Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.alle -- fährt der Graf von O** fort -- die Zweytes
alle — fährt der Graf von O** fort — die Zweytes
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0099" n="91"/> alle — fährt der Graf von O** fort — die<lb/> in dem Augenblicke, wo ich dieſes ſchreibe, viel¬<lb/> leicht mit Hohngelächter auf ſeine Schwachheit her¬<lb/> abſehen, und im ſtolzen Dünkel ihrer nie angefoch¬<lb/> tenen Vernunft ſich für berechtigt halten, den Stab<lb/> der Verdammung über ihn zu brechen, nicht alle,<lb/> fürchte ich, würden dieſe erſte Probe ſo männlich<lb/> überſtanden haben. Wenn man ihn nunmehr auch<lb/> nach dieſer glücklichen Vorbereitung deſſen ungeach¬<lb/> tet fallen ſieht: wenn man den ſchwarzen Anſchlag,<lb/> vor deſſen entfernteſter Annäherung ihn ſein guter<lb/> Genius warnte, nichts deſtoweniger an ihm in Er¬<lb/> füllung gegangen findet, ſo wird man weniger über<lb/> ſeine Thorheit ſpotten, als über die Größe des Bu¬<lb/> benſtücks erſtaunen, dem eine ſo wohl vertheidigte<lb/> Vernunft erlag. Weltliche Rückſichten können an<lb/> meinem Zeugniſſe keinen Antheil haben, denn Er,<lb/> der es mir danken ſoll, iſt nicht mehr. Sein<lb/> ſchreckliches Schickſal iſt geendigt, längſt hat ſich<lb/> ſeine Seele am Thron der Wahrheit gereinigt, vor<lb/> dem auch die meinige längſt ſteht, wenn die Welt<lb/> dieſes lieſet — aber man verzeihe mir die Thrä¬<lb/> ne, die dem Andenken meines theuerſten Freundes<lb/> unfreywillig fällt — aber zur Steuer der Gerech¬<lb/> tigkeit ſchreib' ich es nieder: Er war ein edler<lb/> Menſch, und gewiß wär' er eine Zierde des Thro¬<lb/> nes geworden, den er durch ein Verbrechen erſtei¬<lb/> gen zu wollen, ſich bethören ließ.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <fw place="bottom" type="catch">Zweytes<lb/></fw> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0099]
alle — fährt der Graf von O** fort — die
in dem Augenblicke, wo ich dieſes ſchreibe, viel¬
leicht mit Hohngelächter auf ſeine Schwachheit her¬
abſehen, und im ſtolzen Dünkel ihrer nie angefoch¬
tenen Vernunft ſich für berechtigt halten, den Stab
der Verdammung über ihn zu brechen, nicht alle,
fürchte ich, würden dieſe erſte Probe ſo männlich
überſtanden haben. Wenn man ihn nunmehr auch
nach dieſer glücklichen Vorbereitung deſſen ungeach¬
tet fallen ſieht: wenn man den ſchwarzen Anſchlag,
vor deſſen entfernteſter Annäherung ihn ſein guter
Genius warnte, nichts deſtoweniger an ihm in Er¬
füllung gegangen findet, ſo wird man weniger über
ſeine Thorheit ſpotten, als über die Größe des Bu¬
benſtücks erſtaunen, dem eine ſo wohl vertheidigte
Vernunft erlag. Weltliche Rückſichten können an
meinem Zeugniſſe keinen Antheil haben, denn Er,
der es mir danken ſoll, iſt nicht mehr. Sein
ſchreckliches Schickſal iſt geendigt, längſt hat ſich
ſeine Seele am Thron der Wahrheit gereinigt, vor
dem auch die meinige längſt ſteht, wenn die Welt
dieſes lieſet — aber man verzeihe mir die Thrä¬
ne, die dem Andenken meines theuerſten Freundes
unfreywillig fällt — aber zur Steuer der Gerech¬
tigkeit ſchreib' ich es nieder: Er war ein edler
Menſch, und gewiß wär' er eine Zierde des Thro¬
nes geworden, den er durch ein Verbrechen erſtei¬
gen zu wollen, ſich bethören ließ.
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