Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.
Mein höchstes Gut, hingeben für mein Volk, Und der Gebieter wird mir aufgedrungen. Es zeigt mir dadurch an, daß ich ihm nur Ein Weib bin, und ich meinte doch, regiert Zu haben, wie ein Mann, und wie ein König. Wohl weiß ich, daß man Gott nicht dient, wenn man Die Ordnung der Natur verläßt, und Lob Verdienen sie, die vor mir hier gewaltet, Daß sie die Klöster aufgethan, und tausend Schlachtopfer einer falschverstandnen Andacht Den Pflichten der Natur zurückgegeben. Doch eine Königin, die ihre Tage Nicht ungenützt in müßiger Beschauung Verbringt, die unverdrossen, unermüdet, Die schwerste aller Pflichten übt, die sollte Von dem Naturzweck ausgenommen seyn, Der Eine Hälfte des Geschlechts der Menschen Der andern unterwürfig macht --. Aubespine. Jedwede Tugend, Königin, hast du Auf deinem Thron verherrlicht, nichts ist übrig, Als dem Geschlechte, dessen Ruhm du bist, Auch noch in seinen eigensten Verdiensten Als Muster vorzuleuchten. Freilich lebt Kein Mann auf Erden, der es würdig ist, Daß du die Freiheit ihm zum Opfer brächtest.
Mein hoͤchſtes Gut, hingeben fuͤr mein Volk, Und der Gebieter wird mir aufgedrungen. Es zeigt mir dadurch an, daß ich ihm nur Ein Weib bin, und ich meinte doch, regiert Zu haben, wie ein Mann, und wie ein Koͤnig. Wohl weiß ich, daß man Gott nicht dient, wenn man Die Ordnung der Natur verlaͤßt, und Lob Verdienen ſie, die vor mir hier gewaltet, Daß ſie die Kloͤſter aufgethan, und tauſend Schlachtopfer einer falſchverſtandnen Andacht Den Pflichten der Natur zuruͤckgegeben. Doch eine Koͤnigin, die ihre Tage Nicht ungenuͤtzt in muͤßiger Beſchauung Verbringt, die unverdroſſen, unermuͤdet, Die ſchwerſte aller Pflichten uͤbt, die ſollte Von dem Naturzweck ausgenommen ſeyn, Der Eine Haͤlfte des Geſchlechts der Menſchen Der andern unterwuͤrfig macht —. Aubeſpine. Jedwede Tugend, Koͤnigin, haſt du Auf deinem Thron verherrlicht, nichts iſt uͤbrig, Als dem Geſchlechte, deſſen Ruhm du biſt, Auch noch in ſeinen eigenſten Verdienſten Als Muſter vorzuleuchten. Freilich lebt Kein Mann auf Erden, der es wuͤrdig iſt, Daß du die Freiheit ihm zum Opfer braͤchteſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#ELI"> <p><pb facs="#f0073" n="67"/> Mein hoͤchſtes Gut, hingeben fuͤr mein Volk,<lb/> Und der Gebieter wird mir aufgedrungen.<lb/> Es zeigt mir dadurch an, daß ich ihm nur<lb/> Ein Weib bin, und ich meinte doch, regiert<lb/> Zu haben, wie ein Mann, und wie ein Koͤnig.<lb/> Wohl weiß ich, daß man Gott nicht dient, wenn man<lb/> Die Ordnung der Natur verlaͤßt, und Lob<lb/> Verdienen ſie, die vor mir hier gewaltet,<lb/> Daß ſie die Kloͤſter aufgethan, und tauſend<lb/> Schlachtopfer einer falſchverſtandnen Andacht<lb/> Den Pflichten der Natur zuruͤckgegeben.<lb/> Doch eine Koͤnigin, die ihre Tage<lb/> Nicht ungenuͤtzt in muͤßiger Beſchauung<lb/> Verbringt, die unverdroſſen, unermuͤdet,<lb/> Die ſchwerſte aller Pflichten uͤbt, <hi rendition="#g">die</hi> ſollte<lb/> Von dem Naturzweck ausgenommen ſeyn,<lb/> Der Eine Haͤlfte des Geſchlechts der Menſchen<lb/> Der andern unterwuͤrfig macht —.</p><lb/> </sp> <sp who="#AUBGRA"> <speaker><hi rendition="#g">Aubeſpine</hi>.</speaker><lb/> <p>Jedwede Tugend, Koͤnigin, haſt du<lb/> Auf deinem Thron verherrlicht, nichts iſt uͤbrig,<lb/> Als dem Geſchlechte, deſſen Ruhm du biſt,<lb/> Auch noch in ſeinen eigenſten Verdienſten<lb/> Als Muſter vorzuleuchten. Freilich lebt<lb/> Kein Mann auf Erden, der es wuͤrdig iſt,<lb/> Daß du die Freiheit ihm zum Opfer braͤchteſt.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [67/0073]
Mein hoͤchſtes Gut, hingeben fuͤr mein Volk,
Und der Gebieter wird mir aufgedrungen.
Es zeigt mir dadurch an, daß ich ihm nur
Ein Weib bin, und ich meinte doch, regiert
Zu haben, wie ein Mann, und wie ein Koͤnig.
Wohl weiß ich, daß man Gott nicht dient, wenn man
Die Ordnung der Natur verlaͤßt, und Lob
Verdienen ſie, die vor mir hier gewaltet,
Daß ſie die Kloͤſter aufgethan, und tauſend
Schlachtopfer einer falſchverſtandnen Andacht
Den Pflichten der Natur zuruͤckgegeben.
Doch eine Koͤnigin, die ihre Tage
Nicht ungenuͤtzt in muͤßiger Beſchauung
Verbringt, die unverdroſſen, unermuͤdet,
Die ſchwerſte aller Pflichten uͤbt, die ſollte
Von dem Naturzweck ausgenommen ſeyn,
Der Eine Haͤlfte des Geſchlechts der Menſchen
Der andern unterwuͤrfig macht —.
Aubeſpine.
Jedwede Tugend, Koͤnigin, haſt du
Auf deinem Thron verherrlicht, nichts iſt uͤbrig,
Als dem Geſchlechte, deſſen Ruhm du biſt,
Auch noch in ſeinen eigenſten Verdienſten
Als Muſter vorzuleuchten. Freilich lebt
Kein Mann auf Erden, der es wuͤrdig iſt,
Daß du die Freiheit ihm zum Opfer braͤchteſt.
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Zitationshilfe: | Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/73>, abgerufen am 25.07.2024. |