Herr, sind die beste Widerlegung seines Plans wenn er ja einen gehabt hat.
"Er hat sich in mir vielleicht geirret -- aber er hat darum nicht weniger scharfsinnig raisonni¬ ret. Konnte er voraus sehen, daß mir gerade dasjenige im Gedächtniß bleiben würde, welches der Schlüssel zu dem Wunder werden könnte? Lag es in seinem Plan, daß mir die Kreatur, deren er sich bediente, solche Blößen geben sollte? Wissen wir, ob dieser Sicilianer seine Vollmacht nicht weit über¬ schritten hat? -- Mit dem Ringe gewiß-- und doch ist es hauptsächlich dieser einzige Umstand, der mein Mißtrauen gegen diesen Menschen entschieden hat. Wie leicht kann ein so zugespizter feiner Plan durch ein gröberes Organ verunstaltet wer¬ den? Sicherlich war es seine Meynung nicht, daß uns der Taschenspieler seinen Ruhm im Markt¬ schreyertone vorposaunen sollte -- daß er uns jene Mährchen aufschüsseln sollte, die sich beym leich¬ testen Nachdenken widerlegen. So zum Beyspiel -- mit welcher Stirne kann dieser Charlatan be¬ haupten, daß sein Wunderthäter auf den Glocken¬ schlag Zwölfe in der Nacht jeden Umgang mit Menschen aufheben müsse? Haben wir ihn nicht, selbst um diese Zeit in unsrer Mitte gesehen?"
Das ist wahr, rief ich. Das muß er ver¬ gessen haben!
"Aber es liegt im Charakter dieser Art Leute, daß sie solche Aufträge übertreiben, und durch das Zuviel alles verschlimmern, was ein bescheidener und mäßiger Betrug vortrefflich gemacht hätte."
Ich
F 4
Herr, ſind die beſte Widerlegung ſeines Plans wenn er ja einen gehabt hat.
„Er hat ſich in mir vielleicht geirret — aber er hat darum nicht weniger ſcharfſinnig raiſonni¬ ret. Konnte er voraus ſehen, daß mir gerade dasjenige im Gedächtniß bleiben würde, welches der Schlüſſel zu dem Wunder werden könnte? Lag es in ſeinem Plan, daß mir die Kreatur, deren er ſich bediente, ſolche Blößen geben ſollte? Wiſſen wir, ob dieſer Sicilianer ſeine Vollmacht nicht weit über¬ ſchritten hat? — Mit dem Ringe gewiß— und doch iſt es hauptſächlich dieſer einzige Umſtand, der mein Mißtrauen gegen dieſen Menſchen entſchieden hat. Wie leicht kann ein ſo zugeſpizter feiner Plan durch ein gröberes Organ verunſtaltet wer¬ den? Sicherlich war es ſeine Meynung nicht, daß uns der Taſchenſpieler ſeinen Ruhm im Markt¬ ſchreyertone vorpoſaunen ſollte — daß er uns jene Mährchen aufſchüſſeln ſollte, die ſich beym leich¬ teſten Nachdenken widerlegen. So zum Beyſpiel — mit welcher Stirne kann dieſer Charlatan be¬ haupten, daß ſein Wunderthäter auf den Glocken¬ ſchlag Zwölfe in der Nacht jeden Umgang mit Menſchen aufheben müſſe? Haben wir ihn nicht, ſelbſt um dieſe Zeit in unſrer Mitte geſehen?“
Das iſt wahr, rief ich. Das muß er ver¬ geſſen haben!
