Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
bretische vor Ihren Sofa sezen. Mir sollte der Fürst
und sein ganzer Hof zu Gebote stehn, und eine Gril-
le im Kopfe surren?

Lady. (wirft sich in den Sofa) Ich bitte, ver-
schone mich. Ich gebe dir einen Demant für jede
Stunde, wo ich sie mir vom Hals schaffen kann.
Soll ich meine Zimmer mit diesem Volk tapezieren?
-- Das sind schlechte erbärmliche Menschen, die sich
entsezen, wenn mir ein warmes herzliches Wort ent-
wischt, Mund und Nasen aufreissen, als sähen sie
einen Geist -- Sklaven eines einzigen Marionetten-
draths, den ich leichter als mein Filet regiere. --
Was fang ich mit Leuten an, deren Seelen so gleich
als ihre Sakuhren gehen? Kann ich eine Freude
dran finden, sie was zu fragen, wenn ich voraus
weis, was sie mir antworten werden? Oder Worte
mit ihnen wechseln, wenn sie das Herz nicht haben,
andrer Meynung als ich zu seyn? -- Weg mit ih-
nen! Es ist verdrüßlich, ein Roß zu reiten, das
nicht auch in den Zügel beißt. (sie tritt zum Fenster.)
Sophie. Aber den Fürsten werden Sie doch
ausnehmen Lady? Den schönsten Mann -- den feu-
rigsten Liebhaber -- den wizigsten Kopf in seinem
ganzen Lande!

Lady. (kommt zurük) Denn es ist sein Land
-- und nur ein Fürstenthum, Sophie, kann mei-
nem Geschmak zur erträglichen Ausrede dienen --
Du sagst, man beneide mich. Armes Ding! Be-
klagen soll man mich vielmehr. Unter allen, die an
den
C 2
bretiſche vor Ihren Sofa ſezen. Mir ſollte der Fuͤrſt
und ſein ganzer Hof zu Gebote ſtehn, und eine Gril-
le im Kopfe ſurren?

Lady. (wirft ſich in den Sofa) Ich bitte, ver-
ſchone mich. Ich gebe dir einen Demant fuͤr jede
Stunde, wo ich ſie mir vom Hals ſchaffen kann.
Soll ich meine Zimmer mit dieſem Volk tapezieren?
— Das ſind ſchlechte erbaͤrmliche Menſchen, die ſich
entſezen, wenn mir ein warmes herzliches Wort ent-
wiſcht, Mund und Naſen aufreiſſen, als ſaͤhen ſie
einen Geiſt — Sklaven eines einzigen Marionetten-
draths, den ich leichter als mein Filet regiere. —
Was fang ich mit Leuten an, deren Seelen ſo gleich
als ihre Sakuhren gehen? Kann ich eine Freude
dran finden, ſie was zu fragen, wenn ich voraus
weis, was ſie mir antworten werden? Oder Worte
mit ihnen wechſeln, wenn ſie das Herz nicht haben,
andrer Meynung als ich zu ſeyn? — Weg mit ih-
nen! Es iſt verdruͤßlich, ein Roß zu reiten, das
nicht auch in den Zuͤgel beißt. (ſie tritt zum Fenſter.)
Sophie. Aber den Fuͤrſten werden Sie doch
ausnehmen Lady? Den ſchoͤnſten Mann — den feu-
rigſten Liebhaber — den wizigſten Kopf in ſeinem
ganzen Lande!

