Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

Herr, sind die beste Widerlegung seines Plans
wenn er ja einen gehabt hat.

"Er hat sich in mir vielleicht geirret -- aber
er hat darum nicht weniger scharfsinnig raisonni¬
ret. Konnte er voraus sehen, daß mir gerade
dasjenige im Gedächtniß bleiben würde, welches der
Schlüssel zu dem Wunder werden könnte? Lag es
in seinem Plan, daß mir die Kreatur, deren er sich
bediente, solche Blößen geben sollte? Wissen wir,
ob dieser Sicilianer seine Vollmacht nicht weit über¬
schritten hat? -- Mit dem Ringe gewiß-- und
doch ist es hauptsächlich dieser einzige Umstand, der
mein Mißtrauen gegen diesen Menschen entschieden
hat. Wie leicht kann ein so zugespizter feiner
Plan durch ein gröberes Organ verunstaltet wer¬
den? Sicherlich war es seine Meynung nicht,
daß uns der Taschenspieler seinen Ruhm im Markt¬
schreyertone vorposaunen sollte -- daß er uns jene
Mährchen aufschüsseln sollte, die sich beym leich¬
testen Nachdenken widerlegen. So zum Beyspiel
-- mit welcher Stirne kann dieser Charlatan be¬
haupten, daß sein Wunderthäter auf den Glocken¬
schlag Zwölfe in der Nacht jeden Umgang mit
Menschen aufheben müsse? Haben wir ihn nicht,
selbst um diese Zeit in unsrer Mitte gesehen?"

Das ist wahr, rief ich. Das muß er ver¬
gessen haben!

"Aber es liegt im Charakter dieser Art Leute,
daß sie solche Aufträge übertreiben, und durch das
Zuviel alles verschlimmern, was ein bescheidener
und mäßiger Betrug vortrefflich gemacht hätte."

Ich
F 4

Herr, ſind die beſte Widerlegung ſeines Plans
wenn er ja einen gehabt hat.

„Er hat ſich in mir vielleicht geirret — aber
er hat darum nicht weniger ſcharfſinnig raiſonni¬
ret. Konnte er voraus ſehen, daß mir gerade
dasjenige im Gedächtniß bleiben würde, welches der
Schlüſſel zu dem Wunder werden könnte? Lag es
in ſeinem Plan, daß mir die Kreatur, deren er ſich
bediente, ſolche Blößen geben ſollte? Wiſſen wir,
ob dieſer Sicilianer ſeine Vollmacht nicht weit über¬
ſchritten hat? — Mit dem Ringe gewiß— und
doch iſt es hauptſächlich dieſer einzige Umſtand, der
mein Mißtrauen gegen dieſen Menſchen entſchieden
hat. Wie leicht kann ein ſo zugeſpizter feiner
Plan durch ein gröberes Organ verunſtaltet wer¬
den? Sicherlich war es ſeine Meynung nicht,
daß uns der Taſchenſpieler ſeinen Ruhm im Markt¬
ſchreyertone vorpoſaunen ſollte — daß er uns jene
Mährchen aufſchüſſeln ſollte, die ſich beym leich¬
teſten Nachdenken widerlegen. So zum Beyſpiel
— mit welcher Stirne kann dieſer Charlatan be¬
haupten, daß ſein Wunderthäter auf den Glocken¬
ſchlag Zwölfe in der Nacht jeden Umgang mit
Menſchen aufheben müſſe? Haben wir ihn nicht,
ſelbſt um dieſe Zeit in unſrer Mitte geſehen?“

Das iſt wahr, rief ich. Das muß er ver¬
geſſen haben!

„Aber es liegt im Charakter dieſer Art Leute,
daß ſie ſolche Aufträge übertreiben, und durch das
Zuviel alles verſchlimmern, was ein beſcheidener
und mäßiger Betrug vortrefflich gemacht hätte.“

