Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804.
Verfolgte, wo nicht auszuweichen war,
Denn über mir hieng schroff die Felswand her, Und unten rauschte fürchterlich der Schächen, (die Knaben drängen sich rechts und links an ihn und sehen mit gespannter Neugier an ihm hinauf) Da kam der Landvogt gegen mich daher, Er ganz allein mit mir, der auch allein war, Bloß Mensch zu Mensch und neben uns der Abgrund. Und als der Herre mein ansichtig ward, Und mich erkannte, den er kurz zuvor Um kleiner Ursach' willen schwer gebüßt, Und sah mich mit dem stattlichen Gewehr Daher geschritten kommen, da verblaßt' er, Die Knie versagten ihm, ich sah es kommen, Daß er jezt an die Felswand würde sinken. -- Da jammerte mich sein, ich trat zu ihm Bescheidentlich und sprach: Ich bin's, Herr Landvogt. Er aber konnte keinen armen Laut Aus seinem Munde geben -- Mit der Hand nur Winkt' er mir schweigend, meines Wegs zu gehn, Da gieng ich fort, und sandt' ihm sein Gefolge.
Verfolgte, wo nicht auszuweichen war,
Denn uͤber mir hieng ſchroff die Felswand her, Und unten rauſchte fuͤrchterlich der Schaͤchen, (die Knaben drängen ſich rechts und links an ihn und ſehen mit geſpannter Neugier an ihm hinauf) Da kam der Landvogt gegen mich daher, Er ganz allein mit mir, der auch allein war, Bloß Menſch zu Menſch und neben uns der Abgrund. Und als der Herre mein anſichtig ward, Und mich erkannte, den er kurz zuvor Um kleiner Urſach’ willen ſchwer gebuͤßt, Und ſah mich mit dem ſtattlichen Gewehr Daher geſchritten kommen, da verblaßt’ er, Die Knie verſagten ihm, ich ſah es kommen, Daß er jezt an die Felswand wuͤrde ſinken. — Da jammerte mich ſein, ich trat zu ihm Beſcheidentlich und ſprach: Ich bin’s, Herr Landvogt. Er aber konnte keinen armen Laut Aus ſeinem Munde geben — Mit der Hand nur Winkt’ er mir ſchweigend, meines Wegs zu gehn, Da gieng ich fort, und ſandt’ ihm ſein Gefolge. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#TEL"> <p><pb facs="#f0124" n="110"/> Verfolgte, wo nicht auszuweichen war,<lb/> Denn uͤber mir hieng ſchroff die Felswand her,<lb/> Und unten rauſchte fuͤrchterlich der Schaͤchen,</p><lb/> <stage>(die Knaben drängen ſich rechts und links an ihn und ſehen<lb/> mit geſpannter Neugier an ihm hinauf)</stage><lb/> <p>Da kam der Landvogt gegen mich daher,<lb/> Er ganz allein mit mir, der auch allein war,<lb/> Bloß Menſch zu Menſch und neben uns der Abgrund.<lb/> Und als der Herre mein anſichtig ward,<lb/> Und mich erkannte, den er kurz zuvor<lb/> Um kleiner Urſach’ willen ſchwer gebuͤßt,<lb/> Und ſah mich mit dem ſtattlichen Gewehr<lb/> Daher geſchritten kommen, da verblaßt’ er,<lb/> Die Knie verſagten ihm, ich ſah es kommen,<lb/> Daß er jezt an die Felswand wuͤrde ſinken.<lb/> — Da jammerte mich ſein, ich trat zu ihm<lb/> Beſcheidentlich und ſprach: Ich bin’s, Herr Landvogt.<lb/> Er aber konnte keinen armen Laut<lb/> Aus ſeinem Munde geben — Mit der Hand nur<lb/> Winkt’ er mir ſchweigend, meines Wegs zu gehn,<lb/> Da gieng ich fort, und ſandt’ ihm ſein Gefolge.</p><lb/> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0124]
Verfolgte, wo nicht auszuweichen war,
Denn uͤber mir hieng ſchroff die Felswand her,
Und unten rauſchte fuͤrchterlich der Schaͤchen,
(die Knaben drängen ſich rechts und links an ihn und ſehen
mit geſpannter Neugier an ihm hinauf)
Da kam der Landvogt gegen mich daher,
Er ganz allein mit mir, der auch allein war,
Bloß Menſch zu Menſch und neben uns der Abgrund.
Und als der Herre mein anſichtig ward,
Und mich erkannte, den er kurz zuvor
Um kleiner Urſach’ willen ſchwer gebuͤßt,
Und ſah mich mit dem ſtattlichen Gewehr
Daher geſchritten kommen, da verblaßt’ er,
Die Knie verſagten ihm, ich ſah es kommen,
Daß er jezt an die Felswand wuͤrde ſinken.
— Da jammerte mich ſein, ich trat zu ihm
Beſcheidentlich und ſprach: Ich bin’s, Herr Landvogt.
Er aber konnte keinen armen Laut
Aus ſeinem Munde geben — Mit der Hand nur
Winkt’ er mir ſchweigend, meines Wegs zu gehn,
Da gieng ich fort, und ſandt’ ihm ſein Gefolge.
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_tell_1804/124>, abgerufen am 25.07.2024. |