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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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"Was sind es für Geheimnisse, die er mir preis
giebt? Keines von denen zuverlässig, die er Lust
hat, bey mir in Ausübung zu bringen. Er hat
also durch ihre Profanation nichts verloren --
Aber wie viel hat er im Gegentheil gewonnen,
wenn dieser vermeyntliche Triumph über Betrug
und Taschenspielerey mich sicher und zuversichtlich
macht, wenn es ihm dadurch gelang, meine Wach¬
samkeit nach einer entgegengesezten Richtung zu
lenken, meinen noch unbestimmt umher schweifen¬
den Argwohn auf Gegenstände zu fixiren, die von
dem eigentlichen Ort des Angriffs am weitsten ent¬
legen sind ? Er konnte erwarten, daß ich, früher
oder später, aus eignem Mißtrauen oder fremdem
Antrieb, den Schlüssel zu seinen Wundern in der
Taschenspielerkunst aufsuchen würde. -- Was
konnte er beßres thun, als daß er sie selbst neben
einander stellte, daß er mir gleichsam den Maßstab
dazu in die Hand gab, und, indem er der leztern
eine künstliche Grenze sezte, meine Begriffe von den
erstern desto mehr erhöhete oder verwirrte. Wie
viele Muthmaßungen hat er durch diesen Kunstgriff
auf einmal abgeschnitten! wie viele Erklärungs¬
arten im voraus widerlegt, auf die ich in der Folge
vielleicht hätte fallen mögen!"

So hat er wenigstens sehr gegen sich selbst ge¬
handelt, daß er die Augen derer, die er täuschen
wollte, schärfte, und ihren Glauben an Wunder¬
kraft durch Entzifferung eines so künstlichen Betrugs
überhaupt sinken machte. Sie selbst, gnädigster

Herr,

„Was ſind es für Geheimniſſe, die er mir preis
giebt? Keines von denen zuverläſſig, die er Luſt
hat, bey mir in Ausübung zu bringen. Er hat
alſo durch ihre Profanation nichts verloren —
Aber wie viel hat er im Gegentheil gewonnen,
wenn dieſer vermeyntliche Triumph über Betrug
und Taſchenſpielerey mich ſicher und zuverſichtlich
macht, wenn es ihm dadurch gelang, meine Wach¬
ſamkeit nach einer entgegengeſezten Richtung zu
lenken, meinen noch unbeſtimmt umher ſchweifen¬
den Argwohn auf Gegenſtände zu fixiren, die von
dem eigentlichen Ort des Angriffs am weitſten ent¬
legen ſind ? Er konnte erwarten, daß ich, früher
oder ſpäter, aus eignem Mißtrauen oder fremdem
Antrieb, den Schlüſſel zu ſeinen Wundern in der
Taſchenſpielerkunſt aufſuchen würde. — Was
konnte er beßres thun, als daß er ſie ſelbſt neben
einander ſtellte, daß er mir gleichſam den Maßſtab
dazu in die Hand gab, und, indem er der leztern
eine künſtliche Grenze ſezte, meine Begriffe von den
erſtern deſto mehr erhöhete oder verwirrte. Wie
viele Muthmaßungen hat er durch dieſen Kunſtgriff
auf einmal abgeſchnitten! wie viele Erklärungs¬
arten im voraus widerlegt, auf die ich in der Folge
vielleicht hätte fallen mögen!“

So hat er wenigſtens ſehr gegen ſich ſelbſt ge¬
handelt, daß er die Augen derer, die er täuſchen
wollte, ſchärfte, und ihren Glauben an Wunder¬
kraft durch Entzifferung eines ſo künſtlichen Betrugs
überhaupt ſinken machte. Sie ſelbſt, gnädigſter

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[86/0094] „Was ſind es für Geheimniſſe, die er mir preis giebt? Keines von denen zuverläſſig, die er Luſt hat, bey mir in Ausübung zu bringen. Er hat alſo durch ihre Profanation nichts verloren — Aber wie viel hat er im Gegentheil gewonnen, wenn dieſer vermeyntliche Triumph über Betrug und Taſchenſpielerey mich ſicher und zuverſichtlich macht, wenn es ihm dadurch gelang, meine Wach¬ ſamkeit nach einer entgegengeſezten Richtung zu lenken, meinen noch unbeſtimmt umher ſchweifen¬ den Argwohn auf Gegenſtände zu fixiren, die von dem eigentlichen Ort des Angriffs am weitſten ent¬ legen ſind ? Er konnte erwarten, daß ich, früher oder ſpäter, aus eignem Mißtrauen oder fremdem Antrieb, den Schlüſſel zu ſeinen Wundern in der Taſchenſpielerkunſt aufſuchen würde. — Was konnte er beßres thun, als daß er ſie ſelbſt neben einander ſtellte, daß er mir gleichſam den Maßſtab dazu in die Hand gab, und, indem er der leztern eine künſtliche Grenze ſezte, meine Begriffe von den erſtern deſto mehr erhöhete oder verwirrte. Wie viele Muthmaßungen hat er durch dieſen Kunſtgriff auf einmal abgeſchnitten! wie viele Erklärungs¬ arten im voraus widerlegt, auf die ich in der Folge vielleicht hätte fallen mögen!“ So hat er wenigſtens ſehr gegen ſich ſelbſt ge¬ handelt, daß er die Augen derer, die er täuſchen wollte, ſchärfte, und ihren Glauben an Wunder¬ kraft durch Entzifferung eines ſo künſtlichen Betrugs überhaupt ſinken machte. Sie ſelbſt, gnädigſter Herr,

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/94>, abgerufen am 25.11.2024.