Ich
F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0095" n="87"/>
Herr, &#x017F;ind die be&#x017F;te Widerlegung &#x017F;eines Plans<lb/>
wenn er ja einen gehabt hat.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Er hat &#x017F;ich in mir vielleicht geirret &#x2014; aber<lb/>
er hat darum nicht weniger &#x017F;charf&#x017F;innig rai&#x017F;onni¬<lb/>
ret. Konnte er voraus &#x017F;ehen, daß mir gerade<lb/>
dasjenige im Gedächtniß bleiben würde, welches der<lb/>
Schlü&#x017F;&#x017F;el zu dem Wunder werden könnte? Lag es<lb/>
in &#x017F;einem Plan, daß mir die Kreatur, deren er &#x017F;ich<lb/>
bediente, &#x017F;olche Blößen geben &#x017F;ollte? Wi&#x017F;&#x017F;en wir,<lb/>
ob die&#x017F;er Sicilianer &#x017F;eine Vollmacht nicht weit über¬<lb/>
&#x017F;chritten hat? &#x2014; Mit dem Ringe gewiß&#x2014; und<lb/>
doch i&#x017F;t es haupt&#x017F;ächlich die&#x017F;er einzige Um&#x017F;tand, der<lb/>
mein Mißtrauen gegen die&#x017F;en Men&#x017F;chen ent&#x017F;chieden<lb/>
hat. Wie leicht kann ein &#x017F;o zuge&#x017F;pizter feiner<lb/>
Plan durch ein gröberes Organ verun&#x017F;taltet wer¬<lb/>
den? Sicherlich war es &#x017F;eine Meynung nicht,<lb/>
daß uns der Ta&#x017F;chen&#x017F;pieler &#x017F;einen Ruhm im Markt¬<lb/>
&#x017F;chreyertone vorpo&#x017F;aunen &#x017F;ollte &#x2014; daß er uns jene<lb/>
Mährchen auf&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;eln &#x017F;ollte, die &#x017F;ich beym leich¬<lb/>
te&#x017F;ten Nachdenken widerlegen. So zum Bey&#x017F;piel<lb/>
&#x2014; mit welcher Stirne kann die&#x017F;er Charlatan be¬<lb/>
haupten, daß &#x017F;ein Wunderthäter auf den Glocken¬<lb/>
&#x017F;chlag Zwölfe in der Nacht jeden Umgang mit<lb/>
Men&#x017F;chen aufheben mü&#x017F;&#x017F;e? Haben wir ihn nicht,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t um die&#x017F;e Zeit in un&#x017F;rer Mitte ge&#x017F;ehen?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t wahr, rief ich. Das muß er ver¬<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en haben!</p><lb/>
          <p>&#x201E;Aber es liegt im Charakter die&#x017F;er Art Leute,<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;olche Aufträge übertreiben, und durch das<lb/>
Zuviel alles ver&#x017F;chlimmern, was ein be&#x017F;cheidener<lb/>
und mäßiger Betrug vortrefflich gemacht hätte.&#x201C;</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">F 4<lb/></fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Ich<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0095] Herr, ſind die beſte Widerlegung ſeines Plans wenn er ja einen gehabt hat. „Er hat ſich in mir vielleicht geirret — aber er hat darum nicht weniger ſcharfſinnig raiſonni¬ ret. Konnte er voraus ſehen, daß mir gerade dasjenige im Gedächtniß bleiben würde, welches der Schlüſſel zu dem Wunder werden könnte? Lag es in ſeinem Plan, daß mir die Kreatur, deren er ſich bediente, ſolche Blößen geben ſollte? Wiſſen wir, ob dieſer Sicilianer ſeine Vollmacht nicht weit über¬ ſchritten hat? — Mit dem Ringe gewiß— und doch iſt es hauptſächlich dieſer einzige Umſtand, der mein Mißtrauen gegen dieſen Menſchen entſchieden hat. Wie leicht kann ein ſo zugeſpizter feiner Plan durch ein gröberes Organ verunſtaltet wer¬ den? Sicherlich war es ſeine Meynung nicht, daß uns der Taſchenſpieler ſeinen Ruhm im Markt¬ ſchreyertone vorpoſaunen ſollte — daß er uns jene Mährchen aufſchüſſeln ſollte, die ſich beym leich¬ teſten Nachdenken widerlegen. So zum Beyſpiel — mit welcher Stirne kann dieſer Charlatan be¬ haupten, daß ſein Wunderthäter auf den Glocken¬ ſchlag Zwölfe in der Nacht jeden Umgang mit Menſchen aufheben müſſe? Haben wir ihn nicht, ſelbſt um dieſe Zeit in unſrer Mitte geſehen?“ Das iſt wahr, rief ich. Das muß er ver¬ geſſen haben! „Aber es liegt im Charakter dieſer Art Leute, daß ſie ſolche Aufträge übertreiben, und durch das Zuviel alles verſchlimmern, was ein beſcheidener und mäßiger Betrug vortrefflich gemacht hätte.“ Ich F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/95
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/95>, abgerufen am 18.05.2024.