Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784. Ferdinand. (im Ausdruk der unbändigsten Wut) Mörder und Mördervater! -- Mit muß er, daß der Richter der Welt nur gegen den Schuldigen rase (will hinaus) Louise. Sterbend vergab mein Erlöser -- Heil über dich und ihn (sie stirbt) Ferdinand. (kehrt schnell um, wird ihre lezte ster- bende Bewegung gewahr und fällt in Schmerz aufgelößt vor der Todten nieder) Halt! Halt! Entspringe mir nicht Engel des Himmels! (er faßt ihre Hand an, und läßt sie schnell wieder fallen) Kalt, kalt und feucht! Ihre Seele ist dahin (er springt wieder auf) Gott meiner Louise! Gnade! Gnade dem Verruchtesten der Mörder! Es war ihr leztes Gebet! -- -- Wie reizend und schön auch im Leichnam! Der ge- rührte Würger gieng schonend über diese freundliche Wangen hin -- Diese Sanftmuth war keine Larve -- sie hat auch dem Tod stand gehalten (nach einer Pause) Aber wie? Warum fühl ich nichts? Will die Kraft meiner Jugend mich retten? Undankbare Mühe! Das ist meine Meinung nicht (er greift nach dem Glase) Ferdinand. (im Ausdruk der unbaͤndigſten Wut) Moͤrder und Moͤrdervater! — Mit muß er, daß der Richter der Welt nur gegen den Schuldigen raſe (will hinaus) Louiſe. Sterbend vergab mein Erloͤſer — Heil uͤber dich und ihn (ſie ſtirbt) Ferdinand. (kehrt ſchnell um, wird ihre lezte ſter- bende Bewegung gewahr und faͤllt in Schmerz aufgeloͤßt vor der Todten nieder) Halt! Halt! Entſpringe mir nicht Engel des Himmels! (er faßt ihre Hand an, und laͤßt ſie ſchnell wieder fallen) Kalt, kalt und feucht! Ihre Seele iſt dahin (er ſpringt wieder auf) Gott meiner Louiſe! Gnade! Gnade dem Verruchteſten der Moͤrder! Es war ihr leztes Gebet! — — Wie reizend und ſchoͤn auch im Leichnam! Der ge- ruͤhrte Wuͤrger gieng ſchonend uͤber dieſe freundliche Wangen hin — Dieſe Sanftmuth war keine Larve — ſie hat auch dem Tod ſtand gehalten (nach einer Pauſe) Aber wie? Warum fuͤhl ich nichts? Will die Kraft meiner Jugend mich retten? Undankbare Muͤhe! Das iſt meine Meinung nicht (er greift nach dem Glaſe) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0166" n="162"/> <sp who="#FER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Ferdinand.</hi> </speaker> <p><stage>(im Ausdruk der unbaͤndigſten Wut)</stage><lb/> Moͤrder und Moͤrdervater! — <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Mit</hi></hi> muß er,<lb/> daß der Richter der Welt nur gegen den Schuldigen<lb/> raſe <stage>(will hinaus)</stage></p> </sp><lb/> <sp who="#LOU"> <speaker> <hi rendition="#fr">Louiſe.</hi> </speaker> <p>Sterbend vergab mein Erloͤſer — Heil<lb/> uͤber dich und ihn <stage>(ſie ſtirbt)</stage></p> </sp><lb/> <sp who="#FER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Ferdinand.</hi> </speaker> <p><stage>(kehrt ſchnell um, wird ihre lezte ſter-<lb/> bende Bewegung gewahr und faͤllt in Schmerz aufgeloͤßt<lb/> vor der Todten nieder)</stage> Halt! Halt! Entſpringe mir<lb/> nicht Engel des Himmels! <stage>(er faßt ihre Hand an,<lb/> und laͤßt ſie ſchnell wieder fallen)</stage> Kalt, kalt und feucht!<lb/> Ihre Seele iſt dahin <stage>(er ſpringt wieder auf)</stage> Gott<lb/> meiner Louiſe! Gnade! Gnade dem Verruchteſten<lb/> der Moͤrder! Es war ihr leztes Gebet! — —<lb/> Wie reizend und ſchoͤn auch im Leichnam! Der ge-<lb/> ruͤhrte Wuͤrger gieng ſchonend uͤber dieſe freundliche<lb/> Wangen hin — Dieſe Sanftmuth war keine Larve<lb/> — ſie hat auch dem Tod ſtand gehalten <stage>(nach einer<lb/> Pauſe)</stage> Aber wie? Warum fuͤhl ich nichts? Will<lb/> die Kraft meiner Jugend mich retten? <hi rendition="#fr">Undankbare<lb/> Muͤhe!</hi> Das iſt meine Meinung nicht <stage>(er greift<lb/> nach dem Glaſe)</stage></p> </sp> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [162/0166]
Ferdinand. (im Ausdruk der unbaͤndigſten Wut)
Moͤrder und Moͤrdervater! — Mit muß er,
daß der Richter der Welt nur gegen den Schuldigen
raſe (will hinaus)
Louiſe. Sterbend vergab mein Erloͤſer — Heil
uͤber dich und ihn (ſie ſtirbt)
Ferdinand. (kehrt ſchnell um, wird ihre lezte ſter-
bende Bewegung gewahr und faͤllt in Schmerz aufgeloͤßt
vor der Todten nieder) Halt! Halt! Entſpringe mir
nicht Engel des Himmels! (er faßt ihre Hand an,
und laͤßt ſie ſchnell wieder fallen) Kalt, kalt und feucht!
Ihre Seele iſt dahin (er ſpringt wieder auf) Gott
meiner Louiſe! Gnade! Gnade dem Verruchteſten
der Moͤrder! Es war ihr leztes Gebet! — —
Wie reizend und ſchoͤn auch im Leichnam! Der ge-
ruͤhrte Wuͤrger gieng ſchonend uͤber dieſe freundliche
Wangen hin — Dieſe Sanftmuth war keine Larve
— ſie hat auch dem Tod ſtand gehalten (nach einer
Pauſe) Aber wie? Warum fuͤhl ich nichts? Will
die Kraft meiner Jugend mich retten? Undankbare
Muͤhe! Das iſt meine Meinung nicht (er greift
nach dem Glaſe)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |