Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Dem Trieb der Großmuth folg' ich, setze mich
Gerechtem Tadel aus, daß ich so weit
Herunter steige -- denn ihr wißt,
Daß ihr mich habt ermorden lassen wollen.

Maria.
Womit soll ich den Anfang machen, wie
Die Worte klüglich stellen, daß sie euch
Das Herz ergreifen, aber nicht verletzen!
O Gott, gieb meiner Rede Kraft, und nimm
Ihr jeden Stachel, der verwunden könnte!
Kann ich doch für mich selbst nicht sprechen, ohne euch
Schwer zu verklagen, und das will ich nicht.
-- Ihr habt an mir gehandelt, wie nicht recht ist,
Denn ich bin eine Königin wie ihr,
Und ihr habt als Gefangne mich gehalten,
Ich kam zu euch als eine Bittende,
Und ihr, des Gastrechts heilige Gesetze,
Der Völker heilig Recht in mir verhöhnend,
Schloßt mich in Kerkermauern ein, die Freunde,
Die Diener werden grausam mir entrissen,
Unwürd'gem Mangel werd' ich preiß gegeben,
Man stellt mich vor ein schimpfliches Gericht --
Nichts mehr davon! Ein ewiges Vergessen
Bedecke, was ich grausames erlitt.
-- Seht! Ich will alles eine Schickung nennen,
9
Dem Trieb der Großmuth folg' ich, ſetze mich
Gerechtem Tadel aus, daß ich ſo weit
Herunter ſteige — denn ihr wißt,
Daß ihr mich habt ermorden laſſen wollen.

Maria.
Womit ſoll ich den Anfang machen, wie
Die Worte kluͤglich ſtellen, daß ſie euch
Das Herz ergreifen, aber nicht verletzen!
O Gott, gieb meiner Rede Kraft, und nimm
Ihr jeden Stachel, der verwunden koͤnnte!
Kann ich doch fuͤr mich ſelbſt nicht ſprechen, ohne euch
Schwer zu verklagen, und das will ich nicht.
— Ihr habt an mir gehandelt, wie nicht recht iſt,
Denn ich bin eine Koͤnigin wie ihr,
Und ihr habt als Gefangne mich gehalten,
Ich kam zu euch als eine Bittende,
Und ihr, des Gaſtrechts heilige Geſetze,
Der Voͤlker heilig Recht in mir verhoͤhnend,
Schloßt mich in Kerkermauern ein, die Freunde,
Die Diener werden grauſam mir entriſſen,
Unwuͤrd'gem Mangel werd' ich preiß gegeben,
Man ſtellt mich vor ein ſchimpfliches Gericht —
Nichts mehr davon! Ein ewiges Vergeſſen
Bedecke, was ich grauſames erlitt.
— Seht! Ich will alles eine Schickung nennen,
9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#ELI">
            <p><pb facs="#f0135" n="129"/>
Dem Trieb der Großmuth folg' ich, &#x017F;etze mich<lb/>
Gerechtem <hi rendition="#g">Tadel</hi> aus, daß ich &#x017F;o weit<lb/>
Herunter &#x017F;teige &#x2014; denn ihr wißt,<lb/>
Daß ihr mich habt ermorden la&#x017F;&#x017F;en wollen.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MARSTUA">
            <speaker><hi rendition="#g">Maria</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Womit &#x017F;oll ich den Anfang machen, wie<lb/>
Die Worte klu&#x0364;glich &#x017F;tellen, daß &#x017F;ie euch<lb/>
Das Herz ergreifen, aber nicht verletzen!<lb/>
O Gott, gieb meiner Rede Kraft, und nimm<lb/>
Ihr jeden Stachel, der verwunden ko&#x0364;nnte!<lb/>
Kann ich doch fu&#x0364;r mich &#x017F;elb&#x017F;t nicht &#x017F;prechen, ohne euch<lb/>
Schwer zu verklagen, und das will ich nicht.<lb/>
&#x2014; Ihr habt an mir gehandelt, wie nicht recht i&#x017F;t,<lb/>
Denn ich bin eine Ko&#x0364;nigin wie ihr,<lb/>
Und ihr habt als Gefangne mich gehalten,<lb/>
Ich kam zu euch als eine Bittende,<lb/>
Und ihr, des Ga&#x017F;trechts heilige Ge&#x017F;etze,<lb/>
Der Vo&#x0364;lker heilig Recht in mir verho&#x0364;hnend,<lb/>
Schloßt mich in Kerkermauern ein, die Freunde,<lb/>
Die Diener werden grau&#x017F;am mir entri&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
Unwu&#x0364;rd'gem Mangel werd' ich preiß gegeben,<lb/>
Man &#x017F;tellt mich vor ein &#x017F;chimpfliches Gericht &#x2014;<lb/>
Nichts mehr davon! Ein ewiges Verge&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Bedecke, was ich grau&#x017F;ames erlitt.<lb/>
&#x2014; Seht! Ich will alles eine Schickung nennen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0135] Dem Trieb der Großmuth folg' ich, ſetze mich Gerechtem Tadel aus, daß ich ſo weit Herunter ſteige — denn ihr wißt, Daß ihr mich habt ermorden laſſen wollen. Maria. Womit ſoll ich den Anfang machen, wie Die Worte kluͤglich ſtellen, daß ſie euch Das Herz ergreifen, aber nicht verletzen! O Gott, gieb meiner Rede Kraft, und nimm Ihr jeden Stachel, der verwunden koͤnnte! Kann ich doch fuͤr mich ſelbſt nicht ſprechen, ohne euch Schwer zu verklagen, und das will ich nicht. — Ihr habt an mir gehandelt, wie nicht recht iſt, Denn ich bin eine Koͤnigin wie ihr, Und ihr habt als Gefangne mich gehalten, Ich kam zu euch als eine Bittende, Und ihr, des Gaſtrechts heilige Geſetze, Der Voͤlker heilig Recht in mir verhoͤhnend, Schloßt mich in Kerkermauern ein, die Freunde, Die Diener werden grauſam mir entriſſen, Unwuͤrd'gem Mangel werd' ich preiß gegeben, Man ſtellt mich vor ein ſchimpfliches Gericht — Nichts mehr davon! Ein ewiges Vergeſſen Bedecke, was ich grauſames erlitt. — Seht! Ich will alles eine Schickung nennen, 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/135
Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/135>, abgerufen am 05.05.2024.