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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Theresiade
Mir schlug der Puls da sie gemach das Aug erhöhte,
Sie wies das Angesicht voll Unruh, Furcht und Röthe;
245Doch stellte sie mit Herz sich in dem Kreise dar,
Sprach zwar gemein, doch frey; nicht künstlich, dannoch klar.
"Die Wahrheit ", sagte sie, muß meine Neigung kennen,
"Daß sie Belieben trägt, mein Augen-Maß zu nennen.
"Wahr ists, ich halte viel auf dessen Richtigkeit;
250"Es zeigt mir jedes Wercks Kunst und Vollkommenheit:
"Jch ward auch diese Nacht dadurch ergözt, vergnüget,
"Es hat vielleicht daher der Zufall sich gefüget.
"Kaum trat' ich in die Stadt, traff' ich die Wahrheit an,
"Die mir gleich Geist und Herz und Sinnen abgewann.
255"Wir hatten vielerley, der Zeit gemäß, gesprochen,
"Biß unter andern sie mein Reden unterbrochen:
"Sie möchte, trug sie vor, ein solches Pracht-Gebäu,
"Das für Theresia zum Thron zu wiedmen sey,
"Doch sonder aller Kunst gemeiner Richtschnur bauen;
260"Wer könnte, sagte sie, sich es zu führen trauen?
"Der Vorschlag schien mir schwer, jedoch erklärt ich mich,
"(Weil mir die Möglichkeit schon durch die Sinnen schlich)
"Daß ich zu solchem Bau woll' einen Riß entwerffen;
"Jch weiß nicht, werd' ich ihn auch hier beschreiben därffen.
265
"Hat, Freundinn! das vielleicht mir dieses Glück gebracht,
"Daß als Erfinderinn ich jezo bin geacht?
"So
Thereſiade
Mir ſchlug der Puls da ſie gemach das Aug erhoͤhte,
Sie wies das Angeſicht voll Unruh, Furcht und Roͤthe;
245Doch ſtellte ſie mit Herz ſich in dem Kreiſe dar,
Sprach zwar gemein, doch frey; nicht kuͤnſtlich, dannoch klar.
„Die Wahrheit „, ſagte ſie, muß meine Neigung kennen,
„Daß ſie Belieben traͤgt, mein Augen-Maß zu nennen.
„Wahr iſts, ich halte viel auf deſſen Richtigkeit;
250„Es zeigt mir jedes Wercks Kunſt und Vollkommenheit:
„Jch ward auch dieſe Nacht dadurch ergoͤzt, vergnuͤget,
„Es hat vielleicht daher der Zufall ſich gefuͤget.
„Kaum trat’ ich in die Stadt, traff’ ich die Wahrheit an,
„Die mir gleich Geiſt und Herz und Sinnen abgewann.
255„Wir hatten vielerley, der Zeit gemaͤß, geſprochen,
„Biß unter andern ſie mein Reden unterbrochen:
„Sie moͤchte, trug ſie vor, ein ſolches Pracht-Gebaͤu,
„Das fuͤr Thereſia zum Thron zu wiedmen ſey,
„Doch ſonder aller Kunſt gemeiner Richtſchnur bauen;
260„Wer koͤnnte, ſagte ſie, ſich es zu fuͤhren trauen?
„Der Vorſchlag ſchien mir ſchwer, jedoch erklaͤrt ich mich,
„(Weil mir die Moͤglichkeit ſchon durch die Sinnen ſchlich)
„Daß ich zu ſolchem Bau woll’ einen Riß entwerffen;
„Jch weiß nicht, werd’ ich ihn auch hier beſchreiben daͤrffen.
265
„Hat, Freundinn! das vielleicht mir dieſes Gluͤck gebracht,
„Daß als Erfinderinn ich jezo bin geacht?
„So
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[0074] Thereſiade Mir ſchlug der Puls da ſie gemach das Aug erhoͤhte, Sie wies das Angeſicht voll Unruh, Furcht und Roͤthe; Doch ſtellte ſie mit Herz ſich in dem Kreiſe dar, Sprach zwar gemein, doch frey; nicht kuͤnſtlich, dannoch klar. „Die Wahrheit „, ſagte ſie, muß meine Neigung kennen, „Daß ſie Belieben traͤgt, mein Augen-Maß zu nennen. „Wahr iſts, ich halte viel auf deſſen Richtigkeit; „Es zeigt mir jedes Wercks Kunſt und Vollkommenheit: „Jch ward auch dieſe Nacht dadurch ergoͤzt, vergnuͤget, „Es hat vielleicht daher der Zufall ſich gefuͤget. „Kaum trat’ ich in die Stadt, traff’ ich die Wahrheit an, „Die mir gleich Geiſt und Herz und Sinnen abgewann. „Wir hatten vielerley, der Zeit gemaͤß, geſprochen, „Biß unter andern ſie mein Reden unterbrochen: „Sie moͤchte, trug ſie vor, ein ſolches Pracht-Gebaͤu, „Das fuͤr Thereſia zum Thron zu wiedmen ſey, „Doch ſonder aller Kunſt gemeiner Richtſchnur bauen; „Wer koͤnnte, ſagte ſie, ſich es zu fuͤhren trauen? „Der Vorſchlag ſchien mir ſchwer, jedoch erklaͤrt ich mich, „(Weil mir die Moͤglichkeit ſchon durch die Sinnen ſchlich) „Daß ich zu ſolchem Bau woll’ einen Riß entwerffen; „Jch weiß nicht, werd’ ich ihn auch hier beſchreiben daͤrffen. „Hat, Freundinn! das vielleicht mir dieſes Gluͤck gebracht, „Daß als Erfinderinn ich jezo bin geacht? „So

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/74>, abgerufen am 03.05.2024.