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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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ne Prophezeihung auf dem Markusplatz, das erste
Wunder, welches alle übrigen eröffnet hat, bleibt
nichts desto weniger unerklärt; und was hilft uns
der Schlüssel zu allen übrigen, wenn wir an der
Auflösung dieses einzigen verzweifeln?

"Kehren Sie es vielmehr um, lieber Graf,"
gab mir der Prinz hierauf zur Antwort. "Sagen
Sie, was beweisen alle jenen Wunder, wenn ich
heraus bringe, daß auch nur ein einziges Taschen¬
spiel darunter war? Jene Prophezeihung -- ich
bekenn es Ihnen -- geht über alle meine Fassungs¬
kraft. Stunde sie einzeln da, hätte der Arme¬
nier seine Rolle mit ihr beschlossen, wie er sie damit
eröffnete -- ich gestehe Ihnen, ich weiß nicht,
wie weit sie mich noch hätte führen können. In
dieser niedrigen Gesellschaft ist sie mir ein klein
wenig verdächtig. -- Die Zeit wird sie aufklä¬
ren oder auch nicht aufklären -- aber glauben
Sie mir, Freund (indem er seine Hand auf die
meinige legte, und eine sehr ernsthafte Miene an¬
nahm,) ein Mensch, dem höhere Kräfte zu Gebote
stehen, wird keines Gaukelspiels bedürfen, oder
er wird es verachten."

So endigte sich eine Unterredung, die ich dar¬
um ganz hieher gesezt habe, weil sie die Schwie¬
rigkeiten zeigt, die bey dem Prinzen zu besiegen
waren; und weil sie, wie ich hoffe, sein Andenken
von dem Vorwurfe reinigen wird, daß er sich blind
und unbesonnen in die Schlinge gestürzt habe, die
eine unerhörte Teufeley ihm bereitete. Nicht

alle

ne Prophezeihung auf dem Markusplatz, das erſte
Wunder, welches alle übrigen eröffnet hat, bleibt
nichts deſto weniger unerklärt; und was hilft uns
der Schlüſſel zu allen übrigen, wenn wir an der
Auflöſung dieſes einzigen verzweifeln?

„Kehren Sie es vielmehr um, lieber Graf,“
gab mir der Prinz hierauf zur Antwort. „Sagen
Sie, was beweiſen alle jenen Wunder, wenn ich
heraus bringe, daß auch nur ein einziges Taſchen¬
ſpiel darunter war? Jene Prophezeihung — ich
bekenn es Ihnen — geht über alle meine Faſſungs¬
kraft. Stunde ſie einzeln da, hätte der Arme¬
nier ſeine Rolle mit ihr beſchloſſen, wie er ſie damit
eröffnete — ich geſtehe Ihnen, ich weiß nicht,
wie weit ſie mich noch hätte führen können. In
dieſer niedrigen Geſellſchaft iſt ſie mir ein klein
wenig verdächtig. — Die Zeit wird ſie aufklä¬
ren oder auch nicht aufklären — aber glauben
Sie mir, Freund (indem er ſeine Hand auf die
meinige legte, und eine ſehr ernſthafte Miene an¬
nahm,) ein Menſch, dem höhere Kräfte zu Gebote
ſtehen, wird keines Gaukelſpiels bedürfen, oder
er wird es verachten.“

So endigte ſich eine Unterredung, die ich dar¬
um ganz hieher geſezt habe, weil ſie die Schwie¬
rigkeiten zeigt, die bey dem Prinzen zu beſiegen
waren; und weil ſie, wie ich hoffe, ſein Andenken
von dem Vorwurfe reinigen wird, daß er ſich blind
und unbeſonnen in die Schlinge geſtürzt habe, die
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[90/0098] ne Prophezeihung auf dem Markusplatz, das erſte Wunder, welches alle übrigen eröffnet hat, bleibt nichts deſto weniger unerklärt; und was hilft uns der Schlüſſel zu allen übrigen, wenn wir an der Auflöſung dieſes einzigen verzweifeln? „Kehren Sie es vielmehr um, lieber Graf,“ gab mir der Prinz hierauf zur Antwort. „Sagen Sie, was beweiſen alle jenen Wunder, wenn ich heraus bringe, daß auch nur ein einziges Taſchen¬ ſpiel darunter war? Jene Prophezeihung — ich bekenn es Ihnen — geht über alle meine Faſſungs¬ kraft. Stunde ſie einzeln da, hätte der Arme¬ nier ſeine Rolle mit ihr beſchloſſen, wie er ſie damit eröffnete — ich geſtehe Ihnen, ich weiß nicht, wie weit ſie mich noch hätte führen können. In dieſer niedrigen Geſellſchaft iſt ſie mir ein klein wenig verdächtig. — Die Zeit wird ſie aufklä¬ ren oder auch nicht aufklären — aber glauben Sie mir, Freund (indem er ſeine Hand auf die meinige legte, und eine ſehr ernſthafte Miene an¬ nahm,) ein Menſch, dem höhere Kräfte zu Gebote ſtehen, wird keines Gaukelſpiels bedürfen, oder er wird es verachten.“ So endigte ſich eine Unterredung, die ich dar¬ um ganz hieher geſezt habe, weil ſie die Schwie¬ rigkeiten zeigt, die bey dem Prinzen zu beſiegen waren; und weil ſie, wie ich hoffe, ſein Andenken von dem Vorwurfe reinigen wird, daß er ſich blind und unbeſonnen in die Schlinge geſtürzt habe, die eine unerhörte Teufeley ihm bereitete. Nicht alle

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/98>, abgerufen am 18.05.2024.