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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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was nur durch Enthusiasmus und mit philosophischem poetischem oder sittlichem Sinn aufgefaßt werden kann.



Auch die Sprache begegnet der Sittlichkeit schlecht. Sie ist nirgends so roh und arm, als wo es auf die Bezeichnung sittlicher Begriffe ankommt. Zum Beyspiel nehme ich die drey Karaktere, die sich aus den verschiedenen Verbindungen zwischen Zweck und Mittel konstruiren lassen. Es giebt Menschen, denen unter der Hand alles was sie als Mittel behandeln, zum Zweck wird. Sie widmen sich einer Wissenschaft um ihr Glück zu machen, und werden von den Reizen derselben gefesselt. Sie suchen einen Anhänger derselben auf, und sie fangen an ihn zu lieben. Sie besuchen seine Zirkel um mit ihm zu seyn, und sie werden die leidenschaftlichsten Mitglieder derselben. Sie schreiben, oder treiben schöne Künste, oder kleiden sich besser, um in diesen Zirkeln zu gefallen, und ehe man sich versieht, finden sie unabhängig von Gefallen und Mißfallen in ihren Schreibereyen, in ihrem Kunststudium, in ihrer Eleganz einen innigen Genuß. Dieß ist ein sehr bestimmter Karakter der sich überall leicht erkennen läßt; hat aber die Sprache einen Namen dafür? Ein großer Kreis von verschiedenen Thätigkeiten wird auf diese Art durchlaufen, und die Sprache vergönnt auch ihn deswegen veränderlich oder vielseitig zu nennen: das ist aber nur ein Theil von den Erscheinungen dieser Denkungsart, welchen sie mit manchen andern gemein hat. Menschen

was nur durch Enthusiasmus und mit philosophischem poetischem oder sittlichem Sinn aufgefaßt werden kann.



Auch die Sprache begegnet der Sittlichkeit schlecht. Sie ist nirgends so roh und arm, als wo es auf die Bezeichnung sittlicher Begriffe ankommt. Zum Beyspiel nehme ich die drey Karaktere, die sich aus den verschiedenen Verbindungen zwischen Zweck und Mittel konstruiren lassen. Es giebt Menschen, denen unter der Hand alles was sie als Mittel behandeln, zum Zweck wird. Sie widmen sich einer Wissenschaft um ihr Gluͤck zu machen, und werden von den Reizen derselben gefesselt. Sie suchen einen Anhaͤnger derselben auf, und sie fangen an ihn zu lieben. Sie besuchen seine Zirkel um mit ihm zu seyn, und sie werden die leidenschaftlichsten Mitglieder derselben. Sie schreiben, oder treiben schoͤne Kuͤnste, oder kleiden sich besser, um in diesen Zirkeln zu gefallen, und ehe man sich versieht, finden sie unabhaͤngig von Gefallen und Mißfallen in ihren Schreibereyen, in ihrem Kunststudium, in ihrer Eleganz einen innigen Genuß. Dieß ist ein sehr bestimmter Karakter der sich uͤberall leicht erkennen laͤßt; hat aber die Sprache einen Namen dafuͤr? Ein großer Kreis von verschiedenen Thaͤtigkeiten wird auf diese Art durchlaufen, und die Sprache vergoͤnnt auch ihn deswegen veraͤnderlich oder vielseitig zu nennen: das ist aber nur ein Theil von den Erscheinungen dieser Denkungsart, welchen sie mit manchen andern gemein hat. Menschen

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[136/0325] was nur durch Enthusiasmus und mit philosophischem poetischem oder sittlichem Sinn aufgefaßt werden kann. Auch die Sprache begegnet der Sittlichkeit schlecht. Sie ist nirgends so roh und arm, als wo es auf die Bezeichnung sittlicher Begriffe ankommt. Zum Beyspiel nehme ich die drey Karaktere, die sich aus den verschiedenen Verbindungen zwischen Zweck und Mittel konstruiren lassen. Es giebt Menschen, denen unter der Hand alles was sie als Mittel behandeln, zum Zweck wird. Sie widmen sich einer Wissenschaft um ihr Gluͤck zu machen, und werden von den Reizen derselben gefesselt. Sie suchen einen Anhaͤnger derselben auf, und sie fangen an ihn zu lieben. Sie besuchen seine Zirkel um mit ihm zu seyn, und sie werden die leidenschaftlichsten Mitglieder derselben. Sie schreiben, oder treiben schoͤne Kuͤnste, oder kleiden sich besser, um in diesen Zirkeln zu gefallen, und ehe man sich versieht, finden sie unabhaͤngig von Gefallen und Mißfallen in ihren Schreibereyen, in ihrem Kunststudium, in ihrer Eleganz einen innigen Genuß. Dieß ist ein sehr bestimmter Karakter der sich uͤberall leicht erkennen laͤßt; hat aber die Sprache einen Namen dafuͤr? Ein großer Kreis von verschiedenen Thaͤtigkeiten wird auf diese Art durchlaufen, und die Sprache vergoͤnnt auch ihn deswegen veraͤnderlich oder vielseitig zu nennen: das ist aber nur ein Theil von den Erscheinungen dieser Denkungsart, welchen sie mit manchen andern gemein hat. Menschen

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/325>, abgerufen am 25.11.2024.