt sich. Die Sinne, nicht mehr dem Genusse offen, sind nur zu Kampf und Arbeit geschärft. Der langsamere Verstand greift alles schwer und gewaltsam an. Der schlanke Leib badet sich nicht mehr leicht bekleidet in der freyen Luft, die unförmlichere Gestalt wird in Thierfelle eingewickelt, und endlich verkriecht sich der innre Mensch wie der äußre in dumpfe Winterhöhlen. Wenn nun die Sprache nie aufhört im Ganzen, obschon nicht in den einzelnen Bestandtheilen, das zu seyn, was sie in ihrem Ursprunge war: Darstellung der Gegenstände, und Verkündigung des Eindrucks den sie machen; wenn die Stimme aus der Brust mehr ausdrückende Gebährde, die Verrichtung der Sprachorgane mehr nachahmende Handlung ist: so läßt sich leicht einsehn, welchen Einfluß die umgebende Welt, außer dem unmittelbaren auf die Organisazion des Ohres und der Werkzeuge der Rede, auf die Art haben muß, wie der Mensch seine Sprache bildet.Es kann eine so üppige und zerfloßne Sinnlichkeit geben, daß der Geist aller Spannung unfähig wird, und dann verschwimmt auch die Sprache ohne Haltung in Vokalen, wie die der Otaheitier. Wo die daher den freyesten Spielraum, und gaukelt unaufhoͤrlich auf der Oberflaͤche seines Daseyns. Wende dich in Gedanken von diesen gluͤcklichen Gefilden weg, und durchschneide wie jene kuͤhnen Weltumsegler die Zonen bis gegen den Nordpol hin. So wie die Natur karger, der Himmel unfreundlicher wird, so weicht die froͤhliche Hingegebenheit dem Ernst und der Sorge. Die Brust verengt sich. Die Sinne, nicht mehr dem Genusse offen, sind nur zu Kampf und Arbeit geschaͤrft. Der langsamere Verstand greift alles schwer und gewaltsam an. Der schlanke Leib badet sich nicht mehr leicht bekleidet in der freyen Luft, die unfoͤrmlichere Gestalt wird in Thierfelle eingewickelt, und endlich verkriecht sich der innre Mensch wie der aͤußre in dumpfe Winterhoͤhlen. Wenn nun die Sprache nie aufhoͤrt im Ganzen, obschon nicht in den einzelnen Bestandtheilen, das zu seyn, was sie in ihrem Ursprunge war: Darstellung der Gegenstaͤnde, und Verkuͤndigung des Eindrucks den sie machen; wenn die Stimme aus der Brust mehr ausdruͤckende Gebaͤhrde, die Verrichtung der Sprachorgane mehr nachahmende Handlung ist: so laͤßt sich leicht einsehn, welchen Einfluß die umgebende Welt, außer dem unmittelbaren auf die Organisazion des Ohres und der Werkzeuge der Rede, auf die Art haben muß, wie der Mensch seine Sprache bildet.Es kann eine so uͤppige und zerfloßne Sinnlichkeit geben, daß der Geist aller Spannung unfaͤhig wird, und dann verschwimmt auch die Sprache ohne Haltung in Vokalen, wie die der Otaheitier. Wo die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0033" n="22"/> daher den freyesten Spielraum, und gaukelt unaufhoͤrlich auf der Oberflaͤche seines Daseyns.</p><lb/> <p>Wende dich in Gedanken von diesen gluͤcklichen Gefilden weg, und durchschneide wie jene kuͤhnen Weltumsegler die Zonen bis gegen den Nordpol hin. So wie die Natur karger, der Himmel unfreundlicher wird, so weicht die froͤhliche Hingegebenheit dem Ernst und der Sorge. Die Brust verengt sich. Die Sinne, nicht mehr dem Genusse offen, sind nur zu Kampf und Arbeit geschaͤrft. Der langsamere Verstand greift alles schwer und gewaltsam an. Der schlanke Leib badet sich nicht mehr leicht bekleidet in der freyen Luft, die unfoͤrmlichere Gestalt wird in Thierfelle eingewickelt, und endlich verkriecht sich der innre Mensch wie der aͤußre in dumpfe Winterhoͤhlen.</p><lb/> <p>Wenn nun die Sprache nie aufhoͤrt im Ganzen, obschon nicht in den einzelnen Bestandtheilen, das zu seyn, was sie in ihrem Ursprunge war: Darstellung der Gegenstaͤnde, und Verkuͤndigung des Eindrucks den sie machen; wenn die Stimme aus der Brust mehr ausdruͤckende Gebaͤhrde, die Verrichtung der Sprachorgane mehr nachahmende Handlung ist: so laͤßt sich leicht einsehn, welchen Einfluß die umgebende Welt, außer dem unmittelbaren auf die Organisazion des Ohres und der Werkzeuge der Rede, auf die Art haben muß, wie der Mensch seine Sprache bildet.Es kann eine so uͤppige und zerfloßne Sinnlichkeit geben, daß der Geist aller Spannung unfaͤhig wird, und dann verschwimmt auch die Sprache ohne Haltung in Vokalen, wie die der Otaheitier. Wo die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0033]
daher den freyesten Spielraum, und gaukelt unaufhoͤrlich auf der Oberflaͤche seines Daseyns.
Wende dich in Gedanken von diesen gluͤcklichen Gefilden weg, und durchschneide wie jene kuͤhnen Weltumsegler die Zonen bis gegen den Nordpol hin. So wie die Natur karger, der Himmel unfreundlicher wird, so weicht die froͤhliche Hingegebenheit dem Ernst und der Sorge. Die Brust verengt sich. Die Sinne, nicht mehr dem Genusse offen, sind nur zu Kampf und Arbeit geschaͤrft. Der langsamere Verstand greift alles schwer und gewaltsam an. Der schlanke Leib badet sich nicht mehr leicht bekleidet in der freyen Luft, die unfoͤrmlichere Gestalt wird in Thierfelle eingewickelt, und endlich verkriecht sich der innre Mensch wie der aͤußre in dumpfe Winterhoͤhlen.
Wenn nun die Sprache nie aufhoͤrt im Ganzen, obschon nicht in den einzelnen Bestandtheilen, das zu seyn, was sie in ihrem Ursprunge war: Darstellung der Gegenstaͤnde, und Verkuͤndigung des Eindrucks den sie machen; wenn die Stimme aus der Brust mehr ausdruͤckende Gebaͤhrde, die Verrichtung der Sprachorgane mehr nachahmende Handlung ist: so laͤßt sich leicht einsehn, welchen Einfluß die umgebende Welt, außer dem unmittelbaren auf die Organisazion des Ohres und der Werkzeuge der Rede, auf die Art haben muß, wie der Mensch seine Sprache bildet.Es kann eine so uͤppige und zerfloßne Sinnlichkeit geben, daß der Geist aller Spannung unfaͤhig wird, und dann verschwimmt auch die Sprache ohne Haltung in Vokalen, wie die der Otaheitier. Wo die
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