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Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804.

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Melchthal
Weiß man, wo sich die Mörder hingeflüchtet?
Stauffacher
Sie flohen alsbald nach vollbrachter That
Auf fünf verschiednen Strassen auseinander,
Und trennten sich, um nie sich mehr zu sehn --
Herzog Johann soll irren im Gebirge.

Walther Fürst
So trägt die Unthat ihnen keine Frucht!
Rache trägt keine Frucht! Sich selbst ist sie
Die fürchterliche Nahrung, ihr Genuß
Ist Mord, und ihre Sättigung das Grausen.

Stauffacher
Den Mördern bringt die Unthat nicht Gewinn,
Wir aber brechen mit der reinen Hand
Des blutgen Frevels segenvolle Frucht.
Denn einer großen Furcht sind wir entledigt,
Gefallen ist der Freiheit größter Feind,
Und, wie verlautet, wird das Scepter gehn
Aus Habsburgs Haus zu einem andern Stamm,
Das Reich will seine Wahlfreiheit behaupten.

t 2
Melchthal
Weiß man, wo ſich die Moͤrder hingefluͤchtet?
Stauffacher
Sie flohen alsbald nach vollbrachter That
Auf fuͤnf verſchiednen Straſſen auseinander,
Und trennten ſich, um nie ſich mehr zu ſehn —
Herzog Johann ſoll irren im Gebirge.

Walther Fuͤrſt
So traͤgt die Unthat ihnen keine Frucht!
Rache traͤgt keine Frucht! Sich ſelbſt iſt ſie
Die fuͤrchterliche Nahrung, ihr Genuß
Iſt Mord, und ihre Saͤttigung das Grauſen.

Stauffacher
Den Moͤrdern bringt die Unthat nicht Gewinn,
Wir aber brechen mit der reinen Hand
Des blutgen Frevels ſegenvolle Frucht.
Denn einer großen Furcht ſind wir entledigt,
Gefallen iſt der Freiheit groͤßter Feind,
Und, wie verlautet, wird das Scepter gehn
Aus Habsburgs Haus zu einem andern Stamm,
Das Reich will ſeine Wahlfreiheit behaupten.

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[219/0233] Melchthal Weiß man, wo ſich die Moͤrder hingefluͤchtet? Stauffacher Sie flohen alsbald nach vollbrachter That Auf fuͤnf verſchiednen Straſſen auseinander, Und trennten ſich, um nie ſich mehr zu ſehn — Herzog Johann ſoll irren im Gebirge. Walther Fuͤrſt So traͤgt die Unthat ihnen keine Frucht! Rache traͤgt keine Frucht! Sich ſelbſt iſt ſie Die fuͤrchterliche Nahrung, ihr Genuß Iſt Mord, und ihre Saͤttigung das Grauſen. Stauffacher Den Moͤrdern bringt die Unthat nicht Gewinn, Wir aber brechen mit der reinen Hand Des blutgen Frevels ſegenvolle Frucht. Denn einer großen Furcht ſind wir entledigt, Gefallen iſt der Freiheit groͤßter Feind, Und, wie verlautet, wird das Scepter gehn Aus Habsburgs Haus zu einem andern Stamm, Das Reich will ſeine Wahlfreiheit behaupten. t 2

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_tell_1804/233>, abgerufen am 27.11.2024.