Lady. (kommt zuruͤk) Denn es iſt ſein Land
— und nur ein Fuͤrſtenthum, Sophie, kann mei-
nem Geſchmak zur ertraͤglichen Ausrede dienen —
Du ſagſt, man beneide mich. Armes Ding! Be-
klagen ſoll man mich vielmehr. Unter allen, die an
den
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#SOP">
            <p><pb facs="#f0039" n="35"/>
breti&#x017F;che vor Ihren Sofa &#x017F;ezen. Mir &#x017F;ollte der Fu&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
und &#x017F;ein ganzer Hof zu Gebote &#x017F;tehn, und eine Gril-<lb/>
le im Kopfe &#x017F;urren?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LAD">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Lady.</hi> </speaker>
            <p><stage>(wirft &#x017F;ich in den Sofa)</stage> Ich bitte, ver-<lb/>
&#x017F;chone mich. Ich gebe dir einen Demant fu&#x0364;r jede<lb/>
Stunde, wo ich &#x017F;ie mir vom Hals &#x017F;chaffen kann.<lb/>
Soll ich meine Zimmer mit die&#x017F;em Volk tapezieren?<lb/>
&#x2014; Das &#x017F;ind &#x017F;chlechte erba&#x0364;rmliche Men&#x017F;chen, die &#x017F;ich<lb/>
ent&#x017F;ezen, wenn mir ein warmes herzliches Wort ent-<lb/>
wi&#x017F;cht, Mund und Na&#x017F;en aufrei&#x017F;&#x017F;en, als &#x017F;a&#x0364;hen &#x017F;ie<lb/>
einen Gei&#x017F;t &#x2014; Sklaven eines einzigen Marionetten-<lb/>
draths, den ich leichter als mein Filet regiere. &#x2014;<lb/>
Was fang ich mit Leuten an, deren Seelen &#x017F;o gleich<lb/>
als ihre Sakuhren gehen? Kann ich eine Freude<lb/>
dran finden, &#x017F;ie was zu fragen, wenn ich voraus<lb/>
weis, was &#x017F;ie mir antworten werden? Oder Worte<lb/>
mit ihnen wech&#x017F;eln, wenn &#x017F;ie das Herz nicht haben,<lb/>
andrer Meynung als ich zu &#x017F;eyn? &#x2014; Weg mit ih-<lb/>
nen! Es i&#x017F;t verdru&#x0364;ßlich, ein Roß zu reiten, das<lb/>
nicht auch in den Zu&#x0364;gel beißt. <stage>(&#x017F;ie tritt zum Fen&#x017F;ter.)</stage></p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#SOP">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Sophie.</hi> </speaker>
            <p>Aber den Fu&#x0364;r&#x017F;ten werden Sie doch<lb/>
ausnehmen Lady? Den &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Mann &#x2014; den feu-<lb/>
rig&#x017F;ten Liebhaber &#x2014; den wizig&#x017F;ten Kopf in &#x017F;einem<lb/>
ganzen Lande!</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LAD">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Lady.</hi> </speaker>
            <p><stage>(kommt zuru&#x0364;k)</stage> Denn es i&#x017F;t <hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">&#x017F;ein</hi></hi> Land<lb/>
&#x2014; und nur ein Fu&#x0364;r&#x017F;tenthum, Sophie, kann mei-<lb/>
nem Ge&#x017F;chmak zur ertra&#x0364;glichen Ausrede dienen &#x2014;<lb/>
Du &#x017F;ag&#x017F;t, man beneide mich. Armes Ding! Be-<lb/>
klagen &#x017F;oll man mich vielmehr. Unter allen, die an<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0039] bretiſche vor Ihren Sofa ſezen. Mir ſollte der Fuͤrſt und ſein ganzer Hof zu Gebote ſtehn, und eine Gril- le im Kopfe ſurren? Lady. (wirft ſich in den Sofa) Ich bitte, ver- ſchone mich. Ich gebe dir einen Demant fuͤr jede Stunde, wo ich ſie mir vom Hals ſchaffen kann. Soll ich meine Zimmer mit dieſem Volk tapezieren? — Das ſind ſchlechte erbaͤrmliche Menſchen, die ſich entſezen, wenn mir ein warmes herzliches Wort ent- wiſcht, Mund und Naſen aufreiſſen, als ſaͤhen ſie einen Geiſt — Sklaven eines einzigen Marionetten- draths, den ich leichter als mein Filet regiere. — Was fang ich mit Leuten an, deren Seelen ſo gleich als ihre Sakuhren gehen? Kann ich eine Freude dran finden, ſie was zu fragen, wenn ich voraus weis, was ſie mir antworten werden? Oder Worte mit ihnen wechſeln, wenn ſie das Herz nicht haben, andrer Meynung als ich zu ſeyn? — Weg mit ih- nen! Es iſt verdruͤßlich, ein Roß zu reiten, das nicht auch in den Zuͤgel beißt. (ſie tritt zum Fenſter.) Sophie. Aber den Fuͤrſten werden Sie doch ausnehmen Lady? Den ſchoͤnſten Mann — den feu- rigſten Liebhaber — den wizigſten Kopf in ſeinem ganzen Lande! Lady. (kommt zuruͤk) Denn es iſt ſein Land — und nur ein Fuͤrſtenthum, Sophie, kann mei- nem Geſchmak zur ertraͤglichen Ausrede dienen — Du ſagſt, man beneide mich. Armes Ding! Be- klagen ſoll man mich vielmehr. Unter allen, die an den C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/39
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/39>, abgerufen am 24.11.2024.