Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.
klimmen, wirst du spielend, im Schlafe gehoben. Du bist im zwölften Jahre Fähndrich. Im zwanzig- sten Major. Ich hab es durchgesezt beim Fürsten. Du wirst die Uniform ausziehen, und in das Mi- nisterium eintreten. Der Fürst sprach vom Gehei- menrath -- Gesandschaften -- außerordentlichen Gnaden. Eine herrliche Aussicht dehnt sich vor dir. -- Die ebene Strasse zunächst nach dem Trone -- zum Trone selbst, wenn anders die Gewalt so viel werth ist, als ihre Zeichen -- das begeistert dich nicht? Ferdinand. Weil meine Begriffe von Größe und Glük nicht ganz die Ihrigen sind -- Ihre Glükseligkeit macht sich nur selten anders als durch Verderben bekannt. Neid, Furcht, Verwünschung sind die traurigen Spiegel, worinn sich die Hoheit eines Herrschers belächelt. -- Tränen, Flüche, Ver- zweiflung die entsezliche Malzeit, woran diese ge- priesenen Glüklichen schwelgen, von der sie betrunken aufstehen, und so in die Ewigkeit vor den Tron Got- tes taumeln -- Mein Ideal von Glük zieht sich ge- nügsamer in mich selbst zurük. In meinem Herzen liegen alle meine Wünsche begraben. -- Präsident. Meisterhaft! Unverbeßerlich! Herr- lich! Nach dreißig Jahren die erste Vorlesung wie- der! -- Schade nur, daß mein fünfzigjähriger Kopf zu zäh für das Lernen ist! -- Doch -- diß seltne Ta- lent nicht einrosten zu lassen, will ich dir jemand an die Seite geben, bey dem du dich in dieser buntsche- kigen
klimmen, wirſt du ſpielend, im Schlafe gehoben. Du biſt im zwoͤlften Jahre Faͤhndrich. Im zwanzig- ſten Major. Ich hab es durchgeſezt beim Fuͤrſten. Du wirſt die Uniform ausziehen, und in das Mi- niſterium eintreten. Der Fuͤrſt ſprach vom Gehei- menrath — Geſandſchaften — außerordentlichen Gnaden. Eine herrliche Ausſicht dehnt ſich vor dir. — Die ebene Straſſe zunaͤchſt nach dem Trone — zum Trone ſelbſt, wenn anders die Gewalt ſo viel werth iſt, als ihre Zeichen — das begeiſtert dich nicht? Ferdinand. Weil meine Begriffe von Groͤße und Gluͤk nicht ganz die Ihrigen ſind — Ihre Gluͤkſeligkeit macht ſich nur ſelten anders als durch Verderben bekannt. Neid, Furcht, Verwuͤnſchung ſind die traurigen Spiegel, worinn ſich die Hoheit eines Herrſchers belaͤchelt. — Traͤnen, Fluͤche, Ver- zweiflung die entſezliche Malzeit, woran dieſe ge- prieſenen Gluͤklichen ſchwelgen, von der ſie betrunken aufſtehen, und ſo in die Ewigkeit vor den Tron Got- tes taumeln — Mein Ideal von Gluͤk zieht ſich ge- nuͤgſamer in mich ſelbſt zuruͤk. In meinem Herzen liegen alle meine Wuͤnſche begraben. — Praͤſident. Meiſterhaft! Unverbeßerlich! Herr- lich! Nach dreißig Jahren die erſte Vorleſung wie- der! — Schade nur, daß mein fuͤnfzigjaͤhriger Kopf zu zaͤh fuͤr das Lernen iſt! — Doch — diß ſeltne Ta- lent nicht einroſten zu laſſen, will ich dir jemand an die Seite geben, bey dem du dich in dieſer buntſche- kigen
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Du biſt im zwoͤlften Jahre Faͤhndrich. Im zwanzig-
ſten Major. Ich hab es durchgeſezt beim Fuͤrſten.
Du wirſt die Uniform ausziehen, und in das Mi-
niſterium eintreten. Der Fuͤrſt ſprach vom Gehei-
menrath — Geſandſchaften — außerordentlichen
Gnaden. Eine herrliche Ausſicht dehnt ſich vor dir.
— Die ebene Straſſe zunaͤchſt nach dem Trone —
zum Trone ſelbſt, wenn anders die Gewalt ſo viel
werth iſt, als ihre Zeichen — das begeiſtert dich
nicht?
Ferdinand. Weil meine Begriffe von Groͤße
und Gluͤk nicht ganz die Ihrigen ſind — Ihre
Gluͤkſeligkeit macht ſich nur ſelten anders als durch
Verderben bekannt. Neid, Furcht, Verwuͤnſchung
ſind die traurigen Spiegel, worinn ſich die Hoheit
eines Herrſchers belaͤchelt. — Traͤnen, Fluͤche, Ver-
zweiflung die entſezliche Malzeit, woran dieſe ge-
prieſenen Gluͤklichen ſchwelgen, von der ſie betrunken
aufſtehen, und ſo in die Ewigkeit vor den Tron Got-
tes taumeln — Mein Ideal von Gluͤk zieht ſich ge-
nuͤgſamer in mich ſelbſt zuruͤk. In meinem Herzen
liegen alle meine Wuͤnſche begraben. —
Praͤſident. Meiſterhaft! Unverbeßerlich! Herr-
lich! Nach dreißig Jahren die erſte Vorleſung wie-
der! — Schade nur, daß mein fuͤnfzigjaͤhriger Kopf
zu zaͤh fuͤr das Lernen iſt! — Doch — diß ſeltne Ta-
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/32>, abgerufen am 05.07.2024. |