Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.von dieser Art machen den endlichen Raum vom gegenwärtigen Augenblick bis zur Erreichung eines gewissen Zweckes zu einer unendlichen und ins Unendliche getheilten Größe. Wem diese Fertigkeit das Endliche als etwas Unendliches zu behandeln, immer liebenswürdig erscheint, möchte sie so nennen: aber dieß ist nur die Beschreibung eines Eindrucks. Für das Wesen dieses Karakters, von dem Jnteresse für etwas als Mittel in ein unmittelbares Jnteresse leicht und oft überzugehn, hat die Sprache kein Zeichen. Es giebt andre Menschen, welche den entgegengesetzten Weg gehn, und sehr leicht das, was ihnen Anfangs Zweck war, nur als Mittel für etwas andres behandeln; die wenn sie einen Schriftsteller leidenschaftlich gelesen haben, mit einer Karakteristik desselben endigen, wenn sie eine Wissenschaft lange getrieben haben, sich bald zur Philosophie der Wissenschaft erheben, und selbst wenn eine persönliche Anhänglichkeit sie fesselt, in Gefahr sind, eine zärtliche Verbindung als Mittel zu behandeln, um eine neue Ansicht der menschlichen Natur zu gewinnen, oder über die Liebe aus eignen Experimenten zu philosophiren. Nenne mir das Jemand auf Deutsch! Von den Wirkungen und dem Eindruck eines solchen Karakters zu reden, ist wohlfeil: daß es groß ist, das Endliche wegzuwerfen, weil man auf das Unendliche losgeht, daß es originell ist, Schranken umzureißen, wo Andere hängen bleiben, neue Bahnen zu eröffnen, wo Andere einen geschloßnen Kreis zu sehen glauben, große Leidenschaften in reißendem Fluge zu durchlaufen, und von dieser Art machen den endlichen Raum vom gegenwaͤrtigen Augenblick bis zur Erreichung eines gewissen Zweckes zu einer unendlichen und ins Unendliche getheilten Groͤße. Wem diese Fertigkeit das Endliche als etwas Unendliches zu behandeln, immer liebenswuͤrdig erscheint, moͤchte sie so nennen: aber dieß ist nur die Beschreibung eines Eindrucks. Fuͤr das Wesen dieses Karakters, von dem Jnteresse fuͤr etwas als Mittel in ein unmittelbares Jnteresse leicht und oft uͤberzugehn, hat die Sprache kein Zeichen. Es giebt andre Menschen, welche den entgegengesetzten Weg gehn, und sehr leicht das, was ihnen Anfangs Zweck war, nur als Mittel fuͤr etwas andres behandeln; die wenn sie einen Schriftsteller leidenschaftlich gelesen haben, mit einer Karakteristik desselben endigen, wenn sie eine Wissenschaft lange getrieben haben, sich bald zur Philosophie der Wissenschaft erheben, und selbst wenn eine persoͤnliche Anhaͤnglichkeit sie fesselt, in Gefahr sind, eine zaͤrtliche Verbindung als Mittel zu behandeln, um eine neue Ansicht der menschlichen Natur zu gewinnen, oder uͤber die Liebe aus eignen Experimenten zu philosophiren. Nenne mir das Jemand auf Deutsch! Von den Wirkungen und dem Eindruck eines solchen Karakters zu reden, ist wohlfeil: daß es groß ist, das Endliche wegzuwerfen, weil man auf das Unendliche losgeht, daß es originell ist, Schranken umzureißen, wo Andere haͤngen bleiben, neue Bahnen zu eroͤffnen, wo Andere einen geschloßnen Kreis zu sehen glauben, große Leidenschaften in reißendem Fluge zu durchlaufen, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0326" n="137"/> von dieser Art machen den endlichen Raum vom gegenwaͤrtigen Augenblick bis zur Erreichung eines gewissen Zweckes zu einer unendlichen und ins Unendliche getheilten Groͤße. Wem diese Fertigkeit das Endliche als etwas Unendliches zu behandeln, immer liebenswuͤrdig erscheint, moͤchte sie so nennen: aber dieß ist nur die Beschreibung eines Eindrucks. Fuͤr das Wesen dieses Karakters, von dem Jnteresse fuͤr etwas als Mittel in ein unmittelbares Jnteresse leicht und oft uͤberzugehn, hat die Sprache kein Zeichen. Es giebt andre Menschen, welche den entgegengesetzten Weg gehn, und sehr leicht das, was ihnen Anfangs Zweck war, nur als Mittel fuͤr etwas andres behandeln; die wenn sie einen Schriftsteller leidenschaftlich gelesen haben, mit einer Karakteristik desselben endigen, wenn sie eine Wissenschaft lange getrieben haben, sich bald zur Philosophie der Wissenschaft erheben, und selbst wenn eine persoͤnliche Anhaͤnglichkeit sie fesselt, in Gefahr sind, eine zaͤrtliche Verbindung als Mittel zu behandeln, um eine neue Ansicht der menschlichen Natur zu gewinnen, oder uͤber die Liebe aus eignen Experimenten zu philosophiren. Nenne mir das Jemand auf Deutsch! Von den Wirkungen und dem Eindruck eines solchen Karakters zu reden, ist wohlfeil: daß es groß ist, das Endliche wegzuwerfen, weil man auf das Unendliche losgeht, daß es originell ist, Schranken umzureißen, wo Andere haͤngen bleiben, neue Bahnen zu eroͤffnen, wo Andere einen geschloßnen Kreis zu sehen glauben, große Leidenschaften in reißendem Fluge zu durchlaufen, und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0326]
von dieser Art machen den endlichen Raum vom gegenwaͤrtigen Augenblick bis zur Erreichung eines gewissen Zweckes zu einer unendlichen und ins Unendliche getheilten Groͤße. Wem diese Fertigkeit das Endliche als etwas Unendliches zu behandeln, immer liebenswuͤrdig erscheint, moͤchte sie so nennen: aber dieß ist nur die Beschreibung eines Eindrucks. Fuͤr das Wesen dieses Karakters, von dem Jnteresse fuͤr etwas als Mittel in ein unmittelbares Jnteresse leicht und oft uͤberzugehn, hat die Sprache kein Zeichen. Es giebt andre Menschen, welche den entgegengesetzten Weg gehn, und sehr leicht das, was ihnen Anfangs Zweck war, nur als Mittel fuͤr etwas andres behandeln; die wenn sie einen Schriftsteller leidenschaftlich gelesen haben, mit einer Karakteristik desselben endigen, wenn sie eine Wissenschaft lange getrieben haben, sich bald zur Philosophie der Wissenschaft erheben, und selbst wenn eine persoͤnliche Anhaͤnglichkeit sie fesselt, in Gefahr sind, eine zaͤrtliche Verbindung als Mittel zu behandeln, um eine neue Ansicht der menschlichen Natur zu gewinnen, oder uͤber die Liebe aus eignen Experimenten zu philosophiren. Nenne mir das Jemand auf Deutsch! Von den Wirkungen und dem Eindruck eines solchen Karakters zu reden, ist wohlfeil: daß es groß ist, das Endliche wegzuwerfen, weil man auf das Unendliche losgeht, daß es originell ist, Schranken umzureißen, wo Andere haͤngen bleiben, neue Bahnen zu eroͤffnen, wo Andere einen geschloßnen Kreis zu sehen glauben, große Leidenschaften in reißendem Fluge zu durchlaufen, und
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/326>, abgerufen am 26.06.2024. |