Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804.
Das so bescheiden ist und doch voll Kraft, Es zieht mein ganzes Herz mich zu ihm hin, Mit jedem Tage lern ich's mehr verehren. -- Ihr aber, den Natur und Ritterpflicht Ihm zum gebohrenen Beschützer gaben, Und der's verläßt, der treulos übertritt Zum Feind, und Ketten schmiedet seinem Land, Ihr seids, der mich verlezt und kränkt, ich muß Mein Herz bezwingen, daß ich euch nicht hasse. Rudenz Will ich denn nicht das Beste meines Volks? Ihm unter Oestreichs mächtgem Zepter nicht Den Frieden -- Bertha
Knechtschaft wollt ihr ihm bereiten! Die Freiheit wollt ihr aus dem lezten Schloß, Das ihr noch auf der Erde blieb, verjagen. Das Volk versteht sich besser auf sein Glück, Kein Schein verführt sein sicheres Gefühl, Euch haben sie das Netz ums Haupt geworfen --
Das ſo beſcheiden iſt und doch voll Kraft, Es zieht mein ganzes Herz mich zu ihm hin, Mit jedem Tage lern ich’s mehr verehren. — Ihr aber, den Natur und Ritterpflicht Ihm zum gebohrenen Beſchuͤtzer gaben, Und der’s verlaͤßt, der treulos uͤbertritt Zum Feind, und Ketten ſchmiedet ſeinem Land, Ihr ſeids, der mich verlezt und kraͤnkt, ich muß Mein Herz bezwingen, daß ich euch nicht haſſe. Rudenz Will ich denn nicht das Beſte meines Volks? Ihm unter Oeſtreichs maͤchtgem Zepter nicht Den Frieden — Bertha
Knechtſchaft wollt ihr ihm bereiten! Die Freiheit wollt ihr aus dem lezten Schloß, Das ihr noch auf der Erde blieb, verjagen. Das Volk verſteht ſich beſſer auf ſein Gluͤck, Kein Schein verfuͤhrt ſein ſicheres Gefuͤhl, Euch haben ſie das Netz ums Haupt geworfen — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#BER"> <p><pb facs="#f0129" n="115"/> Das ſo beſcheiden iſt und doch voll Kraft,<lb/> Es zieht mein ganzes Herz mich zu ihm hin,<lb/> Mit jedem Tage lern ich’s mehr verehren.<lb/> — Ihr aber, den Natur und Ritterpflicht<lb/> Ihm zum gebohrenen Beſchuͤtzer gaben,<lb/> Und der’s <hi rendition="#g">verlaͤßt</hi>, der treulos uͤbertritt<lb/> Zum Feind, und Ketten ſchmiedet ſeinem Land,<lb/> Ihr ſeids, der mich verlezt und kraͤnkt, ich muß<lb/> Mein Herz bezwingen, daß ich euch nicht haſſe.</p><lb/> </sp> <sp who="#RUD"> <speaker> <hi rendition="#g">Rudenz</hi> </speaker><lb/> <p>Will ich denn nicht das Beſte meines Volks?<lb/> Ihm unter Oeſtreichs maͤchtgem Zepter nicht<lb/> Den Frieden —</p><lb/> </sp> <sp who="#BER"> <speaker> <hi rendition="#g">Bertha</hi> </speaker><lb/> <p>Knechtſchaft wollt ihr ihm bereiten!<lb/> Die Freiheit wollt ihr aus dem lezten Schloß,<lb/> Das ihr noch auf der Erde blieb, verjagen.<lb/> Das Volk verſteht ſich beſſer auf ſein Gluͤck,<lb/> Kein Schein verfuͤhrt ſein ſicheres Gefuͤhl,<lb/> Euch haben ſie das Netz ums Haupt geworfen —</p><lb/> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [115/0129]
Das ſo beſcheiden iſt und doch voll Kraft,
Es zieht mein ganzes Herz mich zu ihm hin,
Mit jedem Tage lern ich’s mehr verehren.
— Ihr aber, den Natur und Ritterpflicht
Ihm zum gebohrenen Beſchuͤtzer gaben,
Und der’s verlaͤßt, der treulos uͤbertritt
Zum Feind, und Ketten ſchmiedet ſeinem Land,
Ihr ſeids, der mich verlezt und kraͤnkt, ich muß
Mein Herz bezwingen, daß ich euch nicht haſſe.
Rudenz
Will ich denn nicht das Beſte meines Volks?
Ihm unter Oeſtreichs maͤchtgem Zepter nicht
Den Frieden —
Bertha
Knechtſchaft wollt ihr ihm bereiten!
Die Freiheit wollt ihr aus dem lezten Schloß,
Das ihr noch auf der Erde blieb, verjagen.
Das Volk verſteht ſich beſſer auf ſein Gluͤck,
Kein Schein verfuͤhrt ſein ſicheres Gefuͤhl,
Euch haben ſie das Netz ums Haupt geworfen —
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_tell_1804/129>, abgerufen am 25.07.2024. |