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Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

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schaft, und diese abscheuliche Opferung mußte auf-
hören.

Ferdinand. (rennt in der heftigsten Unruhe durch
den Saal)
Nichts mehr Milady! Nicht weiter!

Lady. Diese traurige Periode hatte einer noch
traurigern Plaz gemacht. Hof und Serail wimmel-
ten jezt von Italiens Auswurf. Flatterhafte Pari-
serinnen tändelten mit dem furchtbaren Zepter, und
das Volk blutete unter ihren Launen -- Sie alle er-
lebten ihren Tag. Ich sah sie neben mir in den
Staub sinken, denn ich war mehr Kokette, als sie
alle. Ich nahm dem Tyrannen den Zügel ab, der
wollüstig in meiner Umarmung erschlappte -- dein
Vaterland, Walter, fühlte zum erstenmal eine Men-
schenhand, und sank vertrauend an meinen Busen.
(Pause, worinn sie ihn schmelzend ansieht) O daß der Mann,
von dem ich allein nicht verkannt seyn möchte, mich
jezt zwingen muß, groß zu pralen, und meine stille
Tugend am Licht der Bewunderung zu versengen! --
Walter, ich habe Kerker gesprengt -- habe Todesur-
theile zerrissen, und manche entsezliche Ewigkeit auf
Galeeren verkürzt. In unheilbare Wunden hab ich
doch wenigstens stillenden Balsam gegossen -- mäch-
tige Frevler in Staub gelegt, und die verlorne
Sache der Unschuld oft noch mit einer bulerischen
Träne gerettet -- Ha Jüngling! wie süß war mir
das! Wie stolz konnte mein Herz jede Anklage mei-
ner fürstlichen Geburt widerlegen! -- Und jezt
kommt der Mann, der allein mir das alles belo-
nen
ſchaft, und dieſe abſcheuliche Opferung mußte auf-
hoͤren.

Ferdinand. (rennt in der heftigſten Unruhe durch
den Saal)
Nichts mehr Milady! Nicht weiter!

Lady. Dieſe traurige Periode hatte einer noch
traurigern Plaz gemacht. Hof und Serail wimmel-
ten jezt von Italiens Auswurf. Flatterhafte Pari-
ſerinnen taͤndelten mit dem furchtbaren Zepter, und
das Volk blutete unter ihren Launen — Sie alle er-
lebten ihren Tag. Ich ſah ſie neben mir in den
Staub ſinken, denn ich war mehr Kokette, als ſie
alle. Ich nahm dem Tyrannen den Zuͤgel ab, der
wolluͤſtig in meiner Umarmung erſchlappte — dein
Vaterland, Walter, fuͤhlte zum erſtenmal eine Men-
ſchenhand, und ſank vertrauend an meinen Buſen.
(Pauſe, worinn ſie ihn ſchmelzend anſieht) O daß der Mann,
von dem ich allein nicht verkannt ſeyn moͤchte, mich
jezt zwingen muß, groß zu pralen, und meine ſtille
Tugend am Licht der Bewunderung zu verſengen! —
Walter, ich habe Kerker geſprengt — habe Todesur-
theile zerriſſen, und manche entſezliche Ewigkeit auf
Galeeren verkuͤrzt. In unheilbare Wunden hab ich
doch wenigſtens ſtillenden Balſam gegoſſen — maͤch-
tige Frevler in Staub gelegt, und die verlorne
Sache der Unſchuld oft noch mit einer buleriſchen
Traͤne gerettet — Ha Juͤngling! wie ſuͤß war mir
das! Wie ſtolz konnte mein Herz jede Anklage mei-
ner fuͤrſtlichen Geburt widerlegen! — Und jezt
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[50/0054] ſchaft, und dieſe abſcheuliche Opferung mußte auf- hoͤren. Ferdinand. (rennt in der heftigſten Unruhe durch den Saal) Nichts mehr Milady! Nicht weiter! Lady. Dieſe traurige Periode hatte einer noch traurigern Plaz gemacht. Hof und Serail wimmel- ten jezt von Italiens Auswurf. Flatterhafte Pari- ſerinnen taͤndelten mit dem furchtbaren Zepter, und das Volk blutete unter ihren Launen — Sie alle er- lebten ihren Tag. Ich ſah ſie neben mir in den Staub ſinken, denn ich war mehr Kokette, als ſie alle. Ich nahm dem Tyrannen den Zuͤgel ab, der wolluͤſtig in meiner Umarmung erſchlappte — dein Vaterland, Walter, fuͤhlte zum erſtenmal eine Men- ſchenhand, und ſank vertrauend an meinen Buſen. (Pauſe, worinn ſie ihn ſchmelzend anſieht) O daß der Mann, von dem ich allein nicht verkannt ſeyn moͤchte, mich jezt zwingen muß, groß zu pralen, und meine ſtille Tugend am Licht der Bewunderung zu verſengen! — Walter, ich habe Kerker geſprengt — habe Todesur- theile zerriſſen, und manche entſezliche Ewigkeit auf Galeeren verkuͤrzt. In unheilbare Wunden hab ich doch wenigſtens ſtillenden Balſam gegoſſen — maͤch- tige Frevler in Staub gelegt, und die verlorne Sache der Unſchuld oft noch mit einer buleriſchen Traͤne gerettet — Ha Juͤngling! wie ſuͤß war mir das! Wie ſtolz konnte mein Herz jede Anklage mei- ner fuͤrſtlichen Geburt widerlegen! — Und jezt kommt der Mann, der allein mir das alles belo- nen

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/54>, abgerufen am 24.11.2024.