Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Sich bloß zu stellen -- So vergönne mir,
Dem alten Manne, den am Grabesrand
Kein irdisch Hoffen mehr verführen kann,
Daß ich die Aufgegebene beschütze.
Man soll nicht sagen, daß in deinem Staatsrath
Die Leidenschaft, die Selbstsucht eine Stimme
Gehabt, nur die Barmherzigkeit geschwiegen.
Verbündet hat sich alles wider sie,
Du selber hast ihr Antlitz nie gesehn,
Nichts spricht in deinem Herzen für die Fremde.
-- Nicht ihrer Schuld red' ich das Wort. Man sagt,
Sie habe den Gemahl ermorden lassen,
Wahr ist's, daß sie den Mörder ehlichte.
Ein schwer Verbrechen! -- Aber es geschah
In einer finster unglücksvollen Zeit,
Im Angstgedränge bürgerlichen Kriegs,
Wo sie, die Schwache, sich umrungen sah
Von heftigdringenden Vasallen, sich
Dem Muthvollstärksten in die Arme warf --
Wer weiß durch welcher Künste Macht besiegt?
Denn ein gebrechlich Wesen ist das Weib.

Elisabeth.
Das Weib ist nicht schwach. Es giebt starke Seelen
In dem Geschlecht -- Ich will in meinem Beiseyn
Nichts von der Schwäche des Geschlechtes hören.

Sich bloß zu ſtellen — So vergoͤnne mir,
Dem alten Manne, den am Grabesrand
Kein irdiſch Hoffen mehr verfuͤhren kann,
Daß ich die Aufgegebene beſchuͤtze.
Man ſoll nicht ſagen, daß in deinem Staatsrath
Die Leidenſchaft, die Selbſtſucht eine Stimme
Gehabt, nur die Barmherzigkeit geſchwiegen.
Verbuͤndet hat ſich alles wider ſie,
Du ſelber haſt ihr Antlitz nie geſehn,
Nichts ſpricht in deinem Herzen fuͤr die Fremde.
— Nicht ihrer Schuld red' ich das Wort. Man ſagt,
Sie habe den Gemahl ermorden laſſen,
Wahr iſt's, daß ſie den Moͤrder ehlichte.
Ein ſchwer Verbrechen! — Aber es geſchah
In einer finſter ungluͤcksvollen Zeit,
Im Angſtgedraͤnge buͤrgerlichen Kriegs,
Wo ſie, die Schwache, ſich umrungen ſah
Von heftigdringenden Vaſallen, ſich
Dem Muthvollſtaͤrkſten in die Arme warf —
Wer weiß durch welcher Kuͤnſte Macht beſiegt?
Denn ein gebrechlich Weſen iſt das Weib.

Eliſabeth.
Das Weib iſt nicht ſchwach. Es giebt ſtarke Seelen
In dem Geſchlecht — Ich will in meinem Beiſeyn
Nichts von der Schwaͤche des Geſchlechtes hoͤren.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#TALBGRA">
            <p><pb facs="#f0082" n="76"/>
Sich bloß zu &#x017F;tellen &#x2014; So vergo&#x0364;nne mir,<lb/>
Dem alten Manne, den am Grabesrand<lb/>
Kein irdi&#x017F;ch Hoffen mehr verfu&#x0364;hren kann,<lb/>
Daß ich die Aufgegebene be&#x017F;chu&#x0364;tze.<lb/>
Man &#x017F;oll nicht &#x017F;agen, daß in deinem Staatsrath<lb/>
Die Leiden&#x017F;chaft, die Selb&#x017F;t&#x017F;ucht eine Stimme<lb/>
Gehabt, nur die Barmherzigkeit ge&#x017F;chwiegen.<lb/>
Verbu&#x0364;ndet hat &#x017F;ich alles wider &#x017F;ie,<lb/>
Du &#x017F;elber ha&#x017F;t ihr Antlitz nie ge&#x017F;ehn,<lb/>
Nichts &#x017F;pricht in deinem Herzen fu&#x0364;r die Fremde.<lb/>
&#x2014; Nicht ihrer Schuld red' ich das Wort. Man &#x017F;agt,<lb/>
Sie habe den Gemahl ermorden la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
Wahr i&#x017F;t's, daß &#x017F;ie den Mo&#x0364;rder ehlichte.<lb/>
Ein &#x017F;chwer Verbrechen! &#x2014; Aber es ge&#x017F;chah<lb/>
In einer fin&#x017F;ter unglu&#x0364;cksvollen Zeit,<lb/>
Im Ang&#x017F;tgedra&#x0364;nge bu&#x0364;rgerlichen Kriegs,<lb/>
Wo &#x017F;ie, die Schwache, &#x017F;ich umrungen &#x017F;ah<lb/>
Von heftigdringenden Va&#x017F;allen, &#x017F;ich<lb/>
Dem Muthvoll&#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten in die Arme warf &#x2014;<lb/>
Wer weiß durch welcher Ku&#x0364;n&#x017F;te Macht be&#x017F;iegt?<lb/>
Denn ein gebrechlich We&#x017F;en i&#x017F;t das Weib.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#ELI">
            <speaker><hi rendition="#g">Eli&#x017F;abeth</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Das Weib i&#x017F;t nicht &#x017F;chwach. Es giebt &#x017F;tarke Seelen<lb/>
In dem Ge&#x017F;chlecht &#x2014; Ich will in meinem Bei&#x017F;eyn<lb/>
Nichts von der Schwa&#x0364;che des Ge&#x017F;chlechtes ho&#x0364;ren.</p><lb/>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0082] Sich bloß zu ſtellen — So vergoͤnne mir, Dem alten Manne, den am Grabesrand Kein irdiſch Hoffen mehr verfuͤhren kann, Daß ich die Aufgegebene beſchuͤtze. Man ſoll nicht ſagen, daß in deinem Staatsrath Die Leidenſchaft, die Selbſtſucht eine Stimme Gehabt, nur die Barmherzigkeit geſchwiegen. Verbuͤndet hat ſich alles wider ſie, Du ſelber haſt ihr Antlitz nie geſehn, Nichts ſpricht in deinem Herzen fuͤr die Fremde. — Nicht ihrer Schuld red' ich das Wort. Man ſagt, Sie habe den Gemahl ermorden laſſen, Wahr iſt's, daß ſie den Moͤrder ehlichte. Ein ſchwer Verbrechen! — Aber es geſchah In einer finſter ungluͤcksvollen Zeit, Im Angſtgedraͤnge buͤrgerlichen Kriegs, Wo ſie, die Schwache, ſich umrungen ſah Von heftigdringenden Vaſallen, ſich Dem Muthvollſtaͤrkſten in die Arme warf — Wer weiß durch welcher Kuͤnſte Macht beſiegt? Denn ein gebrechlich Weſen iſt das Weib. Eliſabeth. Das Weib iſt nicht ſchwach. Es giebt ſtarke Seelen In dem Geſchlecht — Ich will in meinem Beiſeyn Nichts von der Schwaͤche des Geſchlechtes hoͤren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/82
Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/82>, abgerufen am 30.04.2024.