„Aber es liegt im Charakter dieſer Art Leute, daß ſie ſolche Aufträge übertreiben, und durch das Zuviel alles verſchlimmern, was ein beſcheidener und mäßiger Betrug vortrefflich gemacht hätte.“
Ich
F 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0095"n="87"/>
Herr, ſind die beſte Widerlegung ſeines Plans<lb/>
wenn er ja einen gehabt hat.</p><lb/><p>„Er hat ſich in mir vielleicht geirret — aber<lb/>
er hat darum nicht weniger ſcharfſinnig raiſonni¬<lb/>
ret. Konnte er voraus ſehen, daß mir gerade<lb/>
dasjenige im Gedächtniß bleiben würde, welches der<lb/>
Schlüſſel zu dem Wunder werden könnte? Lag es<lb/>
in ſeinem Plan, daß mir die Kreatur, deren er ſich<lb/>
bediente, ſolche Blößen geben ſollte? Wiſſen wir,<lb/>
ob dieſer Sicilianer ſeine Vollmacht nicht weit über¬<lb/>ſchritten hat? — Mit dem Ringe gewiß— und<lb/>
doch iſt es hauptſächlich dieſer einzige Umſtand, der<lb/>
mein Mißtrauen gegen dieſen Menſchen entſchieden<lb/>
hat. Wie leicht kann ein ſo zugeſpizter feiner<lb/>
Plan durch ein gröberes Organ verunſtaltet wer¬<lb/>
den? Sicherlich war es ſeine Meynung nicht,<lb/>
daß uns der Taſchenſpieler ſeinen Ruhm im Markt¬<lb/>ſchreyertone vorpoſaunen ſollte — daß er uns jene<lb/>
Mährchen aufſchüſſeln ſollte, die ſich beym leich¬<lb/>
teſten Nachdenken widerlegen. So zum Beyſpiel<lb/>— mit welcher Stirne kann dieſer Charlatan be¬<lb/>
haupten, daß ſein Wunderthäter auf den Glocken¬<lb/>ſchlag Zwölfe in der Nacht jeden Umgang mit<lb/>
Menſchen aufheben müſſe? Haben wir ihn nicht,<lb/>ſelbſt um dieſe Zeit in unſrer Mitte geſehen?“</p><lb/><p>Das iſt wahr, rief ich. Das muß er ver¬<lb/>
geſſen haben!</p><lb/><p>„Aber es liegt im Charakter dieſer Art Leute,<lb/>
daß ſie ſolche Aufträge übertreiben, und durch das<lb/>
Zuviel alles verſchlimmern, was ein beſcheidener<lb/>
und mäßiger Betrug vortrefflich gemacht hätte.“</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">F 4<lb/></fw><fwplace="bottom"type="catch">Ich<lb/></fw></div></div></body></text></TEI>
[87/0095]
Herr, ſind die beſte Widerlegung ſeines Plans
wenn er ja einen gehabt hat.
„Er hat ſich in mir vielleicht geirret — aber
er hat darum nicht weniger ſcharfſinnig raiſonni¬
ret. Konnte er voraus ſehen, daß mir gerade
dasjenige im Gedächtniß bleiben würde, welches der
Schlüſſel zu dem Wunder werden könnte? Lag es
in ſeinem Plan, daß mir die Kreatur, deren er ſich
bediente, ſolche Blößen geben ſollte? Wiſſen wir,
ob dieſer Sicilianer ſeine Vollmacht nicht weit über¬
ſchritten hat? — Mit dem Ringe gewiß— und
doch iſt es hauptſächlich dieſer einzige Umſtand, der
mein Mißtrauen gegen dieſen Menſchen entſchieden
hat. Wie leicht kann ein ſo zugeſpizter feiner
Plan durch ein gröberes Organ verunſtaltet wer¬
den? Sicherlich war es ſeine Meynung nicht,
daß uns der Taſchenſpieler ſeinen Ruhm im Markt¬
ſchreyertone vorpoſaunen ſollte — daß er uns jene
Mährchen aufſchüſſeln ſollte, die ſich beym leich¬
teſten Nachdenken widerlegen. So zum Beyſpiel
— mit welcher Stirne kann dieſer Charlatan be¬
haupten, daß ſein Wunderthäter auf den Glocken¬
ſchlag Zwölfe in der Nacht jeden Umgang mit
Menſchen aufheben müſſe? Haben wir ihn nicht,
ſelbſt um dieſe Zeit in unſrer Mitte geſehen?“
Das iſt wahr, rief ich. Das muß er ver¬
geſſen haben!
„Aber es liegt im Charakter dieſer Art Leute,
daß ſie ſolche Aufträge übertreiben, und durch das
Zuviel alles verſchlimmern, was ein beſcheidener
und mäßiger Betrug vortrefflich gemacht hätte.“
Ich
F 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/95>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.