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Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

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den Brüsten der Majestät trinken, kommt die Favo-
ritin am schlechtesten weg, weil sie allein dem großen
und reichen Mann auf dem Bettelstabe begegnet --
Wahr ists, er kann mit dem Talisman seiner Größe
jeden Gelust meines Herzens, wie ein Feenschloß,
aus der Erde rufen. -- Er sezt den Saft von
zwei Indien auf die Tafel -- ruft Paradiese aus
Wildnißen -- läßt die Quellen seines Landes in stol-
zen Bögen gen Himmel springen, oder das Mark
seiner Unterthanen in einem Feuerwerk hinpuffen --
-- Aber kann er auch seinem Herzen befehlen, ge-
gen ein großes feuriges Herz groß und feurig zu
schlagen? Kann er sein darbendes Gehirn auf ein
einziges schönes Gefül exequieren? -- Mein Herz
hungert bei all dem Vollauf der Sinne, und was
helfen mich tausend beßre Empfindungen, wo ich
nur Wallungen löschen darf?

Sophie. (blikt sie verwundernd an) Wie lang
ist es denn aber, daß ich Ihnen diene, Milady?

Lady. Weil du erst heute mit mir bekannt
wirst? -- Es ist wahr, liebe Sophie -- ich habe
dem Fürsten meine Ehre verkauft, aber mein Herz
habe ich frei behalten -- ein Herz, meine Gute, das
vielleicht eines Mannes noch werth ist -- über wel-
ches der giftige Wind des Hofes nur wie der Hauch
über den Spiegel gieng -- Trau es mir zu, meine
Liebe, daß ich es längst gegen diesen armseligen Für-
sten behauptet hätte, wenn ich es nur von meinem
Ehrgeiz erhalten könnte, einer Dame am Hof den
Rang vor mir einzuräumen.
Sophie.
den Bruͤſten der Majeſtaͤt trinken, kommt die Favo-
ritin am ſchlechteſten weg, weil ſie allein dem großen
und reichen Mann auf dem Bettelſtabe begegnet —
Wahr iſts, er kann mit dem Talisman ſeiner Groͤße
jeden Geluſt meines Herzens, wie ein Feenſchloß,
aus der Erde rufen. — Er ſezt den Saft von
zwei Indien auf die Tafel — ruft Paradieſe aus
Wildnißen — laͤßt die Quellen ſeines Landes in ſtol-
zen Boͤgen gen Himmel ſpringen, oder das Mark
ſeiner Unterthanen in einem Feuerwerk hinpuffen —
— Aber kann er auch ſeinem Herzen befehlen, ge-
gen ein großes feuriges Herz groß und feurig zu
ſchlagen? Kann er ſein darbendes Gehirn auf ein
einziges ſchoͤnes Gefuͤl exequieren? — Mein Herz
hungert bei all dem Vollauf der Sinne, und was
helfen mich tauſend beßre Empfindungen, wo ich
nur Wallungen loͤſchen darf?

Sophie. (blikt ſie verwundernd an) Wie lang
iſt es denn aber, daß ich Ihnen diene, Milady?

Lady. Weil du erſt heute mit mir bekannt
wirſt? — Es iſt wahr, liebe Sophie — ich habe
dem Fuͤrſten meine Ehre verkauft, aber mein Herz
habe ich frei behalten — ein Herz, meine Gute, das
vielleicht eines Mannes noch werth iſt — uͤber wel-
ches der giftige Wind des Hofes nur wie der Hauch
uͤber den Spiegel gieng — Trau es mir zu, meine
Liebe, daß ich es laͤngſt gegen dieſen armſeligen Fuͤr-
ſten behauptet haͤtte, wenn ich es nur von meinem
Ehrgeiz erhalten koͤnnte, einer Dame am Hof den
Rang vor mir einzuraͤumen.
Sophie.
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[36/0040] den Bruͤſten der Majeſtaͤt trinken, kommt die Favo- ritin am ſchlechteſten weg, weil ſie allein dem großen und reichen Mann auf dem Bettelſtabe begegnet — Wahr iſts, er kann mit dem Talisman ſeiner Groͤße jeden Geluſt meines Herzens, wie ein Feenſchloß, aus der Erde rufen. — Er ſezt den Saft von zwei Indien auf die Tafel — ruft Paradieſe aus Wildnißen — laͤßt die Quellen ſeines Landes in ſtol- zen Boͤgen gen Himmel ſpringen, oder das Mark ſeiner Unterthanen in einem Feuerwerk hinpuffen — — Aber kann er auch ſeinem Herzen befehlen, ge- gen ein großes feuriges Herz groß und feurig zu ſchlagen? Kann er ſein darbendes Gehirn auf ein einziges ſchoͤnes Gefuͤl exequieren? — Mein Herz hungert bei all dem Vollauf der Sinne, und was helfen mich tauſend beßre Empfindungen, wo ich nur Wallungen loͤſchen darf? Sophie. (blikt ſie verwundernd an) Wie lang iſt es denn aber, daß ich Ihnen diene, Milady? Lady. Weil du erſt heute mit mir bekannt wirſt? — Es iſt wahr, liebe Sophie — ich habe dem Fuͤrſten meine Ehre verkauft, aber mein Herz habe ich frei behalten — ein Herz, meine Gute, das vielleicht eines Mannes noch werth iſt — uͤber wel- ches der giftige Wind des Hofes nur wie der Hauch uͤber den Spiegel gieng — Trau es mir zu, meine Liebe, daß ich es laͤngſt gegen dieſen armſeligen Fuͤr- ſten behauptet haͤtte, wenn ich es nur von meinem Ehrgeiz erhalten koͤnnte, einer Dame am Hof den Rang vor mir einzuraͤumen. Sophie.

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/40>, abgerufen am 28.03.2024.