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Schiller, Friedrich: Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reyhe von Briefen. [1. Teil; 1. bis 9. Brief.] In: Friedrich Schiller (Hrsg.): Die Horen, Band 1, 1. Stück. Tübingen, 1795, S. 7–48.

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te, sondern an dem Herzen, das sich ihr verschloß, und an dem Triebe, der nicht für sie handelte.

Denn woher diese noch so allgemeine Herrschaft der Vorurtheile und diese Verfinsterung der Köpfe bey allem Licht, das Philosophie und Erfahrung aufsteckten? Das Zeitalter ist aufgeklärt, das heißt die Kenntnisse sind gefunden und öffentlich preißgegeben, welche hinreichen würden, wenigstens unsre praktischen Grundsätze zu berichtigen. Der Geist der freyen Untersuchung hat die Wahnbegriffe zerstreut, welche lange Zeit den Zugang zu der Wahrheit verwehrten, und den Grund unterwühlt, auf welchem Fanatismus und Betrug ihren Thron erbauten. Die Vernunft hat sich von den Täuschungen der Sinne und von einer betrüglichen Sophistik gereinigt, und die Philosophie selbst, welche uns zuerst von ihr abtrünnig machte, ruft uns laut und dringend in den Schooß der Natur zurück - woran liegt es, daß wir noch immer Barbaren sind?

Es muß also, weil es nicht in den Dingen liegt, in den Gemüthern der Menschen etwas vorhanden seyn, was der Aufnahme der Wahrheit, auch wenn sie noch so hell leuchtete, und der Annahme derselben, auch wenn sie noch so lebendig überzeugte, im Wege steht. Ein alter Weiser hat es empfunden, und es liegt in dem vielbedeutenden Ausdruck versteckt: sapere aude.

Erkühne dich, weise zu seyn. Energie des Muths gehört dazu, die Hindernisse zu bekämpfen, welche sowohl die Trägheit der Natur als die Feigheit des Herzens der Belehrung entgegen setzen. Nicht ohne Bedeutung läßt

te, sondern an dem Herzen, das sich ihr verschloß, und an dem Triebe, der nicht für sie handelte.

Denn woher diese noch so allgemeine Herrschaft der Vorurtheile und diese Verfinsterung der Köpfe bey allem Licht, das Philosophie und Erfahrung aufsteckten? Das Zeitalter ist aufgeklärt, das heißt die Kenntnisse sind gefunden und öffentlich preißgegeben, welche hinreichen würden, wenigstens unsre praktischen Grundsätze zu berichtigen. Der Geist der freyen Untersuchung hat die Wahnbegriffe zerstreut, welche lange Zeit den Zugang zu der Wahrheit verwehrten, und den Grund unterwühlt, auf welchem Fanatismus und Betrug ihren Thron erbauten. Die Vernunft hat sich von den Täuschungen der Sinne und von einer betrüglichen Sophistik gereinigt, und die Philosophie selbst, welche uns zuerst von ihr abtrünnig machte, ruft uns laut und dringend in den Schooß der Natur zurück – woran liegt es, daß wir noch immer Barbaren sind?

Es muß also, weil es nicht in den Dingen liegt, in den Gemüthern der Menschen etwas vorhanden seyn, was der Aufnahme der Wahrheit, auch wenn sie noch so hell leuchtete, und der Annahme derselben, auch wenn sie noch so lebendig überzeugte, im Wege steht. Ein alter Weiser hat es empfunden, und es liegt in dem vielbedeutenden Ausdruck versteckt: sapere aude.

Erkühne dich, weise zu seyn. Energie des Muths gehört dazu, die Hindernisse zu bekämpfen, welche sowohl die Trägheit der Natur als die Feigheit des Herzens der Belehrung entgegen setzen. Nicht ohne Bedeutung läßt

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[40/0034] te, sondern an dem Herzen, das sich ihr verschloß, und an dem Triebe, der nicht für sie handelte. Denn woher diese noch so allgemeine Herrschaft der Vorurtheile und diese Verfinsterung der Köpfe bey allem Licht, das Philosophie und Erfahrung aufsteckten? Das Zeitalter ist aufgeklärt, das heißt die Kenntnisse sind gefunden und öffentlich preißgegeben, welche hinreichen würden, wenigstens unsre praktischen Grundsätze zu berichtigen. Der Geist der freyen Untersuchung hat die Wahnbegriffe zerstreut, welche lange Zeit den Zugang zu der Wahrheit verwehrten, und den Grund unterwühlt, auf welchem Fanatismus und Betrug ihren Thron erbauten. Die Vernunft hat sich von den Täuschungen der Sinne und von einer betrüglichen Sophistik gereinigt, und die Philosophie selbst, welche uns zuerst von ihr abtrünnig machte, ruft uns laut und dringend in den Schooß der Natur zurück – woran liegt es, daß wir noch immer Barbaren sind? Es muß also, weil es nicht in den Dingen liegt, in den Gemüthern der Menschen etwas vorhanden seyn, was der Aufnahme der Wahrheit, auch wenn sie noch so hell leuchtete, und der Annahme derselben, auch wenn sie noch so lebendig überzeugte, im Wege steht. Ein alter Weiser hat es empfunden, und es liegt in dem vielbedeutenden Ausdruck versteckt: sapere aude. Erkühne dich, weise zu seyn. Energie des Muths gehört dazu, die Hindernisse zu bekämpfen, welche sowohl die Trägheit der Natur als die Feigheit des Herzens der Belehrung entgegen setzen. Nicht ohne Bedeutung läßt

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reyhe von Briefen. [1. Teil; 1. bis 9. Brief.] In: Friedrich Schiller (Hrsg.): Die Horen, Band 1, 1. Stück. Tübingen, 1795, S. 7–48, hier S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_erziehung01_1795/34>, abgerufen am 23.11.2024.