Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804. Gertrud Mein Werner sage, wie verstehst du das? Stauffacher Vor dieser Linde saß ich jüngst wie heut, Das schön vollbrachte freudig überden end, Da kam daher von Küssnacht, seiner Burg, Der Vogt mit seinen Reisigen geritten. Vor diesem Hause hielt er wundernd an, Doch ich erhub mich schnell, und unterwürfig Wie sich's gebührt, trat ich dem Herrn entgegen, Der uns des Kaisers richterliche Macht Vorstellt im Lande. Wessen ist dieß Haus? Fragt' er bösmeinend, denn er wußt es wohl. Doch schnell besonnen ich entgegn' ihm so: Dieß Haus, Herr Vogt, ist meines Herrn des Kaisers, Und Eures und mein Lehen -- da versezt er: "Ich bin Regent im Land an Kaisers Statt, Und will nicht, daß der Bauer Häuser baue Auf seine eigne Hand, und also frey Hinleb', als ob er Herr wär in dem Lande, Ich werd' mich unterstehn, euch das zu wehren." Gertrud Mein Werner ſage, wie verſtehſt du das? Stauffacher Vor dieſer Linde ſaß ich juͤngſt wie heut, Das ſchoͤn vollbrachte freudig uͤberden end, Da kam daher von Kuͤſſnacht, ſeiner Burg, Der Vogt mit ſeinen Reiſigen geritten. Vor dieſem Hauſe hielt er wundernd an, Doch ich erhub mich ſchnell, und unterwuͤrfig Wie ſich’s gebuͤhrt, trat ich dem Herrn entgegen, Der uns des Kaiſers richterliche Macht Vorſtellt im Lande. Weſſen iſt dieß Haus? Fragt’ er boͤsmeinend, denn er wußt es wohl. Doch ſchnell beſonnen ich entgegn’ ihm ſo: Dieß Haus, Herr Vogt, iſt meines Herrn des Kaiſers, Und Eures und mein Lehen — da verſezt er: „Ich bin Regent im Land an Kaiſers Statt, Und will nicht, daß der Bauer Haͤuſer baue Auf ſeine eigne Hand, und alſo frey Hinleb’, als ob er Herr waͤr in dem Lande, Ich werd’ mich unterſtehn, euch das zu wehren.” <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0033" n="19"/> <sp who="#GER"> <speaker> <hi rendition="#g">Gertrud</hi> </speaker><lb/> <p>Mein Werner ſage, wie verſtehſt du das?</p><lb/> </sp> <sp who="#STA"> <speaker> <hi rendition="#g">Stauffacher</hi> </speaker><lb/> <p>Vor dieſer Linde ſaß ich juͤngſt wie heut,<lb/> Das ſchoͤn vollbrachte freudig uͤberden end,<lb/> Da kam daher von Kuͤſſnacht, ſeiner Burg,<lb/> Der Vogt mit ſeinen Reiſigen geritten.<lb/> Vor dieſem Hauſe hielt er wundernd an,<lb/> Doch ich erhub mich ſchnell, und unterwuͤrfig<lb/> Wie ſich’s gebuͤhrt, trat ich dem Herrn entgegen,<lb/> Der uns des Kaiſers richterliche Macht<lb/> Vorſtellt im Lande. Weſſen iſt dieß Haus?<lb/> Fragt’ er boͤsmeinend, denn er wußt es wohl.<lb/> Doch ſchnell beſonnen ich entgegn’ ihm ſo:<lb/> Dieß Haus, Herr Vogt, iſt meines Herrn des Kaiſers,<lb/> Und Eures und mein Lehen — da verſezt er:<lb/> „Ich bin Regent im Land an Kaiſers Statt,<lb/> Und will nicht, daß der Bauer Haͤuſer baue<lb/> Auf ſeine eigne Hand, und alſo frey<lb/> Hinleb’, als ob er Herr waͤr in dem Lande,<lb/> Ich werd’ mich unterſtehn, euch das zu wehren.”<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0033]
Gertrud
Mein Werner ſage, wie verſtehſt du das?
Stauffacher
Vor dieſer Linde ſaß ich juͤngſt wie heut,
Das ſchoͤn vollbrachte freudig uͤberden end,
Da kam daher von Kuͤſſnacht, ſeiner Burg,
Der Vogt mit ſeinen Reiſigen geritten.
Vor dieſem Hauſe hielt er wundernd an,
Doch ich erhub mich ſchnell, und unterwuͤrfig
Wie ſich’s gebuͤhrt, trat ich dem Herrn entgegen,
Der uns des Kaiſers richterliche Macht
Vorſtellt im Lande. Weſſen iſt dieß Haus?
Fragt’ er boͤsmeinend, denn er wußt es wohl.
Doch ſchnell beſonnen ich entgegn’ ihm ſo:
Dieß Haus, Herr Vogt, iſt meines Herrn des Kaiſers,
Und Eures und mein Lehen — da verſezt er:
„Ich bin Regent im Land an Kaiſers Statt,
Und will nicht, daß der Bauer Haͤuſer baue
Auf ſeine eigne Hand, und alſo frey
Hinleb’, als ob er Herr waͤr in dem Lande,
Ich werd’ mich unterſtehn, euch das zu wehren.”
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_tell_1804 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_tell_1804/33 |
Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_tell_1804/33>, abgerufen am 04.07.2024. |