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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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Kugel rollte langsam auf dem Altar, und die Ge¬
stalt trat unverändert aus dem Rauche. Jezt sank
der Magier ohnmächtig nieder.

"Was wird das?" rief der Engländer voll Er¬
staunen, und wollte einen Streich mit dem Degen
nach ihr thun. Die Gestalt berührte seinen Arm,
und die Klinge fiel zu Boden. Hier trat der Angst¬
schweiß auf meine Stirn. Baron F** gestand
uns nachher, daß er gebetet habe. Diese ganze
Zeit über stand der Prinz furchtlos und ruhig, die
Augen starr auf die Erscheinung gerichtet.

Ja! Ich erkenne dich," rief er endlich voll
Rührung aus, "du bist Lanoy, du bist mein Freund
-- -- Woher kömmst du?"

"Die Ewigkeit ist stumm. Frage mich aus dem
vergangenen Leben."

"Wer lebt in dem Kloster, das du mir bezeich¬
net hast?"

"Meine Tochter."

"Wie? Du bist Vater gewesen?

"Weh mir, daß ich es nicht war!"

"Bist du nicht glücklich, Lanoy?"

"Gott hat gerichtet."

"Kann ich dir auf dieser Welt noch einen Dienst
erzeigen?"

"Keinen, als an dich selbst zu denken."

"Wie muß ich das?

"In Rom wirst du es erfahren."

Hier erfolgte ein neuer Donnerschlag -- eine
schwarze Rauchwolke erfüllte das Zimmer; als sie
zerflossen war, fanden wir keine Gestalt mehr.

Ich

Kugel rollte langſam auf dem Altar, und die Ge¬
ſtalt trat unverändert aus dem Rauche. Jezt ſank
der Magier ohnmächtig nieder.

„Was wird das?“ rief der Engländer voll Er¬
ſtaunen, und wollte einen Streich mit dem Degen
nach ihr thun. Die Geſtalt berührte ſeinen Arm,
und die Klinge fiel zu Boden. Hier trat der Angſt¬
ſchweiß auf meine Stirn. Baron F** geſtand
uns nachher, daß er gebetet habe. Dieſe ganze
Zeit über ſtand der Prinz furchtlos und ruhig, die
Augen ſtarr auf die Erſcheinung gerichtet.

Ja! Ich erkenne dich,“ rief er endlich voll
Rührung aus, „du biſt Lanoy, du biſt mein Freund
— — Woher kömmſt du?“

„Die Ewigkeit iſt ſtumm. Frage mich aus dem
vergangenen Leben.“

„Wer lebt in dem Kloſter, das du mir bezeich¬
net haſt?“

„Meine Tochter.“

„Wie? Du biſt Vater geweſen?

„Weh mir, daß ich es nicht war!“

„Biſt du nicht glücklich, Lanoy?“

„Gott hat gerichtet.“

„Kann ich dir auf dieſer Welt noch einen Dienſt
erzeigen?“

„Keinen, als an dich ſelbſt zu denken.“

„Wie muß ich das?

„In Rom wirſt du es erfahren.“

Hier erfolgte ein neuer Donnerſchlag — eine
ſchwarze Rauchwolke erfüllte das Zimmer; als ſie
zerfloſſen war, fanden wir keine Geſtalt mehr.

Ich
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[30/0038] Kugel rollte langſam auf dem Altar, und die Ge¬ ſtalt trat unverändert aus dem Rauche. Jezt ſank der Magier ohnmächtig nieder. „Was wird das?“ rief der Engländer voll Er¬ ſtaunen, und wollte einen Streich mit dem Degen nach ihr thun. Die Geſtalt berührte ſeinen Arm, und die Klinge fiel zu Boden. Hier trat der Angſt¬ ſchweiß auf meine Stirn. Baron F** geſtand uns nachher, daß er gebetet habe. Dieſe ganze Zeit über ſtand der Prinz furchtlos und ruhig, die Augen ſtarr auf die Erſcheinung gerichtet. Ja! Ich erkenne dich,“ rief er endlich voll Rührung aus, „du biſt Lanoy, du biſt mein Freund — — Woher kömmſt du?“ „Die Ewigkeit iſt ſtumm. Frage mich aus dem vergangenen Leben.“ „Wer lebt in dem Kloſter, das du mir bezeich¬ net haſt?“ „Meine Tochter.“ „Wie? Du biſt Vater geweſen? „Weh mir, daß ich es nicht war!“ „Biſt du nicht glücklich, Lanoy?“ „Gott hat gerichtet.“ „Kann ich dir auf dieſer Welt noch einen Dienſt erzeigen?“ „Keinen, als an dich ſelbſt zu denken.“ „Wie muß ich das? „In Rom wirſt du es erfahren.“ Hier erfolgte ein neuer Donnerſchlag — eine ſchwarze Rauchwolke erfüllte das Zimmer; als ſie zerfloſſen war, fanden wir keine Geſtalt mehr. Ich

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/38>, abgerufen am 28.11.2024.