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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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um den Argwohn von der wahren Spur zu ent¬
fernen."

Wie meynen Sie das?

"Lassen Sie uns annehmen, er habe einen mei¬
ner Leute bestochen, um durch ihn gewisse geheime
Nachrichten -- vielleicht gar Dokumente -- zu
erhalten, die zu seinem Zwecke dienen. Ich ver¬
misse meinen Jäger. Was hindert mich, zu glau¬
ben, daß der Armenier bey der Entweichung dieses
Menschen mit im Spiele sey? Aber der Zufall
kann es fügen, daß ich hinter diese Schliche kom¬
me; ein Brief kann aufgefangen werden, ein Be¬
dienter zu plaudern. Sein ganzes Ansehen schei¬
tert, wenn ich die Quellen seiner Allwissenheit ent¬
decke. Er schiebt also diesen Taschenspieler ein, der
diesen oder jenen Anschlag auf mich haben muß.
Von dem Daseyn und den Absichten dieses Men¬
schen unterläßt er nicht mir frühzeitig ei¬
nen Wink zu geben. Was ich also auch entdecken
mag, so wird mein Verdacht auf niemand anders
als auf diesen Gaukler fallen; und zu den Nachfor¬
schungen, welche ihm, dem Armenier, zu gute
kommen, wird der Sicilianer seinen Namen geben.
Dieses war die Puppe, mit der er mich spielen
läßt, während daß er selbst, unbeobachtet und un¬
verdächtig, mit unsichtbaren Seilen mich um¬
windet."

Sehr gut! Aber wie läßt es sich mit diesen
Absichten reimen, daß er selbst diese Täuschung zer¬
stören hilft, und die Geheimnisse seiner Kunst pro¬
fanen Augen preis giebt?

"Was
F 3

um den Argwohn von der wahren Spur zu ent¬
fernen.“

Wie meynen Sie das?

„Laſſen Sie uns annehmen, er habe einen mei¬
ner Leute beſtochen, um durch ihn gewiſſe geheime
Nachrichten — vielleicht gar Dokumente — zu
erhalten, die zu ſeinem Zwecke dienen. Ich ver¬
miſſe meinen Jäger. Was hindert mich, zu glau¬
ben, daß der Armenier bey der Entweichung dieſes
Menſchen mit im Spiele ſey? Aber der Zufall
kann es fügen, daß ich hinter dieſe Schliche kom¬
me; ein Brief kann aufgefangen werden, ein Be¬
dienter zu plaudern. Sein ganzes Anſehen ſchei¬
tert, wenn ich die Quellen ſeiner Allwiſſenheit ent¬
decke. Er ſchiebt alſo dieſen Taſchenſpieler ein, der
dieſen oder jenen Anſchlag auf mich haben muß.
Von dem Daſeyn und den Abſichten dieſes Men¬
ſchen unterläßt er nicht mir frühzeitig ei¬
nen Wink zu geben. Was ich alſo auch entdecken
mag, ſo wird mein Verdacht auf niemand anders
als auf dieſen Gaukler fallen; und zu den Nachfor¬
ſchungen, welche ihm, dem Armenier, zu gute
kommen, wird der Sicilianer ſeinen Namen geben.
Dieſes war die Puppe, mit der er mich ſpielen
läßt, während daß er ſelbſt, unbeobachtet und un¬
verdächtig, mit unſichtbaren Seilen mich um¬
windet.“

Sehr gut! Aber wie läßt es ſich mit dieſen
Abſichten reimen, daß er ſelbſt dieſe Täuſchung zer¬
ſtören hilft, und die Geheimniſſe ſeiner Kunſt pro¬
fanen Augen preis giebt?

„Was
F 3
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[85/0093] um den Argwohn von der wahren Spur zu ent¬ fernen.“ Wie meynen Sie das? „Laſſen Sie uns annehmen, er habe einen mei¬ ner Leute beſtochen, um durch ihn gewiſſe geheime Nachrichten — vielleicht gar Dokumente — zu erhalten, die zu ſeinem Zwecke dienen. Ich ver¬ miſſe meinen Jäger. Was hindert mich, zu glau¬ ben, daß der Armenier bey der Entweichung dieſes Menſchen mit im Spiele ſey? Aber der Zufall kann es fügen, daß ich hinter dieſe Schliche kom¬ me; ein Brief kann aufgefangen werden, ein Be¬ dienter zu plaudern. Sein ganzes Anſehen ſchei¬ tert, wenn ich die Quellen ſeiner Allwiſſenheit ent¬ decke. Er ſchiebt alſo dieſen Taſchenſpieler ein, der dieſen oder jenen Anſchlag auf mich haben muß. Von dem Daſeyn und den Abſichten dieſes Men¬ ſchen unterläßt er nicht mir frühzeitig ei¬ nen Wink zu geben. Was ich alſo auch entdecken mag, ſo wird mein Verdacht auf niemand anders als auf dieſen Gaukler fallen; und zu den Nachfor¬ ſchungen, welche ihm, dem Armenier, zu gute kommen, wird der Sicilianer ſeinen Namen geben. Dieſes war die Puppe, mit der er mich ſpielen läßt, während daß er ſelbſt, unbeobachtet und un¬ verdächtig, mit unſichtbaren Seilen mich um¬ windet.“ Sehr gut! Aber wie läßt es ſich mit dieſen Abſichten reimen, daß er ſelbſt dieſe Täuſchung zer¬ ſtören hilft, und die Geheimniſſe ſeiner Kunſt pro¬ fanen Augen preis giebt? „Was F 3

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/93>, abgerufen am 22.11.2024.