Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Leicester.
Jetzt trinkt sie auch den bittern Kelch des Leidens.
Elisabeth.
Sie hat der Menschen Urtheil nichts geachtet.
Leicht wurd' es ihr zu leben, nimmer lud sie
Das Joch sich auf, dem ich mich unterwarf.
Hätt' ich doch auch Ansprüche machen können,
Des Lebens mich, der Erde Lust zu freun,
Doch zog ich strenge Königspflichten vor.
Und doch gewann sie aller Männer Gunst,
Weil sie sich nur befliß, ein Weib zu seyn,
Und um sie buhlt die Jugend und das Alter.
So sind die Männer. Lüstlinge sind alle!
Dem Leichtsinn eilen sie, der Freude zu,
Und schätzen nichts, was sie verehren müssen.
Verjüngte sich nicht dieser Talbot selbst,
Als er auf ihren Reiz zu reden kam!

Leicester.
Vergieb es ihm. Er war ihr Wächter einst,
Die List'ge hat mit Schmeicheln ihn bethört.

Elisabeth.
Und ist's denn wirklich wahr, daß sie so schön ist?
So oft mußt' ich die Larve rühmen hören,
Wohl möcht' ich wissen, was zu glauben ist.
Gemählde schmeicheln, Schilderungen lügen,
Leiceſter.
Jetzt trinkt ſie auch den bittern Kelch des Leidens.
Eliſabeth.
Sie hat der Menſchen Urtheil nichts geachtet.
Leicht wurd' es ihr zu leben, nimmer lud ſie
Das Joch ſich auf, dem ich mich unterwarf.
Haͤtt' ich doch auch Anſpruͤche machen koͤnnen,
Des Lebens mich, der Erde Luſt zu freun,
Doch zog ich ſtrenge Koͤnigspflichten vor.
Und doch gewann ſie aller Maͤnner Gunſt,
Weil ſie ſich nur befliß, ein Weib zu ſeyn,
Und um ſie buhlt die Jugend und das Alter.
So ſind die Maͤnner. Luͤſtlinge ſind alle!
Dem Leichtſinn eilen ſie, der Freude zu,
Und ſchaͤtzen nichts, was ſie verehren muͤſſen.
Verjuͤngte ſich nicht dieſer Talbot ſelbſt,
Als er auf ihren Reiz zu reden kam!

Leiceſter.
Vergieb es ihm. Er war ihr Waͤchter einſt,
Die Liſt'ge hat mit Schmeicheln ihn bethoͤrt.

Eliſabeth.
Und iſt's denn wirklich wahr, daß ſie ſo ſchoͤn iſt?
So oft mußt' ich die Larve ruͤhmen hoͤren,
Wohl moͤcht' ich wiſſen, was zu glauben iſt.
Gemaͤhlde ſchmeicheln, Schilderungen luͤgen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0117" n="111"/>
          <sp who="#LEIGRA">
            <speaker><hi rendition="#g">Leice&#x017F;ter</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Jetzt trinkt &#x017F;ie auch den bittern Kelch des Leidens.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#ELI">
            <speaker><hi rendition="#g">Eli&#x017F;abeth</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Sie hat der Men&#x017F;chen Urtheil nichts geachtet.<lb/>
Leicht wurd' es ihr zu leben, nimmer lud &#x017F;ie<lb/>
Das Joch &#x017F;ich auf, dem <hi rendition="#g">ich</hi> mich unterwarf.<lb/>
Ha&#x0364;tt' ich doch auch An&#x017F;pru&#x0364;che machen ko&#x0364;nnen,<lb/>
Des Lebens mich, der Erde Lu&#x017F;t zu freun,<lb/>
Doch zog ich &#x017F;trenge Ko&#x0364;nigspflichten vor.<lb/>
Und doch gewann &#x017F;ie aller Ma&#x0364;nner Gun&#x017F;t,<lb/>
Weil &#x017F;ie &#x017F;ich nur befliß, ein Weib zu &#x017F;eyn,<lb/>
Und um &#x017F;ie buhlt die Jugend und das Alter.<lb/>
So &#x017F;ind die Ma&#x0364;nner. Lu&#x0364;&#x017F;tlinge &#x017F;ind alle!<lb/>
Dem Leicht&#x017F;inn eilen &#x017F;ie, der Freude zu,<lb/>
Und &#x017F;cha&#x0364;tzen nichts, was &#x017F;ie verehren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Verju&#x0364;ngte &#x017F;ich nicht die&#x017F;er Talbot &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
Als er auf ihren Reiz zu reden kam!</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LEIGRA">
            <speaker><hi rendition="#g">Leice&#x017F;ter</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Vergieb es ihm. Er war ihr Wa&#x0364;chter ein&#x017F;t,<lb/>
Die Li&#x017F;t'ge hat mit Schmeicheln ihn betho&#x0364;rt.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#ELI">
            <speaker><hi rendition="#g">Eli&#x017F;abeth</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Und i&#x017F;t's denn wirklich wahr, daß &#x017F;ie &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n i&#x017F;t?<lb/>
So oft mußt' ich die Larve ru&#x0364;hmen ho&#x0364;ren,<lb/>
Wohl mo&#x0364;cht' ich wi&#x017F;&#x017F;en, was zu glauben i&#x017F;t.<lb/>
Gema&#x0364;hlde &#x017F;chmeicheln, Schilderungen lu&#x0364;gen,<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0117] Leiceſter. Jetzt trinkt ſie auch den bittern Kelch des Leidens. Eliſabeth. Sie hat der Menſchen Urtheil nichts geachtet. Leicht wurd' es ihr zu leben, nimmer lud ſie Das Joch ſich auf, dem ich mich unterwarf. Haͤtt' ich doch auch Anſpruͤche machen koͤnnen, Des Lebens mich, der Erde Luſt zu freun, Doch zog ich ſtrenge Koͤnigspflichten vor. Und doch gewann ſie aller Maͤnner Gunſt, Weil ſie ſich nur befliß, ein Weib zu ſeyn, Und um ſie buhlt die Jugend und das Alter. So ſind die Maͤnner. Luͤſtlinge ſind alle! Dem Leichtſinn eilen ſie, der Freude zu, Und ſchaͤtzen nichts, was ſie verehren muͤſſen. Verjuͤngte ſich nicht dieſer Talbot ſelbſt, Als er auf ihren Reiz zu reden kam! Leiceſter. Vergieb es ihm. Er war ihr Waͤchter einſt, Die Liſt'ge hat mit Schmeicheln ihn bethoͤrt. Eliſabeth. Und iſt's denn wirklich wahr, daß ſie ſo ſchoͤn iſt? So oft mußt' ich die Larve ruͤhmen hoͤren, Wohl moͤcht' ich wiſſen, was zu glauben iſt. Gemaͤhlde ſchmeicheln, Schilderungen luͤgen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/117
Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/117>, abgerufen am 05.05.2024.