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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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der Begebenheiten auf- und abzuwinden versteht, unaufhörlich für die Sättigung schlaffer Leerheit arbeitet. Die gesetzlose Unbestimmtheit, womit diese Gattung nach so unzähligen Versuchen immer noch behandelt wird, bestärkt in dem Glauben, als habe die Kunst gar keine Forderungen an dieselbe zu machen, und das eigentliche Geheimniß bestehe darin, sich alles zu erlauben; während sie doch vielmehr auf die Höhe der Aufgabe hindeutet, die wie eine irrazionale Gleichung nur durch unendliche Annäherung gelöst werden kann. Wer hält sich nicht im Stande einen Roman zu schreiben? Daß nebst vielen und wichtigen Erfordernissen unter andern auch ein bedeutendes Menschenleben dazu nöthig ist, läßt man sich nicht im Traume einfallen. Wie könnten sonst die beliebten Romanschreiber so fruchtbar, und die fruchtbaren so beliebt seyn? Nur Einen Roman geschrieben zu haben, wird für gar nichts gerechnet: man muß beynah mit jeder Messe wieder erscheinen, um nicht auf der Liste der Beliebten ausgestrichen zu werden. Jch habe sogar von Schriftstellern gehört, welche gestehn, daß sie aus allen Kräften eilen, den Vorrath von Romanen, den sie noch in sich tragen, auszuschütten, ehe die Geläufigkeit ihrer Feder und ihrer Phantasie mit den zunehmenden Jahren erstarrt. Wie verschieden von der Sprödigkeit des zurückhaltenden Genius, der wie die Löwin nur eins gebiert, aber einen Löwen! Jene dürfen sich nicht brüsten, wenn sie für den Augenblick vor diesem glänzen: ihr Ruhm wird ebenfalls erstarren, sobald sie ihn nicht mehr beständig warm halten können.

der Begebenheiten auf- und abzuwinden versteht, unaufhoͤrlich fuͤr die Saͤttigung schlaffer Leerheit arbeitet. Die gesetzlose Unbestimmtheit, womit diese Gattung nach so unzaͤhligen Versuchen immer noch behandelt wird, bestaͤrkt in dem Glauben, als habe die Kunst gar keine Forderungen an dieselbe zu machen, und das eigentliche Geheimniß bestehe darin, sich alles zu erlauben; waͤhrend sie doch vielmehr auf die Hoͤhe der Aufgabe hindeutet, die wie eine irrazionale Gleichung nur durch unendliche Annaͤherung geloͤst werden kann. Wer haͤlt sich nicht im Stande einen Roman zu schreiben? Daß nebst vielen und wichtigen Erfordernissen unter andern auch ein bedeutendes Menschenleben dazu noͤthig ist, laͤßt man sich nicht im Traume einfallen. Wie koͤnnten sonst die beliebten Romanschreiber so fruchtbar, und die fruchtbaren so beliebt seyn? Nur Einen Roman geschrieben zu haben, wird fuͤr gar nichts gerechnet: man muß beynah mit jeder Messe wieder erscheinen, um nicht auf der Liste der Beliebten ausgestrichen zu werden. Jch habe sogar von Schriftstellern gehoͤrt, welche gestehn, daß sie aus allen Kraͤften eilen, den Vorrath von Romanen, den sie noch in sich tragen, auszuschuͤtten, ehe die Gelaͤufigkeit ihrer Feder und ihrer Phantasie mit den zunehmenden Jahren erstarrt. Wie verschieden von der Sproͤdigkeit des zuruͤckhaltenden Genius, der wie die Loͤwin nur eins gebiert, aber einen Loͤwen! Jene duͤrfen sich nicht bruͤsten, wenn sie fuͤr den Augenblick vor diesem glaͤnzen: ihr Ruhm wird ebenfalls erstarren, sobald sie ihn nicht mehr bestaͤndig warm halten koͤnnen.

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[150/0161] der Begebenheiten auf- und abzuwinden versteht, unaufhoͤrlich fuͤr die Saͤttigung schlaffer Leerheit arbeitet. Die gesetzlose Unbestimmtheit, womit diese Gattung nach so unzaͤhligen Versuchen immer noch behandelt wird, bestaͤrkt in dem Glauben, als habe die Kunst gar keine Forderungen an dieselbe zu machen, und das eigentliche Geheimniß bestehe darin, sich alles zu erlauben; waͤhrend sie doch vielmehr auf die Hoͤhe der Aufgabe hindeutet, die wie eine irrazionale Gleichung nur durch unendliche Annaͤherung geloͤst werden kann. Wer haͤlt sich nicht im Stande einen Roman zu schreiben? Daß nebst vielen und wichtigen Erfordernissen unter andern auch ein bedeutendes Menschenleben dazu noͤthig ist, laͤßt man sich nicht im Traume einfallen. Wie koͤnnten sonst die beliebten Romanschreiber so fruchtbar, und die fruchtbaren so beliebt seyn? Nur Einen Roman geschrieben zu haben, wird fuͤr gar nichts gerechnet: man muß beynah mit jeder Messe wieder erscheinen, um nicht auf der Liste der Beliebten ausgestrichen zu werden. Jch habe sogar von Schriftstellern gehoͤrt, welche gestehn, daß sie aus allen Kraͤften eilen, den Vorrath von Romanen, den sie noch in sich tragen, auszuschuͤtten, ehe die Gelaͤufigkeit ihrer Feder und ihrer Phantasie mit den zunehmenden Jahren erstarrt. Wie verschieden von der Sproͤdigkeit des zuruͤckhaltenden Genius, der wie die Loͤwin nur eins gebiert, aber einen Loͤwen! Jene duͤrfen sich nicht bruͤsten, wenn sie fuͤr den Augenblick vor diesem glaͤnzen: ihr Ruhm wird ebenfalls erstarren, sobald sie ihn nicht mehr bestaͤndig warm halten koͤnnen.

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/161>, abgerufen am 23.11.2024.